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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Sobald
Pausanias, der Sohn Kleombrotos
Sagt: "Dies ist also!" ist es anders nicht,
Pausanias ist ein hochgemuthcr Geist,
Er frevelt, aber leugnet Frevel nicht.

Der Ephore Agis, der Typus eines Stadtverordneten von Sparta von echtem
Schrot und Korn, spricht darauf gelassen:


Dn bist nur ein Athener, aber sonst
Ein wackrer Mann; drum sag uus Deine Meinung.

Derselbe Agis hat zur Begründung seiner Auklcige gegen den König immer
nur "die ganze Stadt", "die große Menge" zur Hand. Wenn man daran
denkt, daß Pausanias einmal ganz und das zweite Mal beinahe freigesprochen
worden ist, so muß es in der That mit dem Genie seiner Untersuchungsrichter
uicht viel anders bestellt gewesen sein. Er verräth auch Aristides ganz offen,
daß sie Auftrag haben, den König und das Heer sofort nach Sparta abzurufen
und als der Athener nach dem Grunde fragt, warum man auch das Heer abrufe
und Athen den Oberbefehl überlasse, gibt ihm Agis die Antwort:


Weil wir . . .
Der Meinung sind, das;, Alles angesehn.
Die fernen Kriege sich für uns nicht schicken;
Denn Sparta bleibt am besten für sich selbst.
Wenn unsre besten Männer durch den Krieg
Verdorben werden und die Sitten schwinden,
Verschmähen wir den unfruchtbaren Lorbeer.

Als Pausanias dazutritt, wird ihm von den Bauern ruhig und entschieden
seiue Absetzung mitgetheilt. Begieriger als je sieht der König der Rückkehr des
Chares entgegen. Heut ist der letzte Tag, an dem er zurück sein sollte. Auf
den Weg, auf dem er kommen muß, läßt der König das Auge schweifen. Statt
des Jünglings biegt der Leichenzug, der Kleouike geleitet, in die Straße ein.
Ergreifend schön mag die Melodie Max Bruch's zu dem Trauergesang der
Jünglinge tönen:


Wenn die frühe Mandelknospe springt
Und die erste Lerche jubelnd singt,

Ist die Welt voll eitel Lust und Glück.
Doch ihr Götter schickt uns über Nacht
Kalten Reif, und hin ist alle Pracht!

Was ihr gebt, o nehmt es nicht zurück!


Pausanias, den noch kein Spartaner weinen sehen, kaun die Thränen
'naht zurückhalten. "Es ist mehr, als Menschen tragen können." Von einer
Dienerin des Getön'scheu Hauses erfährt er, daß die Todte Chares' Braut ge¬
wesen. Jetzt hört man auch den gellen Schrei des jungen Mannes in der
Ferne. "Kleonike! Kleouike!" ruft es. Betäubt entend der König. Vor der


Sobald
Pausanias, der Sohn Kleombrotos
Sagt: „Dies ist also!" ist es anders nicht,
Pausanias ist ein hochgemuthcr Geist,
Er frevelt, aber leugnet Frevel nicht.

Der Ephore Agis, der Typus eines Stadtverordneten von Sparta von echtem
Schrot und Korn, spricht darauf gelassen:


Dn bist nur ein Athener, aber sonst
Ein wackrer Mann; drum sag uus Deine Meinung.

Derselbe Agis hat zur Begründung seiner Auklcige gegen den König immer
nur „die ganze Stadt", „die große Menge" zur Hand. Wenn man daran
denkt, daß Pausanias einmal ganz und das zweite Mal beinahe freigesprochen
worden ist, so muß es in der That mit dem Genie seiner Untersuchungsrichter
uicht viel anders bestellt gewesen sein. Er verräth auch Aristides ganz offen,
daß sie Auftrag haben, den König und das Heer sofort nach Sparta abzurufen
und als der Athener nach dem Grunde fragt, warum man auch das Heer abrufe
und Athen den Oberbefehl überlasse, gibt ihm Agis die Antwort:


Weil wir . . .
Der Meinung sind, das;, Alles angesehn.
Die fernen Kriege sich für uns nicht schicken;
Denn Sparta bleibt am besten für sich selbst.
Wenn unsre besten Männer durch den Krieg
Verdorben werden und die Sitten schwinden,
Verschmähen wir den unfruchtbaren Lorbeer.

Als Pausanias dazutritt, wird ihm von den Bauern ruhig und entschieden
seiue Absetzung mitgetheilt. Begieriger als je sieht der König der Rückkehr des
Chares entgegen. Heut ist der letzte Tag, an dem er zurück sein sollte. Auf
den Weg, auf dem er kommen muß, läßt der König das Auge schweifen. Statt
des Jünglings biegt der Leichenzug, der Kleouike geleitet, in die Straße ein.
Ergreifend schön mag die Melodie Max Bruch's zu dem Trauergesang der
Jünglinge tönen:


Wenn die frühe Mandelknospe springt
Und die erste Lerche jubelnd singt,

Ist die Welt voll eitel Lust und Glück.
Doch ihr Götter schickt uns über Nacht
Kalten Reif, und hin ist alle Pracht!

Was ihr gebt, o nehmt es nicht zurück!


Pausanias, den noch kein Spartaner weinen sehen, kaun die Thränen
'naht zurückhalten. „Es ist mehr, als Menschen tragen können." Von einer
Dienerin des Getön'scheu Hauses erfährt er, daß die Todte Chares' Braut ge¬
wesen. Jetzt hört man auch den gellen Schrei des jungen Mannes in der
Ferne. „Kleonike! Kleouike!" ruft es. Betäubt entend der König. Vor der


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[0361] Sobald Pausanias, der Sohn Kleombrotos Sagt: „Dies ist also!" ist es anders nicht, Pausanias ist ein hochgemuthcr Geist, Er frevelt, aber leugnet Frevel nicht. Der Ephore Agis, der Typus eines Stadtverordneten von Sparta von echtem Schrot und Korn, spricht darauf gelassen: Dn bist nur ein Athener, aber sonst Ein wackrer Mann; drum sag uus Deine Meinung. Derselbe Agis hat zur Begründung seiner Auklcige gegen den König immer nur „die ganze Stadt", „die große Menge" zur Hand. Wenn man daran denkt, daß Pausanias einmal ganz und das zweite Mal beinahe freigesprochen worden ist, so muß es in der That mit dem Genie seiner Untersuchungsrichter uicht viel anders bestellt gewesen sein. Er verräth auch Aristides ganz offen, daß sie Auftrag haben, den König und das Heer sofort nach Sparta abzurufen und als der Athener nach dem Grunde fragt, warum man auch das Heer abrufe und Athen den Oberbefehl überlasse, gibt ihm Agis die Antwort: Weil wir . . . Der Meinung sind, das;, Alles angesehn. Die fernen Kriege sich für uns nicht schicken; Denn Sparta bleibt am besten für sich selbst. Wenn unsre besten Männer durch den Krieg Verdorben werden und die Sitten schwinden, Verschmähen wir den unfruchtbaren Lorbeer. Als Pausanias dazutritt, wird ihm von den Bauern ruhig und entschieden seiue Absetzung mitgetheilt. Begieriger als je sieht der König der Rückkehr des Chares entgegen. Heut ist der letzte Tag, an dem er zurück sein sollte. Auf den Weg, auf dem er kommen muß, läßt der König das Auge schweifen. Statt des Jünglings biegt der Leichenzug, der Kleouike geleitet, in die Straße ein. Ergreifend schön mag die Melodie Max Bruch's zu dem Trauergesang der Jünglinge tönen: Wenn die frühe Mandelknospe springt Und die erste Lerche jubelnd singt, Ist die Welt voll eitel Lust und Glück. Doch ihr Götter schickt uns über Nacht Kalten Reif, und hin ist alle Pracht! Was ihr gebt, o nehmt es nicht zurück! Pausanias, den noch kein Spartaner weinen sehen, kaun die Thränen 'naht zurückhalten. „Es ist mehr, als Menschen tragen können." Von einer Dienerin des Getön'scheu Hauses erfährt er, daß die Todte Chares' Braut ge¬ wesen. Jetzt hört man auch den gellen Schrei des jungen Mannes in der Ferne. „Kleonike! Kleouike!" ruft es. Betäubt entend der König. Vor der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/361>, abgerufen am 24.08.2024.