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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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In der altjüdischen Welt finden wir den Glauben an Geister und Dämonen
ebenfalls entschieden vertreten. Wir erinnern nur an die Geschichte von der
Hexe von Endor und von dem Ausspruch der Pharisäer, daß Jesus die Teufel
durch Beelzebub austreibe, so wie auch an diese Austreibungen selbst. Der
Geisterglaube bildete bei den Juden den günstigen Boden zur Uebertrciguug
der Teufelslehre aus dem Parsenthum. Auf diesem Wege gelangte diese Vor¬
stellung in das Christenthum. Daß auch die Apostel sie hegten ergibt die
Bibel an vielen Orten, von denen wir nur erwühueN: den Ausspruch des
Paulus: Eyb. 6, 12. "deun wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen,
sondern mit Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die
in der Finsterniß dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem
Himmel." Der große Unterschied war nur, daß das, was bei den Heiden einen
Theil des Gottesdienstes ausmachte, und ihnen ganz unbedenklich erschien, von
den Christen dem Reiche des Teufels zugeschrieben und deshalb verworfen
wurde, statt, wie bei den Heiden, aus bürgerlichen oder staatlichen Rücksichten
verworfen zu werden. Die ersten Christen fanden um sich her eine große und
alte Religion, in deren prachtvollen Bräuchen, Ueberlieferungen u. tgi. sie
um so mehr ein besonderes Kunstwerk des Teufels zu erkennen glaubten, als
dies Heidenthum ihrem mehr vergeistigter und verinnerlichten Glauben keine
Anknüpfung bot. Sie meinten, daß die Dämonen, welche die Welt bevölkern,
um gelobten Lande nur etwa den Besessenen plagen und verfolgen konnten,
während sie bei den Heiden die höchste Macht besäßen und als Götter verehrt
würden. Diese Anschauungen wurden noch durch jene Theorien aus dem
Griechenthum gefärbt und gekräftigt, nach welchen die von den Heiden verehrten
Götter, Geister von beschränkter Macht und unvollkommener Sittlichkeit -- Engel,
oder wie man sie nannte: Dämonen, waren, Vermittler, die mit Erlaubniß
der höchsten und unzugänglichen Gottheit die religiöse Leitung der Menschheit
ordneten. Diese Theorien, welche auf die Aus chauungen der christlichen Kirchen¬
väter und Lehrer so großen Einfluß hatten, setzten den Monotheismus mit
dem Polytheismus in Verbindung. Die Christen Nahmen die Idee von dienenden
Geistern an, hielten diese aber nicht für Vermittler, sondern für Widersacher
der Gottheit.

Diese Auffassung finden wir im 2. Jahrhundert in sorgfältigster Weise
ausgearbeitet. Tertullian legt dar, daß die Welt voll von bösen Geistern,
deren einige zu jener Empörer-Rotte gehörten, welche mit Satan in den
Abgrund geschleudert wurde, während andere die Engel wären, welche in der
vorsündfluthlichen Welt sich in die Menschentöchter verliebt hätten, und welche
"ut Recht zur ewige" Verdammniß verurtheilt wären, da sie jenen das Färben
der Wolle (Putz) und das noch furchtbarere Verbrechen gelehrt hätten, ihre


In der altjüdischen Welt finden wir den Glauben an Geister und Dämonen
ebenfalls entschieden vertreten. Wir erinnern nur an die Geschichte von der
Hexe von Endor und von dem Ausspruch der Pharisäer, daß Jesus die Teufel
durch Beelzebub austreibe, so wie auch an diese Austreibungen selbst. Der
Geisterglaube bildete bei den Juden den günstigen Boden zur Uebertrciguug
der Teufelslehre aus dem Parsenthum. Auf diesem Wege gelangte diese Vor¬
stellung in das Christenthum. Daß auch die Apostel sie hegten ergibt die
Bibel an vielen Orten, von denen wir nur erwühueN: den Ausspruch des
Paulus: Eyb. 6, 12. „deun wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen,
sondern mit Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die
in der Finsterniß dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem
Himmel." Der große Unterschied war nur, daß das, was bei den Heiden einen
Theil des Gottesdienstes ausmachte, und ihnen ganz unbedenklich erschien, von
den Christen dem Reiche des Teufels zugeschrieben und deshalb verworfen
wurde, statt, wie bei den Heiden, aus bürgerlichen oder staatlichen Rücksichten
verworfen zu werden. Die ersten Christen fanden um sich her eine große und
alte Religion, in deren prachtvollen Bräuchen, Ueberlieferungen u. tgi. sie
um so mehr ein besonderes Kunstwerk des Teufels zu erkennen glaubten, als
dies Heidenthum ihrem mehr vergeistigter und verinnerlichten Glauben keine
Anknüpfung bot. Sie meinten, daß die Dämonen, welche die Welt bevölkern,
um gelobten Lande nur etwa den Besessenen plagen und verfolgen konnten,
während sie bei den Heiden die höchste Macht besäßen und als Götter verehrt
würden. Diese Anschauungen wurden noch durch jene Theorien aus dem
Griechenthum gefärbt und gekräftigt, nach welchen die von den Heiden verehrten
Götter, Geister von beschränkter Macht und unvollkommener Sittlichkeit — Engel,
oder wie man sie nannte: Dämonen, waren, Vermittler, die mit Erlaubniß
der höchsten und unzugänglichen Gottheit die religiöse Leitung der Menschheit
ordneten. Diese Theorien, welche auf die Aus chauungen der christlichen Kirchen¬
väter und Lehrer so großen Einfluß hatten, setzten den Monotheismus mit
dem Polytheismus in Verbindung. Die Christen Nahmen die Idee von dienenden
Geistern an, hielten diese aber nicht für Vermittler, sondern für Widersacher
der Gottheit.

Diese Auffassung finden wir im 2. Jahrhundert in sorgfältigster Weise
ausgearbeitet. Tertullian legt dar, daß die Welt voll von bösen Geistern,
deren einige zu jener Empörer-Rotte gehörten, welche mit Satan in den
Abgrund geschleudert wurde, während andere die Engel wären, welche in der
vorsündfluthlichen Welt sich in die Menschentöchter verliebt hätten, und welche
»ut Recht zur ewige» Verdammniß verurtheilt wären, da sie jenen das Färben
der Wolle (Putz) und das noch furchtbarere Verbrechen gelehrt hätten, ihre


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[0287] In der altjüdischen Welt finden wir den Glauben an Geister und Dämonen ebenfalls entschieden vertreten. Wir erinnern nur an die Geschichte von der Hexe von Endor und von dem Ausspruch der Pharisäer, daß Jesus die Teufel durch Beelzebub austreibe, so wie auch an diese Austreibungen selbst. Der Geisterglaube bildete bei den Juden den günstigen Boden zur Uebertrciguug der Teufelslehre aus dem Parsenthum. Auf diesem Wege gelangte diese Vor¬ stellung in das Christenthum. Daß auch die Apostel sie hegten ergibt die Bibel an vielen Orten, von denen wir nur erwühueN: den Ausspruch des Paulus: Eyb. 6, 12. „deun wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in der Finsterniß dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel." Der große Unterschied war nur, daß das, was bei den Heiden einen Theil des Gottesdienstes ausmachte, und ihnen ganz unbedenklich erschien, von den Christen dem Reiche des Teufels zugeschrieben und deshalb verworfen wurde, statt, wie bei den Heiden, aus bürgerlichen oder staatlichen Rücksichten verworfen zu werden. Die ersten Christen fanden um sich her eine große und alte Religion, in deren prachtvollen Bräuchen, Ueberlieferungen u. tgi. sie um so mehr ein besonderes Kunstwerk des Teufels zu erkennen glaubten, als dies Heidenthum ihrem mehr vergeistigter und verinnerlichten Glauben keine Anknüpfung bot. Sie meinten, daß die Dämonen, welche die Welt bevölkern, um gelobten Lande nur etwa den Besessenen plagen und verfolgen konnten, während sie bei den Heiden die höchste Macht besäßen und als Götter verehrt würden. Diese Anschauungen wurden noch durch jene Theorien aus dem Griechenthum gefärbt und gekräftigt, nach welchen die von den Heiden verehrten Götter, Geister von beschränkter Macht und unvollkommener Sittlichkeit — Engel, oder wie man sie nannte: Dämonen, waren, Vermittler, die mit Erlaubniß der höchsten und unzugänglichen Gottheit die religiöse Leitung der Menschheit ordneten. Diese Theorien, welche auf die Aus chauungen der christlichen Kirchen¬ väter und Lehrer so großen Einfluß hatten, setzten den Monotheismus mit dem Polytheismus in Verbindung. Die Christen Nahmen die Idee von dienenden Geistern an, hielten diese aber nicht für Vermittler, sondern für Widersacher der Gottheit. Diese Auffassung finden wir im 2. Jahrhundert in sorgfältigster Weise ausgearbeitet. Tertullian legt dar, daß die Welt voll von bösen Geistern, deren einige zu jener Empörer-Rotte gehörten, welche mit Satan in den Abgrund geschleudert wurde, während andere die Engel wären, welche in der vorsündfluthlichen Welt sich in die Menschentöchter verliebt hätten, und welche »ut Recht zur ewige» Verdammniß verurtheilt wären, da sie jenen das Färben der Wolle (Putz) und das noch furchtbarere Verbrechen gelehrt hätten, ihre

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/287>, abgerufen am 27.09.2024.