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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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sie sich um ihr klares Urtheil so wie um ihr Mitgefühl mit deu unglücklichsten
aller Menschen, die ihr Leben uuter Qualen ende" mußten, wie sie raffinirter
nirgends ersonnen worden sind, denn es ist zu erwägen, daß ihnen uicht allem
das Mitleid ihrer Mitmenschen entging, sondern auch jede Hoffnung ans ein
besseres Jenseits, wo die ewige Verdammniß ihnen von der Kirche in sichere
Aussicht gestellt wurde. Aus schaudert vor diesen Marterbildern und mochten
wir von solcher Verblendung sagen, daß wenn es einen Teufel gäbe, er nie
einen größeren Triumph gefeiert hätte, als durch die geistige Verirrung eines
Zeitalters, welches das Schauderhafteste und Empörendste sür Gottesdienst
halten konnte, und den Teufel durch Mittel bekämpfte, die, mehr noch als
Zauberei, zu seinem Dienst gehörte.

Zur Charakteristik führen wir aus dem reichhaltige" Material uur Einiges
an: Jakob I. hatte sich in die Vorstellung von der Gewalt des Satans so
eingelebt, daß dieselbe ihn dauernd beschäftigte und er sich besouders befähigt
hielt dein Wirken Satans zu steuern. Er erließ die strengsten Gesetze und
vermehrte die Verfolgungen. Als er eine Reise nach Schottland machte und
zu Schiff zurückkehrte, überfiel ihn ein heftiger Sturm, der des Königs Leben
in die äußerste Gefahr brachte. Natürlich stand es für ihn und seiue Umge-
bung fest, daß nur der Teufel aus Furcht und Haß gegen ihn diesen Sturm
bewerkstelligt habe. Es galt nun seine Werkzeuge ausfindig zu machen. Der
Verdacht fiel auf einen Dr. Fian, welcher auf der Folter ein Geständniß ab¬
legte, bald aber widerrief. Nun wurden höhere Grade der Tortur angewandt,
um seine Verstocktheit zu besiegen, und der König führte dabei selbst deu Vorsitz.
Die Knochen der Beine wurden in den 'spanischen Stiefeln in kleine Stücke
zerbrochen, und als auch das nichts half, verfiel der König auf eine neue List,
den so halsstarrigen Teufel in dem Leibe dieses Menschen zu überwinden. Er
ließ ihm die Nägel an allen Fingern spalten, und nachdem man unter die
Nägel lange Nadeln bis an den Kopf hineingetrieben hatte, die Nägel mit
einer Kneipzange abreißen. Aber "der Teufel war so tief in das Herz dieses
Menschen eingedrungen", daß er trotzdem fortfuhr zu läugnen, und er ohne
Geständniß verbrannt werden mußte (?iteg,irns Oiminal Irürls ol Levee-ma).
So hatte der König sich als echten Feind des Satans und Vertheidiger des
wahren Christenthums erwiesen.

Die Inquisitoren nahmen nicht einmal den Alibi-Beweis als genügend
zur Freisprechung an. Wenn z. B. Ehemänner bezeugten, daß ihre Frauen
in der Nacht, da sie den Hexensabbath besucht haben sollten, ruhig neben ihnen
geschlafen hätten, so wurde angenommen, daß der Teufel diesen Frauen sehr
wohl einen Duplikatleib verschafft haben könne für die Zeit des Hexensabbaths.
Zur Begründung dieser Annahme wurden zwei katholische Legenden angeführt,


sie sich um ihr klares Urtheil so wie um ihr Mitgefühl mit deu unglücklichsten
aller Menschen, die ihr Leben uuter Qualen ende» mußten, wie sie raffinirter
nirgends ersonnen worden sind, denn es ist zu erwägen, daß ihnen uicht allem
das Mitleid ihrer Mitmenschen entging, sondern auch jede Hoffnung ans ein
besseres Jenseits, wo die ewige Verdammniß ihnen von der Kirche in sichere
Aussicht gestellt wurde. Aus schaudert vor diesen Marterbildern und mochten
wir von solcher Verblendung sagen, daß wenn es einen Teufel gäbe, er nie
einen größeren Triumph gefeiert hätte, als durch die geistige Verirrung eines
Zeitalters, welches das Schauderhafteste und Empörendste sür Gottesdienst
halten konnte, und den Teufel durch Mittel bekämpfte, die, mehr noch als
Zauberei, zu seinem Dienst gehörte.

Zur Charakteristik führen wir aus dem reichhaltige» Material uur Einiges
an: Jakob I. hatte sich in die Vorstellung von der Gewalt des Satans so
eingelebt, daß dieselbe ihn dauernd beschäftigte und er sich besouders befähigt
hielt dein Wirken Satans zu steuern. Er erließ die strengsten Gesetze und
vermehrte die Verfolgungen. Als er eine Reise nach Schottland machte und
zu Schiff zurückkehrte, überfiel ihn ein heftiger Sturm, der des Königs Leben
in die äußerste Gefahr brachte. Natürlich stand es für ihn und seiue Umge-
bung fest, daß nur der Teufel aus Furcht und Haß gegen ihn diesen Sturm
bewerkstelligt habe. Es galt nun seine Werkzeuge ausfindig zu machen. Der
Verdacht fiel auf einen Dr. Fian, welcher auf der Folter ein Geständniß ab¬
legte, bald aber widerrief. Nun wurden höhere Grade der Tortur angewandt,
um seine Verstocktheit zu besiegen, und der König führte dabei selbst deu Vorsitz.
Die Knochen der Beine wurden in den 'spanischen Stiefeln in kleine Stücke
zerbrochen, und als auch das nichts half, verfiel der König auf eine neue List,
den so halsstarrigen Teufel in dem Leibe dieses Menschen zu überwinden. Er
ließ ihm die Nägel an allen Fingern spalten, und nachdem man unter die
Nägel lange Nadeln bis an den Kopf hineingetrieben hatte, die Nägel mit
einer Kneipzange abreißen. Aber „der Teufel war so tief in das Herz dieses
Menschen eingedrungen", daß er trotzdem fortfuhr zu läugnen, und er ohne
Geständniß verbrannt werden mußte (?iteg,irns Oiminal Irürls ol Levee-ma).
So hatte der König sich als echten Feind des Satans und Vertheidiger des
wahren Christenthums erwiesen.

Die Inquisitoren nahmen nicht einmal den Alibi-Beweis als genügend
zur Freisprechung an. Wenn z. B. Ehemänner bezeugten, daß ihre Frauen
in der Nacht, da sie den Hexensabbath besucht haben sollten, ruhig neben ihnen
geschlafen hätten, so wurde angenommen, daß der Teufel diesen Frauen sehr
wohl einen Duplikatleib verschafft haben könne für die Zeit des Hexensabbaths.
Zur Begründung dieser Annahme wurden zwei katholische Legenden angeführt,


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[0296] sie sich um ihr klares Urtheil so wie um ihr Mitgefühl mit deu unglücklichsten aller Menschen, die ihr Leben uuter Qualen ende» mußten, wie sie raffinirter nirgends ersonnen worden sind, denn es ist zu erwägen, daß ihnen uicht allem das Mitleid ihrer Mitmenschen entging, sondern auch jede Hoffnung ans ein besseres Jenseits, wo die ewige Verdammniß ihnen von der Kirche in sichere Aussicht gestellt wurde. Aus schaudert vor diesen Marterbildern und mochten wir von solcher Verblendung sagen, daß wenn es einen Teufel gäbe, er nie einen größeren Triumph gefeiert hätte, als durch die geistige Verirrung eines Zeitalters, welches das Schauderhafteste und Empörendste sür Gottesdienst halten konnte, und den Teufel durch Mittel bekämpfte, die, mehr noch als Zauberei, zu seinem Dienst gehörte. Zur Charakteristik führen wir aus dem reichhaltige» Material uur Einiges an: Jakob I. hatte sich in die Vorstellung von der Gewalt des Satans so eingelebt, daß dieselbe ihn dauernd beschäftigte und er sich besouders befähigt hielt dein Wirken Satans zu steuern. Er erließ die strengsten Gesetze und vermehrte die Verfolgungen. Als er eine Reise nach Schottland machte und zu Schiff zurückkehrte, überfiel ihn ein heftiger Sturm, der des Königs Leben in die äußerste Gefahr brachte. Natürlich stand es für ihn und seiue Umge- bung fest, daß nur der Teufel aus Furcht und Haß gegen ihn diesen Sturm bewerkstelligt habe. Es galt nun seine Werkzeuge ausfindig zu machen. Der Verdacht fiel auf einen Dr. Fian, welcher auf der Folter ein Geständniß ab¬ legte, bald aber widerrief. Nun wurden höhere Grade der Tortur angewandt, um seine Verstocktheit zu besiegen, und der König führte dabei selbst deu Vorsitz. Die Knochen der Beine wurden in den 'spanischen Stiefeln in kleine Stücke zerbrochen, und als auch das nichts half, verfiel der König auf eine neue List, den so halsstarrigen Teufel in dem Leibe dieses Menschen zu überwinden. Er ließ ihm die Nägel an allen Fingern spalten, und nachdem man unter die Nägel lange Nadeln bis an den Kopf hineingetrieben hatte, die Nägel mit einer Kneipzange abreißen. Aber „der Teufel war so tief in das Herz dieses Menschen eingedrungen", daß er trotzdem fortfuhr zu läugnen, und er ohne Geständniß verbrannt werden mußte (?iteg,irns Oiminal Irürls ol Levee-ma). So hatte der König sich als echten Feind des Satans und Vertheidiger des wahren Christenthums erwiesen. Die Inquisitoren nahmen nicht einmal den Alibi-Beweis als genügend zur Freisprechung an. Wenn z. B. Ehemänner bezeugten, daß ihre Frauen in der Nacht, da sie den Hexensabbath besucht haben sollten, ruhig neben ihnen geschlafen hätten, so wurde angenommen, daß der Teufel diesen Frauen sehr wohl einen Duplikatleib verschafft haben könne für die Zeit des Hexensabbaths. Zur Begründung dieser Annahme wurden zwei katholische Legenden angeführt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/296>, abgerufen am 27.09.2024.