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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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rönnen, zum zweiten Male den Oberbefehl am Hellespont führte. Krnse
wühlte mit richtigem Blick den ersten Zeitabschnitt. Es liegt auf der Hand,
daß in einem Drama, welches sich die zweite der in Frage kommenden Staats¬
aktionen zum Stoff erwählt hätte, Pausanias eine sehr nüchterne, wenig Theil¬
nahme erweckende Rolle, etwa die eiues verbitterten Schlaumeiers, hätte spielen
müssen. Eine große Anzahl Episoden aus der Vergangenheit wäre zu be
richten gewesen, ehe sich der Leser vollkommen in die Lage der Dinge versetzt
Hütte. Wenig mehr Hütte der Held thun können, als die Absicht auszusprechen,
seine Platte diesmal klüger und erfolgreicher auszuführen, als das erste Mal.
Das Recht und die sittliche Ueberzeugung wären von Anfang an nicht mit
dem Helden, sondern mit seinen Feinden gegangen. Kruse wühlte daher mit
vollem Rechte den Zeitpunkt der ersten Eroberung von Byzanz zum Beginn
seines Dramas. Ein ununterbrochener dreijähriger Siegeslauf hat den König
Pansania's zum populärsten und gewaltigsten Heerführer der Hellenen gemacht.
Mit Unmuth empfindet sein stolzer königlicher Sinn die Berührung mit dem
eifersüchtigen Argwohn der Bundesgenossen, die nur gezwungen dem spartanischen
Oberbefehlshaber gehorchen. Noch peinlicher ist ihm das Dazwischenreden der
kleinlichen Wächter der heimischen Verfassung, der Ephoren. Das Streben
eines Kriegshelden, welcher das größte Reich seiner Zeit überwunden und zu
seinen Füßen gesehen hat, sich in seiner Macht zu behaupten und neue Macht
zu der erworbenen hinzu zu gewinnen, ist echt menschlich, so alt wie die Ge¬
schichte. Niemand denkt geringer von juristischen Verfassuugszweifeln, als sieg¬
reiche Heerführer; Livius und Caesar, Machiavelli und Napoleon sprechen
gleich geringschätzig von den spießbürgerlichen Einflüssen, welche sich dem leiten¬
de" Willen des Feldherrn in den Weg stellen. Selbst der Verrath, geplant
zu dem Zwecke, um die Macht in der Hand zu erhalten, der sie zukommt, ver¬
liert viel von der Häßlichkeit seines Antlitzes.

Die Handlung beginnt mit dem Zeitpunkt, wo die Griechen sich anschicken,
"n Triumph in das besiegte Byzanz einzuziehen. Ein Streit zwischen sparta¬
nischen und bnndesgenössischen Soldaten, bei dem die ersten von Pausanias
Recht erhalten, obwohl kein Geringerer, als Aristides, der Feldherr der
Athener, ihren Anwalt macht, zeigt uns an einem scheinbar gleichgültigen Anlaß
die keimende Unzufriedenheit der Bundesgenossen mit ihrem Oberbefehlshaber.
Der Athener und die beiden ionischen Schiffsführer Antagoros und Uliades
läßt der König mitten im Wortwechsel stehen, als der junge Krieger
Chares, der Günstling des Königs, herzntritt. Chares bringt einen Brief der
Mutter des Pausanias Alithea, mit welcher der König zerfallen ist. Sie meldet
u"r die Wiedergenesung des Sohnes von Leonidos, Pleistarchos, dessen Vvr-


Grenzboten IV. 1377. ^

rönnen, zum zweiten Male den Oberbefehl am Hellespont führte. Krnse
wühlte mit richtigem Blick den ersten Zeitabschnitt. Es liegt auf der Hand,
daß in einem Drama, welches sich die zweite der in Frage kommenden Staats¬
aktionen zum Stoff erwählt hätte, Pausanias eine sehr nüchterne, wenig Theil¬
nahme erweckende Rolle, etwa die eiues verbitterten Schlaumeiers, hätte spielen
müssen. Eine große Anzahl Episoden aus der Vergangenheit wäre zu be
richten gewesen, ehe sich der Leser vollkommen in die Lage der Dinge versetzt
Hütte. Wenig mehr Hütte der Held thun können, als die Absicht auszusprechen,
seine Platte diesmal klüger und erfolgreicher auszuführen, als das erste Mal.
Das Recht und die sittliche Ueberzeugung wären von Anfang an nicht mit
dem Helden, sondern mit seinen Feinden gegangen. Kruse wühlte daher mit
vollem Rechte den Zeitpunkt der ersten Eroberung von Byzanz zum Beginn
seines Dramas. Ein ununterbrochener dreijähriger Siegeslauf hat den König
Pansania's zum populärsten und gewaltigsten Heerführer der Hellenen gemacht.
Mit Unmuth empfindet sein stolzer königlicher Sinn die Berührung mit dem
eifersüchtigen Argwohn der Bundesgenossen, die nur gezwungen dem spartanischen
Oberbefehlshaber gehorchen. Noch peinlicher ist ihm das Dazwischenreden der
kleinlichen Wächter der heimischen Verfassung, der Ephoren. Das Streben
eines Kriegshelden, welcher das größte Reich seiner Zeit überwunden und zu
seinen Füßen gesehen hat, sich in seiner Macht zu behaupten und neue Macht
zu der erworbenen hinzu zu gewinnen, ist echt menschlich, so alt wie die Ge¬
schichte. Niemand denkt geringer von juristischen Verfassuugszweifeln, als sieg¬
reiche Heerführer; Livius und Caesar, Machiavelli und Napoleon sprechen
gleich geringschätzig von den spießbürgerlichen Einflüssen, welche sich dem leiten¬
de» Willen des Feldherrn in den Weg stellen. Selbst der Verrath, geplant
zu dem Zwecke, um die Macht in der Hand zu erhalten, der sie zukommt, ver¬
liert viel von der Häßlichkeit seines Antlitzes.

Die Handlung beginnt mit dem Zeitpunkt, wo die Griechen sich anschicken,
"n Triumph in das besiegte Byzanz einzuziehen. Ein Streit zwischen sparta¬
nischen und bnndesgenössischen Soldaten, bei dem die ersten von Pausanias
Recht erhalten, obwohl kein Geringerer, als Aristides, der Feldherr der
Athener, ihren Anwalt macht, zeigt uns an einem scheinbar gleichgültigen Anlaß
die keimende Unzufriedenheit der Bundesgenossen mit ihrem Oberbefehlshaber.
Der Athener und die beiden ionischen Schiffsführer Antagoros und Uliades
läßt der König mitten im Wortwechsel stehen, als der junge Krieger
Chares, der Günstling des Königs, herzntritt. Chares bringt einen Brief der
Mutter des Pausanias Alithea, mit welcher der König zerfallen ist. Sie meldet
u«r die Wiedergenesung des Sohnes von Leonidos, Pleistarchos, dessen Vvr-


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[0357] rönnen, zum zweiten Male den Oberbefehl am Hellespont führte. Krnse wühlte mit richtigem Blick den ersten Zeitabschnitt. Es liegt auf der Hand, daß in einem Drama, welches sich die zweite der in Frage kommenden Staats¬ aktionen zum Stoff erwählt hätte, Pausanias eine sehr nüchterne, wenig Theil¬ nahme erweckende Rolle, etwa die eiues verbitterten Schlaumeiers, hätte spielen müssen. Eine große Anzahl Episoden aus der Vergangenheit wäre zu be richten gewesen, ehe sich der Leser vollkommen in die Lage der Dinge versetzt Hütte. Wenig mehr Hütte der Held thun können, als die Absicht auszusprechen, seine Platte diesmal klüger und erfolgreicher auszuführen, als das erste Mal. Das Recht und die sittliche Ueberzeugung wären von Anfang an nicht mit dem Helden, sondern mit seinen Feinden gegangen. Kruse wühlte daher mit vollem Rechte den Zeitpunkt der ersten Eroberung von Byzanz zum Beginn seines Dramas. Ein ununterbrochener dreijähriger Siegeslauf hat den König Pansania's zum populärsten und gewaltigsten Heerführer der Hellenen gemacht. Mit Unmuth empfindet sein stolzer königlicher Sinn die Berührung mit dem eifersüchtigen Argwohn der Bundesgenossen, die nur gezwungen dem spartanischen Oberbefehlshaber gehorchen. Noch peinlicher ist ihm das Dazwischenreden der kleinlichen Wächter der heimischen Verfassung, der Ephoren. Das Streben eines Kriegshelden, welcher das größte Reich seiner Zeit überwunden und zu seinen Füßen gesehen hat, sich in seiner Macht zu behaupten und neue Macht zu der erworbenen hinzu zu gewinnen, ist echt menschlich, so alt wie die Ge¬ schichte. Niemand denkt geringer von juristischen Verfassuugszweifeln, als sieg¬ reiche Heerführer; Livius und Caesar, Machiavelli und Napoleon sprechen gleich geringschätzig von den spießbürgerlichen Einflüssen, welche sich dem leiten¬ de» Willen des Feldherrn in den Weg stellen. Selbst der Verrath, geplant zu dem Zwecke, um die Macht in der Hand zu erhalten, der sie zukommt, ver¬ liert viel von der Häßlichkeit seines Antlitzes. Die Handlung beginnt mit dem Zeitpunkt, wo die Griechen sich anschicken, "n Triumph in das besiegte Byzanz einzuziehen. Ein Streit zwischen sparta¬ nischen und bnndesgenössischen Soldaten, bei dem die ersten von Pausanias Recht erhalten, obwohl kein Geringerer, als Aristides, der Feldherr der Athener, ihren Anwalt macht, zeigt uns an einem scheinbar gleichgültigen Anlaß die keimende Unzufriedenheit der Bundesgenossen mit ihrem Oberbefehlshaber. Der Athener und die beiden ionischen Schiffsführer Antagoros und Uliades läßt der König mitten im Wortwechsel stehen, als der junge Krieger Chares, der Günstling des Königs, herzntritt. Chares bringt einen Brief der Mutter des Pausanias Alithea, mit welcher der König zerfallen ist. Sie meldet u«r die Wiedergenesung des Sohnes von Leonidos, Pleistarchos, dessen Vvr- Grenzboten IV. 1377. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/357>, abgerufen am 25.08.2024.