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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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war, bestand nun aber in der Hauptsache nnr darin, daß der Papst verpflichtet
war, alle sieben Jahre ein neues Konzil zu berufen.

Der Kaiser Sigismund hatte, als er Konstanz vertieft, sich nach seinem
Königreiche Ungarn begeben und Friedrich I. zum Reichs-Verweser eingesetzt.
Als solcher erließ dieser im Jahre 1419 eine Münz-Ordnung für has deutsche
Reich und war mehrfach behufs Beilegung von Fehden zwischen einzelnen
Fürsten thätig. Was die Mark Brandenburg betrifft, so hat Friedrich I. auch
nach Beendigung des Konzils zu Konstanz ihr nur einen Theil seiner Thätig¬
keit widmen können. Seit dem Jahre 1425 überließ er die ganze Regierung
der Mark seinem Sohne Johann, nahm seinen Wohnsitz dauernd in Franken
und widmete sich, abgesehen von der Regierung seiner fränkischen Besitzungen
blos den allgemeinen Reichs-Jnteressen.

Gehen wir zu den Ereignissen des Jahres 1419 zurück! In diesem Jahre
starb am 19. August der bereits im Jahre 1400 abgesetzte Kaiser Wenzel, König
von Böhmen, und es handelte sich nnn sür Sigismund darum, sich die Herr¬
schaft über Böhmen und dessen Nebenländer, Schlesien und Mähren, zu
sichern. Böhmen war damals bereits durch die Hussitischeu Unruhen aufs Tiefste
aufgeregt. Friedrich I. schickte sofort als Reichs-Verweser auf eigne Hand
einen Abgesandten, Arnold von Seckendorf nach Böhmen und machte den Führern
der Hussiten, namentlich dem Ziska, welcher an der Spitze der Taboriten, des
gewaltthätigsten Theils der Hussiten, stand, den Vorschlag: sie sollten Sigis-
mnng als König von Böhmen anerkennen und dafür volle Religionsfreiheit
bis zum Zusammeniritt eines neuen Koneils genießen. Es war dies Alles,
was der Kaiser nach damaligen Nechtscmsichten überhaupt bieten konnte, denn
dauernde Religionsfreiheit zu gewähren war nach der Ansicht jener Zeit weder
der Kaiser noch irgend ein weltlicher Fürst befugt; es galt als Pflicht jeder
weltlichen Obrigkeit, die Ketzer, d. h. alle vom Glauben der Kirche abweichenden
Personen mit Gewalt zu bekehren oder sie nach der vollen Strenge der Gesetze
zu strafen. Dieser Pflicht konnte sich auch der Kaiser nach damaliger Rechts¬
ansicht nicht entziehn. Das Anerbieten, das Friedrich I. im Namen des Kaisers
machte, nämlich Duldung der Hussiten bis zum Zusammentritt des nächstell
Koneils, d. h. also auf eine unbestimmte, jedenfalls längere Zeit hinaus, war
uicht uur das Aeußerste, was der Kaiser überhaupt bewilligen durfte, sondern
es war nach damaligen Begriffen sogar schon beleidigend für den Papst, der
die Hussiten bereits als Ketzer verdammt hatte, und dessen Autorität durch diesen
Vorschlag der des künftigen Koncils nachgesetzt wurde. Die Hussiten aber
wiesen das Anerbieten des Kurfürsten zurück, indem sie erklärten, mit einem
eidbrüchigen Fürsten, wie Sigismund, nicht verhandeln zu wollen. Sigismund
erntete hier den Lohn dafür, daß er unter Bruch des gegebenen Geleits den


war, bestand nun aber in der Hauptsache nnr darin, daß der Papst verpflichtet
war, alle sieben Jahre ein neues Konzil zu berufen.

Der Kaiser Sigismund hatte, als er Konstanz vertieft, sich nach seinem
Königreiche Ungarn begeben und Friedrich I. zum Reichs-Verweser eingesetzt.
Als solcher erließ dieser im Jahre 1419 eine Münz-Ordnung für has deutsche
Reich und war mehrfach behufs Beilegung von Fehden zwischen einzelnen
Fürsten thätig. Was die Mark Brandenburg betrifft, so hat Friedrich I. auch
nach Beendigung des Konzils zu Konstanz ihr nur einen Theil seiner Thätig¬
keit widmen können. Seit dem Jahre 1425 überließ er die ganze Regierung
der Mark seinem Sohne Johann, nahm seinen Wohnsitz dauernd in Franken
und widmete sich, abgesehen von der Regierung seiner fränkischen Besitzungen
blos den allgemeinen Reichs-Jnteressen.

Gehen wir zu den Ereignissen des Jahres 1419 zurück! In diesem Jahre
starb am 19. August der bereits im Jahre 1400 abgesetzte Kaiser Wenzel, König
von Böhmen, und es handelte sich nnn sür Sigismund darum, sich die Herr¬
schaft über Böhmen und dessen Nebenländer, Schlesien und Mähren, zu
sichern. Böhmen war damals bereits durch die Hussitischeu Unruhen aufs Tiefste
aufgeregt. Friedrich I. schickte sofort als Reichs-Verweser auf eigne Hand
einen Abgesandten, Arnold von Seckendorf nach Böhmen und machte den Führern
der Hussiten, namentlich dem Ziska, welcher an der Spitze der Taboriten, des
gewaltthätigsten Theils der Hussiten, stand, den Vorschlag: sie sollten Sigis-
mnng als König von Böhmen anerkennen und dafür volle Religionsfreiheit
bis zum Zusammeniritt eines neuen Koneils genießen. Es war dies Alles,
was der Kaiser nach damaligen Nechtscmsichten überhaupt bieten konnte, denn
dauernde Religionsfreiheit zu gewähren war nach der Ansicht jener Zeit weder
der Kaiser noch irgend ein weltlicher Fürst befugt; es galt als Pflicht jeder
weltlichen Obrigkeit, die Ketzer, d. h. alle vom Glauben der Kirche abweichenden
Personen mit Gewalt zu bekehren oder sie nach der vollen Strenge der Gesetze
zu strafen. Dieser Pflicht konnte sich auch der Kaiser nach damaliger Rechts¬
ansicht nicht entziehn. Das Anerbieten, das Friedrich I. im Namen des Kaisers
machte, nämlich Duldung der Hussiten bis zum Zusammentritt des nächstell
Koneils, d. h. also auf eine unbestimmte, jedenfalls längere Zeit hinaus, war
uicht uur das Aeußerste, was der Kaiser überhaupt bewilligen durfte, sondern
es war nach damaligen Begriffen sogar schon beleidigend für den Papst, der
die Hussiten bereits als Ketzer verdammt hatte, und dessen Autorität durch diesen
Vorschlag der des künftigen Koncils nachgesetzt wurde. Die Hussiten aber
wiesen das Anerbieten des Kurfürsten zurück, indem sie erklärten, mit einem
eidbrüchigen Fürsten, wie Sigismund, nicht verhandeln zu wollen. Sigismund
erntete hier den Lohn dafür, daß er unter Bruch des gegebenen Geleits den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/330>, abgerufen am 24.08.2024.