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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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scheu Schule augesehen werden, welcher das Hexenwesen besonders dadurch er¬
lag, daß demselben der Stempel des Lächerlichen und Widersinnigen in über¬
zeugender Weise ausgedrückt wurde. Freilich konnte diese Einwirkung nur
langsam vor sich gehen,, wie folgende Beispiele darthun mögen. Als Cvlbert
1672 die Magistrate anwies, keine Klagen auf Zauberei mehr anzunehmen, und
bei mehreren gefällten Urtheilen die Todesstrafe in Verbannung umwandelte,
da erließ das Parlament von Rouen eine Adresse an den König, in welcher
es, im Tone hohen religiösen Eifers, gegen diese Nachsicht als geradezu gegen
das Wort Gottes, und wider alle Ueberlieferungen der christlichen Religion,
Verwahrung einlegte.

Zu Anfang des 18. Jahrhunderts gab der Abbe Fiarel ein Werk heraus,
welches nachwies, daß die Philosophen und Revolutionäre die Repräsentanten
des Teufels wären, und unter seiner unmittelbaren Einwirkung schrieben und
handelten, welcher letztere ja seine Eingebungen auch mit den erschreckendsten
Wundern wie: die Prophezeiungen des Cagliostro und das Zunehmen der
Bauchrednern begleite. Es dauerte also lange, noch etwa ein halbes Jahr¬
hundert, bis die Aufklärung so weit durchdrang, daß die Obrigkeiten anfingen
den Hexenprozesfeu entgegen zu treten, und erst zu Ende des 17. Jahrhunderts
hörten dieselben allmählig auf, wenn auch hier und dort noch ein späteres
Beispiel von Hexenhinrichtung vorkam. Doch auch die Hexerei selbst hörte
auf, da man sie mehr und mehr mit spöttischem Lächeln behandelte, die Phan¬
tasie von ihr, als einem unwürdigen Gegenstände, abwandte. Denn geistige
Krankheiten gedeihen weniger, wenn ihnen die Aufmerksamkeit entzogen wird,
wenn sie das Gepräge des Interessanten oder Wichtigen verlieren. Ganz ist
freilich der Glaube, wenigstens an einzelne Hexenkünste, noch nicht geschwun¬
den, z. B. in Tirol und Mecklenburg, aber die Mehrzahl der jetzigen Be¬
wohner Europas wird doch Montaigne beistimmen, der sagt: wenn es
anch nicht möglich ist, alle derartigen Geschichten zu erklären, es wenigstens
ganz unnöthig ist, sie zu glauben, und daß es jedenfalls heißt einen zu hohen
Werth auf unsere Meinungen legen, wenn wir auf Grund derselben Menschen
lebendig braten. Möchte nun auch überhaupt die Ueberzeugung sich mehr ver¬
breiten als bis jetzt geschehen, daß geistige Kämpfe nur mit geistigen Waffen
ausgeführt werden können, und daß so anch das Christenthum nur aus
dem geistigen Prinzip seines Stifters sich erbauen und entwickeln kann, wäh¬
rend andernfalls für dasselbe das Wort gilt: Gott schütze es vor seinen Freun¬
den, vor seinen Feinden wird es sich schon selber schützen.


C. v. Brcruchitsch.


scheu Schule augesehen werden, welcher das Hexenwesen besonders dadurch er¬
lag, daß demselben der Stempel des Lächerlichen und Widersinnigen in über¬
zeugender Weise ausgedrückt wurde. Freilich konnte diese Einwirkung nur
langsam vor sich gehen,, wie folgende Beispiele darthun mögen. Als Cvlbert
1672 die Magistrate anwies, keine Klagen auf Zauberei mehr anzunehmen, und
bei mehreren gefällten Urtheilen die Todesstrafe in Verbannung umwandelte,
da erließ das Parlament von Rouen eine Adresse an den König, in welcher
es, im Tone hohen religiösen Eifers, gegen diese Nachsicht als geradezu gegen
das Wort Gottes, und wider alle Ueberlieferungen der christlichen Religion,
Verwahrung einlegte.

Zu Anfang des 18. Jahrhunderts gab der Abbe Fiarel ein Werk heraus,
welches nachwies, daß die Philosophen und Revolutionäre die Repräsentanten
des Teufels wären, und unter seiner unmittelbaren Einwirkung schrieben und
handelten, welcher letztere ja seine Eingebungen auch mit den erschreckendsten
Wundern wie: die Prophezeiungen des Cagliostro und das Zunehmen der
Bauchrednern begleite. Es dauerte also lange, noch etwa ein halbes Jahr¬
hundert, bis die Aufklärung so weit durchdrang, daß die Obrigkeiten anfingen
den Hexenprozesfeu entgegen zu treten, und erst zu Ende des 17. Jahrhunderts
hörten dieselben allmählig auf, wenn auch hier und dort noch ein späteres
Beispiel von Hexenhinrichtung vorkam. Doch auch die Hexerei selbst hörte
auf, da man sie mehr und mehr mit spöttischem Lächeln behandelte, die Phan¬
tasie von ihr, als einem unwürdigen Gegenstände, abwandte. Denn geistige
Krankheiten gedeihen weniger, wenn ihnen die Aufmerksamkeit entzogen wird,
wenn sie das Gepräge des Interessanten oder Wichtigen verlieren. Ganz ist
freilich der Glaube, wenigstens an einzelne Hexenkünste, noch nicht geschwun¬
den, z. B. in Tirol und Mecklenburg, aber die Mehrzahl der jetzigen Be¬
wohner Europas wird doch Montaigne beistimmen, der sagt: wenn es
anch nicht möglich ist, alle derartigen Geschichten zu erklären, es wenigstens
ganz unnöthig ist, sie zu glauben, und daß es jedenfalls heißt einen zu hohen
Werth auf unsere Meinungen legen, wenn wir auf Grund derselben Menschen
lebendig braten. Möchte nun auch überhaupt die Ueberzeugung sich mehr ver¬
breiten als bis jetzt geschehen, daß geistige Kämpfe nur mit geistigen Waffen
ausgeführt werden können, und daß so anch das Christenthum nur aus
dem geistigen Prinzip seines Stifters sich erbauen und entwickeln kann, wäh¬
rend andernfalls für dasselbe das Wort gilt: Gott schütze es vor seinen Freun¬
den, vor seinen Feinden wird es sich schon selber schützen.


C. v. Brcruchitsch.


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[0298] scheu Schule augesehen werden, welcher das Hexenwesen besonders dadurch er¬ lag, daß demselben der Stempel des Lächerlichen und Widersinnigen in über¬ zeugender Weise ausgedrückt wurde. Freilich konnte diese Einwirkung nur langsam vor sich gehen,, wie folgende Beispiele darthun mögen. Als Cvlbert 1672 die Magistrate anwies, keine Klagen auf Zauberei mehr anzunehmen, und bei mehreren gefällten Urtheilen die Todesstrafe in Verbannung umwandelte, da erließ das Parlament von Rouen eine Adresse an den König, in welcher es, im Tone hohen religiösen Eifers, gegen diese Nachsicht als geradezu gegen das Wort Gottes, und wider alle Ueberlieferungen der christlichen Religion, Verwahrung einlegte. Zu Anfang des 18. Jahrhunderts gab der Abbe Fiarel ein Werk heraus, welches nachwies, daß die Philosophen und Revolutionäre die Repräsentanten des Teufels wären, und unter seiner unmittelbaren Einwirkung schrieben und handelten, welcher letztere ja seine Eingebungen auch mit den erschreckendsten Wundern wie: die Prophezeiungen des Cagliostro und das Zunehmen der Bauchrednern begleite. Es dauerte also lange, noch etwa ein halbes Jahr¬ hundert, bis die Aufklärung so weit durchdrang, daß die Obrigkeiten anfingen den Hexenprozesfeu entgegen zu treten, und erst zu Ende des 17. Jahrhunderts hörten dieselben allmählig auf, wenn auch hier und dort noch ein späteres Beispiel von Hexenhinrichtung vorkam. Doch auch die Hexerei selbst hörte auf, da man sie mehr und mehr mit spöttischem Lächeln behandelte, die Phan¬ tasie von ihr, als einem unwürdigen Gegenstände, abwandte. Denn geistige Krankheiten gedeihen weniger, wenn ihnen die Aufmerksamkeit entzogen wird, wenn sie das Gepräge des Interessanten oder Wichtigen verlieren. Ganz ist freilich der Glaube, wenigstens an einzelne Hexenkünste, noch nicht geschwun¬ den, z. B. in Tirol und Mecklenburg, aber die Mehrzahl der jetzigen Be¬ wohner Europas wird doch Montaigne beistimmen, der sagt: wenn es anch nicht möglich ist, alle derartigen Geschichten zu erklären, es wenigstens ganz unnöthig ist, sie zu glauben, und daß es jedenfalls heißt einen zu hohen Werth auf unsere Meinungen legen, wenn wir auf Grund derselben Menschen lebendig braten. Möchte nun auch überhaupt die Ueberzeugung sich mehr ver¬ breiten als bis jetzt geschehen, daß geistige Kämpfe nur mit geistigen Waffen ausgeführt werden können, und daß so anch das Christenthum nur aus dem geistigen Prinzip seines Stifters sich erbauen und entwickeln kann, wäh¬ rend andernfalls für dasselbe das Wort gilt: Gott schütze es vor seinen Freun¬ den, vor seinen Feinden wird es sich schon selber schützen. C. v. Brcruchitsch.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/298>, abgerufen am 27.09.2024.