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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Blätter, sondern sie bekommen auch bessere Preise dafür. Keine Zeitung der
Welt erhält so viele Anzeigen als der "New Dort Herald", und dessen Preise
sind ungefähr um 50 Prozent höher als die der Londoner "Times." "Harpers
Weekly" verlangt für denselben Raum vier Mal so viel als die "London
Jllustrated News". Der Ruum für Anzeigen wird in Amerika gewöhnlich nach
dem "Quadrat" berechnet, einem Ausdruck, der früher eine bestimmte Bedeutung
gehabt haben wird, jetzt aber nur einen Platz klein oder groß, je nach Willkür
der Druckerei bedeutet. Alle großen Tageszeitungen des Nordens benutzen für
Anzeigen Agat, einige von den theureren Wochenblättern nehmen Nonpareille
dazu, die billigeren noch größere Lettern, manche der südlichen Zeitungen sogar
Antiqua. Benutze ein Blatt zu seinen Anzeigen eine größere Schriftgattung
als Nonpareille, so läßt sich daraus der Schluß ziehen, daß seine Spalten
dem Publikum für einen billigen Preis zur Verfügung stehen. Mit vollem
Rechte betrachten die Geschäftsführer der Zeitungen ihre Anzeigespalten als.
Waare; sie wissen, was sie kosten und was sie werth sind, und werden sie
nicht uuter diesem Werthe verkaufen. Die Erfahrung lehrt, daß jemand, der
heute eine Preisermäßigung bekommt, morgen nicht anzeigen wird, wenn er
nicht eine ähnliche oder eine noch größere Ermäßigung erhält, während der¬
jenige, dem dieselbe heute abgeschlagen worden ist, morgen mit erhöhtem Re¬
spekt vor dem Manne wiederkommen wird, der den Muth besessen hat, ihn
am Tage vorher fortgehen zu lassen. Anders betrachtet, sind die Anzeigespalten
eines Blattes aber nicht mit einer Waare zu vergleichen. Waaren, die nicht
verkauft werden, bleiben auf dem Lager und behalten einen gewissen mit der
Zeit abnehmenden Werth. Anzeigespalten dagegen müssen, wenn sie nicht mit
Anzeigen gefüllt werden können, mit anderem Lesestoff versehen werden, der
nichts einbringt und sogar noch die Bezahlung des Setzers verlangt. Diese
Thatsache giebt dem gewiegten Anzeigenden einen Hebel in die Hand, den er
mit Erfolg zu handhaben weiß. In der Mehrzahl der Wochenblätter draußen
auf dem Lande wird für eine drei Monate hindurch einzurückende Anzeige
nicht mehr als das Doppelte des Preises für einen Monat berechnet werden,
und das Doppelte der dreimonatlichen Rate für ein Jahr angeboten, erfährt
schwerlich eine Zurückweisung. Die Verkäufer von sogenannter "Patentmedizin"
(Wunderpillen, Alles heilenden Salben und Tränkchen und ähnlichem faulem
Schwindel) sind mit diesem Umstände sehr wohl vertraut. Außer dem Gelde,
welches sie eintragen, haben die Anzeigen theilweise noch einen anderen Werth:
die unter "Wartet" (Gesucht) und diejenigen von Schulbüchern z. B. sind
äußerst willkommen, weil man annimmt, daß sie der Zeitung sein gewisses An¬
sehen geben. Anzeigen von Patentmedizinen sind nicht so erwünscht, werden
aber gewöhnlich zu niedrigeren Preisen als die der Banken und Bersichernngs-


Blätter, sondern sie bekommen auch bessere Preise dafür. Keine Zeitung der
Welt erhält so viele Anzeigen als der „New Dort Herald", und dessen Preise
sind ungefähr um 50 Prozent höher als die der Londoner „Times." „Harpers
Weekly" verlangt für denselben Raum vier Mal so viel als die „London
Jllustrated News". Der Ruum für Anzeigen wird in Amerika gewöhnlich nach
dem „Quadrat" berechnet, einem Ausdruck, der früher eine bestimmte Bedeutung
gehabt haben wird, jetzt aber nur einen Platz klein oder groß, je nach Willkür
der Druckerei bedeutet. Alle großen Tageszeitungen des Nordens benutzen für
Anzeigen Agat, einige von den theureren Wochenblättern nehmen Nonpareille
dazu, die billigeren noch größere Lettern, manche der südlichen Zeitungen sogar
Antiqua. Benutze ein Blatt zu seinen Anzeigen eine größere Schriftgattung
als Nonpareille, so läßt sich daraus der Schluß ziehen, daß seine Spalten
dem Publikum für einen billigen Preis zur Verfügung stehen. Mit vollem
Rechte betrachten die Geschäftsführer der Zeitungen ihre Anzeigespalten als.
Waare; sie wissen, was sie kosten und was sie werth sind, und werden sie
nicht uuter diesem Werthe verkaufen. Die Erfahrung lehrt, daß jemand, der
heute eine Preisermäßigung bekommt, morgen nicht anzeigen wird, wenn er
nicht eine ähnliche oder eine noch größere Ermäßigung erhält, während der¬
jenige, dem dieselbe heute abgeschlagen worden ist, morgen mit erhöhtem Re¬
spekt vor dem Manne wiederkommen wird, der den Muth besessen hat, ihn
am Tage vorher fortgehen zu lassen. Anders betrachtet, sind die Anzeigespalten
eines Blattes aber nicht mit einer Waare zu vergleichen. Waaren, die nicht
verkauft werden, bleiben auf dem Lager und behalten einen gewissen mit der
Zeit abnehmenden Werth. Anzeigespalten dagegen müssen, wenn sie nicht mit
Anzeigen gefüllt werden können, mit anderem Lesestoff versehen werden, der
nichts einbringt und sogar noch die Bezahlung des Setzers verlangt. Diese
Thatsache giebt dem gewiegten Anzeigenden einen Hebel in die Hand, den er
mit Erfolg zu handhaben weiß. In der Mehrzahl der Wochenblätter draußen
auf dem Lande wird für eine drei Monate hindurch einzurückende Anzeige
nicht mehr als das Doppelte des Preises für einen Monat berechnet werden,
und das Doppelte der dreimonatlichen Rate für ein Jahr angeboten, erfährt
schwerlich eine Zurückweisung. Die Verkäufer von sogenannter „Patentmedizin"
(Wunderpillen, Alles heilenden Salben und Tränkchen und ähnlichem faulem
Schwindel) sind mit diesem Umstände sehr wohl vertraut. Außer dem Gelde,
welches sie eintragen, haben die Anzeigen theilweise noch einen anderen Werth:
die unter „Wartet" (Gesucht) und diejenigen von Schulbüchern z. B. sind
äußerst willkommen, weil man annimmt, daß sie der Zeitung sein gewisses An¬
sehen geben. Anzeigen von Patentmedizinen sind nicht so erwünscht, werden
aber gewöhnlich zu niedrigeren Preisen als die der Banken und Bersichernngs-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/36>, abgerufen am 22.07.2024.