Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.Mal den Gebrauch und die Art der Gewinnung und den daraus hervorgehenden Die Form, in der uns der griechische Götterglanbe und Götterdienst zuerst Mal den Gebrauch und die Art der Gewinnung und den daraus hervorgehenden Die Form, in der uns der griechische Götterglanbe und Götterdienst zuerst <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0366" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139125"/> <p xml:id="ID_1064" prev="#ID_1063"> Mal den Gebrauch und die Art der Gewinnung und den daraus hervorgehenden<lb/> Nutzen gelehrt." Was nun jenen Gedanken betrifft, daß die Einführung des<lb/> Getreidebaues alle Kultur hervorgerufen, und die Menschen von einem thierischen<lb/> Leben zur Gesittung gebracht, so ist dies in dem Schiller'schen Gedichte darge¬<lb/> stellt, und hat andrerseits wohl für den Eleusinischen Kultus, aber nicht für<lb/> die Weihen oder Mysterien desselben eine Bedeutung. Die Idee der letzteren,<lb/> wie sie der Redner angibt, ist später zu entwickeln; zuerst werde ich allgemein<lb/> über Mysterien und Mystik in der griechischen Religion einiges bemerken.</p><lb/> <p xml:id="ID_1065" next="#ID_1066"> Die Form, in der uns der griechische Götterglanbe und Götterdienst zuerst<lb/> entgegentritt, nämlich die von Homer dargestellte, ist von allem Mystischen in<lb/> bemerkenswerther Weise frei; aber im Fortgange der Zeit treten derartige<lb/> Elemente mehr und mehr hervor, sei es daß sie sich nen bildeten, oder daß sie<lb/> nur bei den Stämmen, deren Leben Homer schildert, mangelnd oder zurück¬<lb/> gedrängt, bei andern dagegen gleichzeitig und früher vorhanden waren. Ich<lb/> begreife aber unter Mystik alles dasjenige in der Religion, wodurch den Theil-<lb/> nehmern in Beziehung zu der Gottheit ein besonderer Charakter beigelegt, oder<lb/> eine besondere Reinheit und Heiligkeit erworben werden sollte, womit von selber<lb/> verbunden ist, daß diese Akte und Ceremonien weder vor aller Augen geübt,<lb/> noch für Jedermann so ohne weiteres zugänglich waren. Vielfach verwandt<lb/> mit dem Mystischen ist das sogenannte orgicistische Wesen, in einer leidenschaft¬<lb/> lichen Erregung des Gemüths und in ekstatischen Zuständen bestehend; auch<lb/> hiervon finden wir bei Homer noch kaum eine Spur, während es später außer¬<lb/> ordentlich verbreitet ist. Es waren hierfür besonders ausländische und namentlich<lb/> orientalische Einflüsse maßgebend, wiewohl die orientalische Wildheit der Ekstase,<lb/> welche die schlimmsten Triebe aufregte und zum Beispiel zu den bekannten<lb/> Selbstzerfleischungen der Baalspriester führte, in Griechenland überall sehr<lb/> gemildert erscheint. Gleichwie nun das Orgicistische, im Gegensatz zu der Heiter¬<lb/> keit des homerischen Götterdieustes, einerseits eine Steigerung des religiösen<lb/> Gefühles, andrerseits eine Verkehrung desselben enthält, und mehr oder<lb/> weniger das eine oder das andere je nach der Verschiedenheit des Kultus, des<lb/> Ortes und der Zeit, ganz ebenso verhält es sich auch mit dem Mystischen.<lb/> Die verschiedenen Mysterien wollten tieferen Bedürfnissen genügen, als der<lb/> homerische Mensch sie zu haben scheint: sie wollten die vergangene Schuld<lb/> tilgen, neue Reinheit verleihen, innig mit der Gottheit vereinigen. Aber je<lb/> höher das Ziel, desto tiefer, scheint es, führt der Abweg; und die Mysterien<lb/> waren daher manchmal und in manchen Kulten der Anlaß zu den größten<lb/> Abscheulichkeiten. Man muß nun vor allem unterscheiden zwischen solche»<lb/> Mysterien, die von den Staaten anerkannt, beschützt und geleitet wurden, wie<lb/> es auch die Eleusinien sind, und denjenigen, die lediglich die Sache einzelner</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0366]
Mal den Gebrauch und die Art der Gewinnung und den daraus hervorgehenden
Nutzen gelehrt." Was nun jenen Gedanken betrifft, daß die Einführung des
Getreidebaues alle Kultur hervorgerufen, und die Menschen von einem thierischen
Leben zur Gesittung gebracht, so ist dies in dem Schiller'schen Gedichte darge¬
stellt, und hat andrerseits wohl für den Eleusinischen Kultus, aber nicht für
die Weihen oder Mysterien desselben eine Bedeutung. Die Idee der letzteren,
wie sie der Redner angibt, ist später zu entwickeln; zuerst werde ich allgemein
über Mysterien und Mystik in der griechischen Religion einiges bemerken.
Die Form, in der uns der griechische Götterglanbe und Götterdienst zuerst
entgegentritt, nämlich die von Homer dargestellte, ist von allem Mystischen in
bemerkenswerther Weise frei; aber im Fortgange der Zeit treten derartige
Elemente mehr und mehr hervor, sei es daß sie sich nen bildeten, oder daß sie
nur bei den Stämmen, deren Leben Homer schildert, mangelnd oder zurück¬
gedrängt, bei andern dagegen gleichzeitig und früher vorhanden waren. Ich
begreife aber unter Mystik alles dasjenige in der Religion, wodurch den Theil-
nehmern in Beziehung zu der Gottheit ein besonderer Charakter beigelegt, oder
eine besondere Reinheit und Heiligkeit erworben werden sollte, womit von selber
verbunden ist, daß diese Akte und Ceremonien weder vor aller Augen geübt,
noch für Jedermann so ohne weiteres zugänglich waren. Vielfach verwandt
mit dem Mystischen ist das sogenannte orgicistische Wesen, in einer leidenschaft¬
lichen Erregung des Gemüths und in ekstatischen Zuständen bestehend; auch
hiervon finden wir bei Homer noch kaum eine Spur, während es später außer¬
ordentlich verbreitet ist. Es waren hierfür besonders ausländische und namentlich
orientalische Einflüsse maßgebend, wiewohl die orientalische Wildheit der Ekstase,
welche die schlimmsten Triebe aufregte und zum Beispiel zu den bekannten
Selbstzerfleischungen der Baalspriester führte, in Griechenland überall sehr
gemildert erscheint. Gleichwie nun das Orgicistische, im Gegensatz zu der Heiter¬
keit des homerischen Götterdieustes, einerseits eine Steigerung des religiösen
Gefühles, andrerseits eine Verkehrung desselben enthält, und mehr oder
weniger das eine oder das andere je nach der Verschiedenheit des Kultus, des
Ortes und der Zeit, ganz ebenso verhält es sich auch mit dem Mystischen.
Die verschiedenen Mysterien wollten tieferen Bedürfnissen genügen, als der
homerische Mensch sie zu haben scheint: sie wollten die vergangene Schuld
tilgen, neue Reinheit verleihen, innig mit der Gottheit vereinigen. Aber je
höher das Ziel, desto tiefer, scheint es, führt der Abweg; und die Mysterien
waren daher manchmal und in manchen Kulten der Anlaß zu den größten
Abscheulichkeiten. Man muß nun vor allem unterscheiden zwischen solche»
Mysterien, die von den Staaten anerkannt, beschützt und geleitet wurden, wie
es auch die Eleusinien sind, und denjenigen, die lediglich die Sache einzelner
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