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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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des Komikers das erforderliche Ferkel für drei Drachmen, d. i. weniger als drei
Mark zu, haben war. Vollends muß man zweifeln, ob gerade viele Sklaven
sich solcher Gunst ihrer Herren erfreuten, daß diese für sie das Geld daran-
wnndten. Wieviel Fremde sich einweihen ließen, läßt sich gar nicht sagen; in
späteren Zeiten thaten es viele vornehme Römer, z. B. die Kaiser Augustus,
Hadrian und M. Aurelius, wahrend Nero auf seiner Kiinstlerreise in Griechen¬
land wegen des bösen Gewissens, welches er besonders um seines Mutter-
Mordes willen hatte, gar nicht wagte, nach Eleusis zu kommen.

Uebrigens waren die großen Mysterien keineswegs bloß für die Einge¬
weihten oder Einzuweihenden ein Fest, sondern für die gestimmte attische Be¬
völkerung und dazu große Schaaren von Fremden, indem es dabei eine Menge
auch öffentlicher Schaustellungen gab. Begangen wurde die Feier theils in
Athen felbst, wo es einen Tempel der Demeter gab, der Elensinion hieß, theils
in Eleusis. Sie wurde eröffnet in Athen, etwa den 15. oder 16. Boedrvmion,
mit einer feierlichen Proklamation des Hierophanten und Daduchen, wodurch
alle Unreinen und Barbaren ferngewiesen wurden; am nächsten Tage fanden
die Reinigungen der Mysten statt, die mit Meerwasser geschahen; diesem
Wasser nämlich legte der Glaube der Alten eine reinigende und sühnende
Kraft bei. Ich übergehe das Wenige, was sich über die Akte der nächst-
solgenden Tage wissen oder vermuthen läßt; am 19. oder 20. aber
sand der Auszug der Mysten und des sonstigen mitfeiernden Volkes nach
Eleusis statt. Obwohl nun die Mysterien das heiligste Fest der Athener
waren, und das Volk die Unverletzlichkeit des Geheimnisses und des ganzen
Festes mit dem größten Ernste und oft mit blutiger Strenge behütete, so war
Man doch hier wie bei dem sonstigen Götterdienste weit entfernt, von sich und
andern eine durchgängig andachtsvolle Stimmung und die Enthaltung von
allem Niedrigen und Gemeinen zu fordern, im Gegentheil waren die Feste
allesammt und so auch dies ganz wesentlich anch zum Vergnügen und zur
Belustigung da. Die Prozession nach Eleusis, bei welcher das aus seinem
athenischen Tempel geholte Bild des Jacchos vvranzag, geschah vermuthlich
mit sehr wenig eigentlicher Andacht, und an einer Stellender Brücke über den
Kephissos, war es Sitte, die Hinüberziehenden mit allerhand Spottreden zu
necken, bei denen wir keinen Grund haben zu glauben, daß man den Anstand
sorglich bewahrt hätte. Dergleichen fand bei allen Demeter- und Dionysos¬
sesten unter Frauen und Männern statt. Es folgten nun dem Jacchos
Priester und weltliche Behörden, und sodann die Mysten, alle mit Eppich und
Myrte bekränzt und alle zu Fuß; denn hier sollte demokratische Gleichheit
herrschen, und als es allzusehr einriß, daß reichere Frauen zu Wagen den
Weg machten, gab der Redner Lykurgos ein Gesetz, welches dies bei einer


des Komikers das erforderliche Ferkel für drei Drachmen, d. i. weniger als drei
Mark zu, haben war. Vollends muß man zweifeln, ob gerade viele Sklaven
sich solcher Gunst ihrer Herren erfreuten, daß diese für sie das Geld daran-
wnndten. Wieviel Fremde sich einweihen ließen, läßt sich gar nicht sagen; in
späteren Zeiten thaten es viele vornehme Römer, z. B. die Kaiser Augustus,
Hadrian und M. Aurelius, wahrend Nero auf seiner Kiinstlerreise in Griechen¬
land wegen des bösen Gewissens, welches er besonders um seines Mutter-
Mordes willen hatte, gar nicht wagte, nach Eleusis zu kommen.

Uebrigens waren die großen Mysterien keineswegs bloß für die Einge¬
weihten oder Einzuweihenden ein Fest, sondern für die gestimmte attische Be¬
völkerung und dazu große Schaaren von Fremden, indem es dabei eine Menge
auch öffentlicher Schaustellungen gab. Begangen wurde die Feier theils in
Athen felbst, wo es einen Tempel der Demeter gab, der Elensinion hieß, theils
in Eleusis. Sie wurde eröffnet in Athen, etwa den 15. oder 16. Boedrvmion,
mit einer feierlichen Proklamation des Hierophanten und Daduchen, wodurch
alle Unreinen und Barbaren ferngewiesen wurden; am nächsten Tage fanden
die Reinigungen der Mysten statt, die mit Meerwasser geschahen; diesem
Wasser nämlich legte der Glaube der Alten eine reinigende und sühnende
Kraft bei. Ich übergehe das Wenige, was sich über die Akte der nächst-
solgenden Tage wissen oder vermuthen läßt; am 19. oder 20. aber
sand der Auszug der Mysten und des sonstigen mitfeiernden Volkes nach
Eleusis statt. Obwohl nun die Mysterien das heiligste Fest der Athener
waren, und das Volk die Unverletzlichkeit des Geheimnisses und des ganzen
Festes mit dem größten Ernste und oft mit blutiger Strenge behütete, so war
Man doch hier wie bei dem sonstigen Götterdienste weit entfernt, von sich und
andern eine durchgängig andachtsvolle Stimmung und die Enthaltung von
allem Niedrigen und Gemeinen zu fordern, im Gegentheil waren die Feste
allesammt und so auch dies ganz wesentlich anch zum Vergnügen und zur
Belustigung da. Die Prozession nach Eleusis, bei welcher das aus seinem
athenischen Tempel geholte Bild des Jacchos vvranzag, geschah vermuthlich
mit sehr wenig eigentlicher Andacht, und an einer Stellender Brücke über den
Kephissos, war es Sitte, die Hinüberziehenden mit allerhand Spottreden zu
necken, bei denen wir keinen Grund haben zu glauben, daß man den Anstand
sorglich bewahrt hätte. Dergleichen fand bei allen Demeter- und Dionysos¬
sesten unter Frauen und Männern statt. Es folgten nun dem Jacchos
Priester und weltliche Behörden, und sodann die Mysten, alle mit Eppich und
Myrte bekränzt und alle zu Fuß; denn hier sollte demokratische Gleichheit
herrschen, und als es allzusehr einriß, daß reichere Frauen zu Wagen den
Weg machten, gab der Redner Lykurgos ein Gesetz, welches dies bei einer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/371>, abgerufen am 25.08.2024.