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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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mit einer Inschrift, welche die Thaten des Verstorbenen feierte, namentlich die
Zahl der gewonnenen Schlachten und eroberten Städte angab. Den letzten
Willen des Sterbenden aber führten sie nicht aus. Der größere Theil von
ihnen erkannte allerdings Prokop den Großen als Feldherrn und Nachfolger
Ziskas an; ein Theil von ihnen aber wählte andere Führer und es entstand
dadurch eine Spaltung unter der Partei, die ihre Kraft erheblich schwächte.

Nach dem Tode Ziskas fanden ans Deutschland wieder neue Angriffe
auf die Hussiten statt, allein auch diese neuen Angriffe wurden vou den Hussiten
glücklich zurückgeschlagen. Zur Abwehr dieser Angriffe vereinigten sich in der
Regel die verschiedenen Parteien der Taboriten mit den Utraqnisten und nahmen
denn gewöhnlich Prokop den Großen zum Anführer. Im Jahre 1427 ward
auch aus England ein Angriff auf die Hussiten gemacht unter Leitung des
Kardinals von Winchester, eines Bruders des kurz vorher verstorbenen Königs
vou England, Heinrich des Vierten. Die Engländer standen damals im Rufe
großer Tapferkeit und Kriegskunde; sie hatten diesen Ruf durch die glänzenden
Siege, die sie in jener Zeit in Frankreich erfochten hatten, namentlich durch
die im Jahre 1415 gewonnene Schlacht von Azincourt erworben. In der
That schlug sich auch das 15,000 Mann starke Englische Heer, welches der
Kardinal von Winchester nach Böhmen führte, gut, allein dennoch erlitt es
durch die Hussiten eine entschiedene Niederlage.

Im Jahre 1429 wurde in Böhmen ein Landtag abgehalten, zu dem die
sämmtlichen Parteien des Landes ihre Abgeordneten schickten. Auf diesem
Landtage beschlossen auf Antrag Prokop des Großen alle Parteien der Hussiten
mit Ausnahme der sogenannten Weisen, an deren Spitze Proknpek stand, sich
dem Kaiser Sigismund zu unterwerfen, nnter der einen Bedingung, daß er
ihnen Religionsfreiheit gewähre. Prokop reiste in Gemeinschaft mit Meinrad
von Neuhaus, dein Führer der Böhmischen Katholiken, nach Ungarn an den
Hof des Kaisers Sigismund, doch die Verhandlung war fruchtlos, da der
Kaiser die erbetene Religionsfreiheit nicht bewilligen wollte.

Im Jahre 1430 kam es zu einer persönlichen Verhandlung zwischen dem
Kurfürsten Friedrich I. und den Führern der Hussiten. Die letzteren waren
durch Sachsen und Thüringen unter furchtbaren Plünderungen in Franken
eingefallen; der Kurfürst verhandelte dort mit thuen; dnrch Zahlung einer
Summe von 14,000 Goldgulden, welche er zu diesem Zwecke von den Städten
Nürnberg und Bamberg erhalten hatte, bewog er sie, von jeder weiteren
Plünderung in Franken abzustehn und friedlich nach Böhmen zurückzukehren.
Die 14,000 Goldgulden vertheilten die Anführer der Hussiten unter ihr Heer,
um dies für den Wegfall der Plünderung zu entschädigen. Sie mußten dies
thun, denn da sie ihren Leuten keinen regelmäßigen Sold geben konnten, mußten


mit einer Inschrift, welche die Thaten des Verstorbenen feierte, namentlich die
Zahl der gewonnenen Schlachten und eroberten Städte angab. Den letzten
Willen des Sterbenden aber führten sie nicht aus. Der größere Theil von
ihnen erkannte allerdings Prokop den Großen als Feldherrn und Nachfolger
Ziskas an; ein Theil von ihnen aber wählte andere Führer und es entstand
dadurch eine Spaltung unter der Partei, die ihre Kraft erheblich schwächte.

Nach dem Tode Ziskas fanden ans Deutschland wieder neue Angriffe
auf die Hussiten statt, allein auch diese neuen Angriffe wurden vou den Hussiten
glücklich zurückgeschlagen. Zur Abwehr dieser Angriffe vereinigten sich in der
Regel die verschiedenen Parteien der Taboriten mit den Utraqnisten und nahmen
denn gewöhnlich Prokop den Großen zum Anführer. Im Jahre 1427 ward
auch aus England ein Angriff auf die Hussiten gemacht unter Leitung des
Kardinals von Winchester, eines Bruders des kurz vorher verstorbenen Königs
vou England, Heinrich des Vierten. Die Engländer standen damals im Rufe
großer Tapferkeit und Kriegskunde; sie hatten diesen Ruf durch die glänzenden
Siege, die sie in jener Zeit in Frankreich erfochten hatten, namentlich durch
die im Jahre 1415 gewonnene Schlacht von Azincourt erworben. In der
That schlug sich auch das 15,000 Mann starke Englische Heer, welches der
Kardinal von Winchester nach Böhmen führte, gut, allein dennoch erlitt es
durch die Hussiten eine entschiedene Niederlage.

Im Jahre 1429 wurde in Böhmen ein Landtag abgehalten, zu dem die
sämmtlichen Parteien des Landes ihre Abgeordneten schickten. Auf diesem
Landtage beschlossen auf Antrag Prokop des Großen alle Parteien der Hussiten
mit Ausnahme der sogenannten Weisen, an deren Spitze Proknpek stand, sich
dem Kaiser Sigismund zu unterwerfen, nnter der einen Bedingung, daß er
ihnen Religionsfreiheit gewähre. Prokop reiste in Gemeinschaft mit Meinrad
von Neuhaus, dein Führer der Böhmischen Katholiken, nach Ungarn an den
Hof des Kaisers Sigismund, doch die Verhandlung war fruchtlos, da der
Kaiser die erbetene Religionsfreiheit nicht bewilligen wollte.

Im Jahre 1430 kam es zu einer persönlichen Verhandlung zwischen dem
Kurfürsten Friedrich I. und den Führern der Hussiten. Die letzteren waren
durch Sachsen und Thüringen unter furchtbaren Plünderungen in Franken
eingefallen; der Kurfürst verhandelte dort mit thuen; dnrch Zahlung einer
Summe von 14,000 Goldgulden, welche er zu diesem Zwecke von den Städten
Nürnberg und Bamberg erhalten hatte, bewog er sie, von jeder weiteren
Plünderung in Franken abzustehn und friedlich nach Böhmen zurückzukehren.
Die 14,000 Goldgulden vertheilten die Anführer der Hussiten unter ihr Heer,
um dies für den Wegfall der Plünderung zu entschädigen. Sie mußten dies
thun, denn da sie ihren Leuten keinen regelmäßigen Sold geben konnten, mußten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/336>, abgerufen am 25.08.2024.