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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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wieder zu verriegeln. Im nächsten Augenblick verklärte ungeheuere Freude die
Gesichter aller Schüler, die ausgesprochenen Sinn für Komik hatten. Natürlich
unterblieb aber jede lente Kundgebung des Entzückens unsererseits, das ohne
die Nähe Hühnels sich gewiß in wildesten Geheul und grotesken Sprüngen oder
dergleichen geäußert hätte."

Doch genug des grausamen Spiels! Deshalb wollen wir uns erlassen
das letzte Buch der Trias: "L n se und Leid ans de in G y in nasiu in,
humoristische Skizzen, geschrieben von Herrn Leu er und verlegt von Herrn
Kvstler in Halle. Die 100 Seiten desselben enthalten nnr fades und hivi>
sinniges Zeug, so daß man, um eine Probe zu geben das ganze Buch ad.
schreibe" müßte: hervorragend ist es vor seinen Konkurrenten nur durch das
klägliche Papier und die jämmerliche Ausstattung.

Was nun in aller Welt, fragen wir schließlich, soll denn eigentlich diese
Unmasse Schriften? Haben sie nicht vielleicht doch eiuen bestimmten ethischen
Zweck? Wollen sie etwa die vorgesetzten Behörden ans die Mangelhnftigkeit
des höheren Unterrichtswesens, ans die ungenügende pädagogische Ausbildung
der Gymnasiallehrer, auf die geringe Vorsicht der Provinzialschulkollegien.bei
der Besetzung der Direktorenstelleu aufmerksam machen? Oder wenden sie sich
vielleicht an das Urtheil der Erwachsenen, welche selbst einst diese Schulen
durchliefen? Oder wollen sie gar den Lehrern selbst in ihrem ernsten, schweren
Berufe einige erheiternde Stunden bereiten?

Nein. Nichts von all edem. Wie schon vorhin gesagt, sind sie le¬
diglich buchhändlerische Spekulationen auf die schmalen Geldbörsen der Schüler
"der richtiger der Eltern. Der Schreiber dieser Zeilen ist wahrlich kein eng¬
herziger Pedant, er gehört nicht zu jenen "verknöcherten Professoren der alten
Schule", denen die Kapitelüberschriften des Valejus Paterculus zehnmal werth-
voller sind, als Heine's sänuntliche Werke, und die Herr Eckstein in seineu
"satirischen Zeitbildern" als den schrecklichsten der Schrecken zu schildern
weiß. Ich lasse mir eine Schrift auf diesem Gebiete, die nur einigermaßen
mit attischem Salze gewürzt ist, gefallen; aber yuosciue t,kenn"in? Wozu diese
Sündfluth vou Schulciuekdoten, die noch dazu so nichtssagenden Inhalts, so
blasser Erfindung, so plumper Darstellung sind?

Was soll denn ein Ausländer dazu sagen, wenn wir uns selbst so be¬
schimpfen, daß wir so rohe, gemeine elende Burschen wie einen Boxer, Hutzler,
Rumpf als "Krone und Spiegel aller deutschen Gymnasialschüler" aufstellen!
Was kann Ersprießliches daraus entstehen, wenn seit nunmehr vier Jahren die
Schüler unserer höheren Lehranstalten mit solchem Zeug unablässig gefüttert



Eckst.-!", Katheder und Schulbmik S. W,

wieder zu verriegeln. Im nächsten Augenblick verklärte ungeheuere Freude die
Gesichter aller Schüler, die ausgesprochenen Sinn für Komik hatten. Natürlich
unterblieb aber jede lente Kundgebung des Entzückens unsererseits, das ohne
die Nähe Hühnels sich gewiß in wildesten Geheul und grotesken Sprüngen oder
dergleichen geäußert hätte."

Doch genug des grausamen Spiels! Deshalb wollen wir uns erlassen
das letzte Buch der Trias: „L n se und Leid ans de in G y in nasiu in,
humoristische Skizzen, geschrieben von Herrn Leu er und verlegt von Herrn
Kvstler in Halle. Die 100 Seiten desselben enthalten nnr fades und hivi>
sinniges Zeug, so daß man, um eine Probe zu geben das ganze Buch ad.
schreibe» müßte: hervorragend ist es vor seinen Konkurrenten nur durch das
klägliche Papier und die jämmerliche Ausstattung.

Was nun in aller Welt, fragen wir schließlich, soll denn eigentlich diese
Unmasse Schriften? Haben sie nicht vielleicht doch eiuen bestimmten ethischen
Zweck? Wollen sie etwa die vorgesetzten Behörden ans die Mangelhnftigkeit
des höheren Unterrichtswesens, ans die ungenügende pädagogische Ausbildung
der Gymnasiallehrer, auf die geringe Vorsicht der Provinzialschulkollegien.bei
der Besetzung der Direktorenstelleu aufmerksam machen? Oder wenden sie sich
vielleicht an das Urtheil der Erwachsenen, welche selbst einst diese Schulen
durchliefen? Oder wollen sie gar den Lehrern selbst in ihrem ernsten, schweren
Berufe einige erheiternde Stunden bereiten?

Nein. Nichts von all edem. Wie schon vorhin gesagt, sind sie le¬
diglich buchhändlerische Spekulationen auf die schmalen Geldbörsen der Schüler
"der richtiger der Eltern. Der Schreiber dieser Zeilen ist wahrlich kein eng¬
herziger Pedant, er gehört nicht zu jenen „verknöcherten Professoren der alten
Schule", denen die Kapitelüberschriften des Valejus Paterculus zehnmal werth-
voller sind, als Heine's sänuntliche Werke, und die Herr Eckstein in seineu
»satirischen Zeitbildern" als den schrecklichsten der Schrecken zu schildern
weiß. Ich lasse mir eine Schrift auf diesem Gebiete, die nur einigermaßen
mit attischem Salze gewürzt ist, gefallen; aber yuosciue t,kenn«in? Wozu diese
Sündfluth vou Schulciuekdoten, die noch dazu so nichtssagenden Inhalts, so
blasser Erfindung, so plumper Darstellung sind?

Was soll denn ein Ausländer dazu sagen, wenn wir uns selbst so be¬
schimpfen, daß wir so rohe, gemeine elende Burschen wie einen Boxer, Hutzler,
Rumpf als „Krone und Spiegel aller deutschen Gymnasialschüler" aufstellen!
Was kann Ersprießliches daraus entstehen, wenn seit nunmehr vier Jahren die
Schüler unserer höheren Lehranstalten mit solchem Zeug unablässig gefüttert



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[0267] wieder zu verriegeln. Im nächsten Augenblick verklärte ungeheuere Freude die Gesichter aller Schüler, die ausgesprochenen Sinn für Komik hatten. Natürlich unterblieb aber jede lente Kundgebung des Entzückens unsererseits, das ohne die Nähe Hühnels sich gewiß in wildesten Geheul und grotesken Sprüngen oder dergleichen geäußert hätte." Doch genug des grausamen Spiels! Deshalb wollen wir uns erlassen das letzte Buch der Trias: „L n se und Leid ans de in G y in nasiu in, humoristische Skizzen, geschrieben von Herrn Leu er und verlegt von Herrn Kvstler in Halle. Die 100 Seiten desselben enthalten nnr fades und hivi> sinniges Zeug, so daß man, um eine Probe zu geben das ganze Buch ad. schreibe» müßte: hervorragend ist es vor seinen Konkurrenten nur durch das klägliche Papier und die jämmerliche Ausstattung. Was nun in aller Welt, fragen wir schließlich, soll denn eigentlich diese Unmasse Schriften? Haben sie nicht vielleicht doch eiuen bestimmten ethischen Zweck? Wollen sie etwa die vorgesetzten Behörden ans die Mangelhnftigkeit des höheren Unterrichtswesens, ans die ungenügende pädagogische Ausbildung der Gymnasiallehrer, auf die geringe Vorsicht der Provinzialschulkollegien.bei der Besetzung der Direktorenstelleu aufmerksam machen? Oder wenden sie sich vielleicht an das Urtheil der Erwachsenen, welche selbst einst diese Schulen durchliefen? Oder wollen sie gar den Lehrern selbst in ihrem ernsten, schweren Berufe einige erheiternde Stunden bereiten? Nein. Nichts von all edem. Wie schon vorhin gesagt, sind sie le¬ diglich buchhändlerische Spekulationen auf die schmalen Geldbörsen der Schüler "der richtiger der Eltern. Der Schreiber dieser Zeilen ist wahrlich kein eng¬ herziger Pedant, er gehört nicht zu jenen „verknöcherten Professoren der alten Schule", denen die Kapitelüberschriften des Valejus Paterculus zehnmal werth- voller sind, als Heine's sänuntliche Werke, und die Herr Eckstein in seineu »satirischen Zeitbildern" als den schrecklichsten der Schrecken zu schildern weiß. Ich lasse mir eine Schrift auf diesem Gebiete, die nur einigermaßen mit attischem Salze gewürzt ist, gefallen; aber yuosciue t,kenn«in? Wozu diese Sündfluth vou Schulciuekdoten, die noch dazu so nichtssagenden Inhalts, so blasser Erfindung, so plumper Darstellung sind? Was soll denn ein Ausländer dazu sagen, wenn wir uns selbst so be¬ schimpfen, daß wir so rohe, gemeine elende Burschen wie einen Boxer, Hutzler, Rumpf als „Krone und Spiegel aller deutschen Gymnasialschüler" aufstellen! Was kann Ersprießliches daraus entstehen, wenn seit nunmehr vier Jahren die Schüler unserer höheren Lehranstalten mit solchem Zeug unablässig gefüttert Eckst.-!», Katheder und Schulbmik S. W,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/267>, abgerufen am 25.08.2024.