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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Haus als Gast. Kaum hat er den Wirth begrüßt, so wird der Steuermann
hereingeführt, der das Schiff beim Einzug lenkte. Er hat es mit zweien der
Jonier zusammenfahren lassen. Der Steuermann schwört, daß die Jonier
Schuld seien, in böser Absicht den Zusammenstoß herbeigeführt hätten. Pau-
sanias weiß, daß der Mann Recht hat und sinnt auf Rache. Da meldet
Chares, daß er die Siegesbeute den Bundesgenossen vertheilt, und auf den
Zehnten, der dem König gebührte, in dessen Namen Verzicht geleistet habe.
Nur die Gefangenen habe er für den König behalten. Der König läßt diese
vorführen -- es sind Verwandte des Xerxes darunter -- und gibt sie frei,
ohne Lösegeld. Sie sollen "dem großen König nur des Pausanias Ehrfurcht
und Freundschaft bezeugen." Unmittelbar danach betraut er Chares mit einer
geheimen Sendung an Xerxes selbst. Der junge Mann willigt freudig ein,
als ihm der König versichert, daß er nicht Unterwerfung unter den Perser,
sondern nur Verhandlungen vorschlage, welche Ströme Blutes ersparen sollen.
Chares verlangt von Getön ungestüm, seine Base Kleonike, Getön's Tochter,
wiederzusehen, mit der er als Knabe und Jüngling gespielt hat und die
er im Stillen liebt. "Das Mädchen von Byzanz" erscheint, zur Jungfrau her¬
angereift; zurückhaltend bleibt sie am Eingang stehen. Die jungen Leute sind
allein. Rasch ist an der Erinnerung ihrer Jugeudtage auch die alte Vertrau¬
lichkeit wieder da. Im Sturm wirbt Chares um ihre Liebe. Sie wagt nicht
Ja zu sagen, aber nur deßhalb, weil ihr Vater sie schon an einen ungeliebten
Mann, an Landes, den Sohn des Timon von Athen, versagt hat. Rasch redet
Chares dem Alten diesen bösen Schuldenmacher aus und kehrt mit dem Ja¬
wort des Vaters zu Kleonike zurück -- die ihr Alleinsein inzwischen mit einem,
für ein Trauerspiel etwas harmlosen Monolog ausgefüllt hat - dann wird
die Hochzeit auf den Tag der Rückkehr des Chares aus Asien festgesetzt und
die Verlobten trennen sich, nachdem Chares seiner Braut noch das Versprechen
abgenommen, sich vor dem König nicht sehen zu lassen, sondern sich im Frauen¬
gemache aufzuhalten, da des Königs Sitten Zurückhaltung erheischen.

Der König merkt natürlich sehr bald, daß und warum man ihm die
Tochter des Hauses verbirgt.


Er ist ein großer Mann; doch er hat Schwächen,
Die größte für das reizende Geschlecht.

Er stellt daher die kluge Melitta, dann den unterwürfigen Getön zu
Anfang des dritten Aktes über den Grund dieser Verbergung zur Rede.
Melitta weicht ihm mit Gemeinplätzen aus. Wild tobt der reichlich genossene
Chierweiu in seinem Blute, als sie den Rücken wendet. Getön, erschreckt durch
des Königs gereizte Stimmung und Drohworte, verspricht, Kleonike, "zu er¬
lauben, heut mit ihm ein Stündchen zu verplaudern." Pausanias will jetzt


Haus als Gast. Kaum hat er den Wirth begrüßt, so wird der Steuermann
hereingeführt, der das Schiff beim Einzug lenkte. Er hat es mit zweien der
Jonier zusammenfahren lassen. Der Steuermann schwört, daß die Jonier
Schuld seien, in böser Absicht den Zusammenstoß herbeigeführt hätten. Pau-
sanias weiß, daß der Mann Recht hat und sinnt auf Rache. Da meldet
Chares, daß er die Siegesbeute den Bundesgenossen vertheilt, und auf den
Zehnten, der dem König gebührte, in dessen Namen Verzicht geleistet habe.
Nur die Gefangenen habe er für den König behalten. Der König läßt diese
vorführen — es sind Verwandte des Xerxes darunter — und gibt sie frei,
ohne Lösegeld. Sie sollen „dem großen König nur des Pausanias Ehrfurcht
und Freundschaft bezeugen." Unmittelbar danach betraut er Chares mit einer
geheimen Sendung an Xerxes selbst. Der junge Mann willigt freudig ein,
als ihm der König versichert, daß er nicht Unterwerfung unter den Perser,
sondern nur Verhandlungen vorschlage, welche Ströme Blutes ersparen sollen.
Chares verlangt von Getön ungestüm, seine Base Kleonike, Getön's Tochter,
wiederzusehen, mit der er als Knabe und Jüngling gespielt hat und die
er im Stillen liebt. „Das Mädchen von Byzanz" erscheint, zur Jungfrau her¬
angereift; zurückhaltend bleibt sie am Eingang stehen. Die jungen Leute sind
allein. Rasch ist an der Erinnerung ihrer Jugeudtage auch die alte Vertrau¬
lichkeit wieder da. Im Sturm wirbt Chares um ihre Liebe. Sie wagt nicht
Ja zu sagen, aber nur deßhalb, weil ihr Vater sie schon an einen ungeliebten
Mann, an Landes, den Sohn des Timon von Athen, versagt hat. Rasch redet
Chares dem Alten diesen bösen Schuldenmacher aus und kehrt mit dem Ja¬
wort des Vaters zu Kleonike zurück — die ihr Alleinsein inzwischen mit einem,
für ein Trauerspiel etwas harmlosen Monolog ausgefüllt hat - dann wird
die Hochzeit auf den Tag der Rückkehr des Chares aus Asien festgesetzt und
die Verlobten trennen sich, nachdem Chares seiner Braut noch das Versprechen
abgenommen, sich vor dem König nicht sehen zu lassen, sondern sich im Frauen¬
gemache aufzuhalten, da des Königs Sitten Zurückhaltung erheischen.

Der König merkt natürlich sehr bald, daß und warum man ihm die
Tochter des Hauses verbirgt.


Er ist ein großer Mann; doch er hat Schwächen,
Die größte für das reizende Geschlecht.

Er stellt daher die kluge Melitta, dann den unterwürfigen Getön zu
Anfang des dritten Aktes über den Grund dieser Verbergung zur Rede.
Melitta weicht ihm mit Gemeinplätzen aus. Wild tobt der reichlich genossene
Chierweiu in seinem Blute, als sie den Rücken wendet. Getön, erschreckt durch
des Königs gereizte Stimmung und Drohworte, verspricht, Kleonike, „zu er¬
lauben, heut mit ihm ein Stündchen zu verplaudern." Pausanias will jetzt


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[0359] Haus als Gast. Kaum hat er den Wirth begrüßt, so wird der Steuermann hereingeführt, der das Schiff beim Einzug lenkte. Er hat es mit zweien der Jonier zusammenfahren lassen. Der Steuermann schwört, daß die Jonier Schuld seien, in böser Absicht den Zusammenstoß herbeigeführt hätten. Pau- sanias weiß, daß der Mann Recht hat und sinnt auf Rache. Da meldet Chares, daß er die Siegesbeute den Bundesgenossen vertheilt, und auf den Zehnten, der dem König gebührte, in dessen Namen Verzicht geleistet habe. Nur die Gefangenen habe er für den König behalten. Der König läßt diese vorführen — es sind Verwandte des Xerxes darunter — und gibt sie frei, ohne Lösegeld. Sie sollen „dem großen König nur des Pausanias Ehrfurcht und Freundschaft bezeugen." Unmittelbar danach betraut er Chares mit einer geheimen Sendung an Xerxes selbst. Der junge Mann willigt freudig ein, als ihm der König versichert, daß er nicht Unterwerfung unter den Perser, sondern nur Verhandlungen vorschlage, welche Ströme Blutes ersparen sollen. Chares verlangt von Getön ungestüm, seine Base Kleonike, Getön's Tochter, wiederzusehen, mit der er als Knabe und Jüngling gespielt hat und die er im Stillen liebt. „Das Mädchen von Byzanz" erscheint, zur Jungfrau her¬ angereift; zurückhaltend bleibt sie am Eingang stehen. Die jungen Leute sind allein. Rasch ist an der Erinnerung ihrer Jugeudtage auch die alte Vertrau¬ lichkeit wieder da. Im Sturm wirbt Chares um ihre Liebe. Sie wagt nicht Ja zu sagen, aber nur deßhalb, weil ihr Vater sie schon an einen ungeliebten Mann, an Landes, den Sohn des Timon von Athen, versagt hat. Rasch redet Chares dem Alten diesen bösen Schuldenmacher aus und kehrt mit dem Ja¬ wort des Vaters zu Kleonike zurück — die ihr Alleinsein inzwischen mit einem, für ein Trauerspiel etwas harmlosen Monolog ausgefüllt hat - dann wird die Hochzeit auf den Tag der Rückkehr des Chares aus Asien festgesetzt und die Verlobten trennen sich, nachdem Chares seiner Braut noch das Versprechen abgenommen, sich vor dem König nicht sehen zu lassen, sondern sich im Frauen¬ gemache aufzuhalten, da des Königs Sitten Zurückhaltung erheischen. Der König merkt natürlich sehr bald, daß und warum man ihm die Tochter des Hauses verbirgt. Er ist ein großer Mann; doch er hat Schwächen, Die größte für das reizende Geschlecht. Er stellt daher die kluge Melitta, dann den unterwürfigen Getön zu Anfang des dritten Aktes über den Grund dieser Verbergung zur Rede. Melitta weicht ihm mit Gemeinplätzen aus. Wild tobt der reichlich genossene Chierweiu in seinem Blute, als sie den Rücken wendet. Getön, erschreckt durch des Königs gereizte Stimmung und Drohworte, verspricht, Kleonike, „zu er¬ lauben, heut mit ihm ein Stündchen zu verplaudern." Pausanias will jetzt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/359>, abgerufen am 24.08.2024.