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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Rumpf ahme noch immer das Haupt der Anstalt nach und verläßt unwillig
über die Ungezogenheiten der Jugend den Bodenraum, ohne seineu Vorgesetzten
befreit zu haben. Nachdem sich Samuel Heiuzerliug inzwischen halb todt ge¬
brüllt hat, erscheint der Bösewicht Rumpf und erklärt seinem Lehrer, daß er
ihn unter einer Reihe von Bedingungen frei geben wolle. Der Gymnasial¬
direktor geht darauf ein und der Primaner öffnet die Falle. Lehrer und
Schüler schließen nun fidel einen Waffenstillstand und der erstere führt den
letzteren wieder in die Klasse zurück. Sie wandeln über den Korridor dem
Schulscmle zu. Der Direktor klopft. "Entschuldigen Su, Herr Kollege, flüsterte
er eintretend, im weichsten Moll, dessen sein würdevolles Organ fähig war,
ach bringe da den Rompf wäder! Knebel.... sa erlauben doch, läber Herr
Klosenbrecher. . . ? Knebel! Schreiben sa iins Tagebuch: man sah such be¬
wogen, dem Rompf in Anbetracht seines anfrüchtäg reuigen Benühmens die
in der vorigen störte dnktärte Carcerstrafe zu erlassen!"

Das ist im Allgemeinen der Inhalt des "weltberühmten" Buches. Ich
sagte vorhin, daß Herr Eckstein Alles gethan hat, um diesen werthvollen In
halt, in welcher Form es auch sei -- Ä tont xrix dem Publikum bekannt zu
machen. Mau urtheile selbst. Anfangs 1873 erschien die Schnlhumoreske illu-
strirt in den "Fliegenden Blättern", darauf in einer humoristischen Sammlung
"Novelleupastete" im Verlage von Braun und Schneider, sodann als besonderes
Buch ü. l Mark bei Johann Friedrich Hartknoch in Leipzig. Als solches er¬
lebte sie bis heute an 40 -- schreibe vierzig -- Auflagen; ein Erfolg, dessen
sich die epochemachendsten wissenschaftlichen Werke bei uns bekanntlich noch nie
zu erfreuen hatten. Freilich meint die Fama, daß die Eckstein'schen Bücher
öfters schon mit der l(). Auflage begannen und mit jedem neuen Hundert eine
neue Auflage zählen; aber wie Tcieitus sagt, Iroe "M ut iiiminpcn-wen,
mvüium rölinciuam. Nach der 15. Auflage bereits übersetzte Fräulein Sophie
Veitch diese Humoreske unter dem Titel: "Ille visit w t.Ils vvUs" (bei Pro-
vost und Co. in London) ins Englische, wahrscheinlich um deu Briten eine"
klaren Begriff vom Wesen eines germanischen Gymnasiums beizubringen
Inzwischen hatte sich auch die Presse über das "bahnbrechende" Opus geäußert.
Die "Europa" naunte die vorgeführte Handlung "überaus komisch und er¬
götzlich", sie rühmte den sprudelnden Witz und die Grazie der Schilderung
als "sicherstes Präservativ gegen die so nahe liegende Gefahr des Platten und
Burlesken"; kurz, empfahl die Humoreske alleu ihren Lesern als "Quelle zwerch
fellerschütternden Verguiigeus." Herr Sander-Masons, der überall dabei sei"
muß, und nach dem Prinzip kritisirt: "ich lobe dich, du lobst mich, er lobt uns,
wir loben ihn" n. s. w. nennt es in seiner östlichen Ueberschwäuglichkeit "ete^
Perle der kölnischen Literatur Deutschlands." -- Endlich kam nun "user Autor,


Rumpf ahme noch immer das Haupt der Anstalt nach und verläßt unwillig
über die Ungezogenheiten der Jugend den Bodenraum, ohne seineu Vorgesetzten
befreit zu haben. Nachdem sich Samuel Heiuzerliug inzwischen halb todt ge¬
brüllt hat, erscheint der Bösewicht Rumpf und erklärt seinem Lehrer, daß er
ihn unter einer Reihe von Bedingungen frei geben wolle. Der Gymnasial¬
direktor geht darauf ein und der Primaner öffnet die Falle. Lehrer und
Schüler schließen nun fidel einen Waffenstillstand und der erstere führt den
letzteren wieder in die Klasse zurück. Sie wandeln über den Korridor dem
Schulscmle zu. Der Direktor klopft. „Entschuldigen Su, Herr Kollege, flüsterte
er eintretend, im weichsten Moll, dessen sein würdevolles Organ fähig war,
ach bringe da den Rompf wäder! Knebel.... sa erlauben doch, läber Herr
Klosenbrecher. . . ? Knebel! Schreiben sa iins Tagebuch: man sah such be¬
wogen, dem Rompf in Anbetracht seines anfrüchtäg reuigen Benühmens die
in der vorigen störte dnktärte Carcerstrafe zu erlassen!"

Das ist im Allgemeinen der Inhalt des „weltberühmten" Buches. Ich
sagte vorhin, daß Herr Eckstein Alles gethan hat, um diesen werthvollen In
halt, in welcher Form es auch sei — Ä tont xrix dem Publikum bekannt zu
machen. Mau urtheile selbst. Anfangs 1873 erschien die Schnlhumoreske illu-
strirt in den „Fliegenden Blättern", darauf in einer humoristischen Sammlung
„Novelleupastete" im Verlage von Braun und Schneider, sodann als besonderes
Buch ü. l Mark bei Johann Friedrich Hartknoch in Leipzig. Als solches er¬
lebte sie bis heute an 40 — schreibe vierzig — Auflagen; ein Erfolg, dessen
sich die epochemachendsten wissenschaftlichen Werke bei uns bekanntlich noch nie
zu erfreuen hatten. Freilich meint die Fama, daß die Eckstein'schen Bücher
öfters schon mit der l(). Auflage begannen und mit jedem neuen Hundert eine
neue Auflage zählen; aber wie Tcieitus sagt, Iroe «M ut iiiminpcn-wen,
mvüium rölinciuam. Nach der 15. Auflage bereits übersetzte Fräulein Sophie
Veitch diese Humoreske unter dem Titel: „Ille visit w t.Ils vvUs" (bei Pro-
vost und Co. in London) ins Englische, wahrscheinlich um deu Briten eine»
klaren Begriff vom Wesen eines germanischen Gymnasiums beizubringen
Inzwischen hatte sich auch die Presse über das „bahnbrechende" Opus geäußert.
Die „Europa" naunte die vorgeführte Handlung „überaus komisch und er¬
götzlich", sie rühmte den sprudelnden Witz und die Grazie der Schilderung
als „sicherstes Präservativ gegen die so nahe liegende Gefahr des Platten und
Burlesken"; kurz, empfahl die Humoreske alleu ihren Lesern als „Quelle zwerch
fellerschütternden Verguiigeus." Herr Sander-Masons, der überall dabei sei»
muß, und nach dem Prinzip kritisirt: „ich lobe dich, du lobst mich, er lobt uns,
wir loben ihn" n. s. w. nennt es in seiner östlichen Ueberschwäuglichkeit „ete^
Perle der kölnischen Literatur Deutschlands." — Endlich kam nun »user Autor,


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[0262] Rumpf ahme noch immer das Haupt der Anstalt nach und verläßt unwillig über die Ungezogenheiten der Jugend den Bodenraum, ohne seineu Vorgesetzten befreit zu haben. Nachdem sich Samuel Heiuzerliug inzwischen halb todt ge¬ brüllt hat, erscheint der Bösewicht Rumpf und erklärt seinem Lehrer, daß er ihn unter einer Reihe von Bedingungen frei geben wolle. Der Gymnasial¬ direktor geht darauf ein und der Primaner öffnet die Falle. Lehrer und Schüler schließen nun fidel einen Waffenstillstand und der erstere führt den letzteren wieder in die Klasse zurück. Sie wandeln über den Korridor dem Schulscmle zu. Der Direktor klopft. „Entschuldigen Su, Herr Kollege, flüsterte er eintretend, im weichsten Moll, dessen sein würdevolles Organ fähig war, ach bringe da den Rompf wäder! Knebel.... sa erlauben doch, läber Herr Klosenbrecher. . . ? Knebel! Schreiben sa iins Tagebuch: man sah such be¬ wogen, dem Rompf in Anbetracht seines anfrüchtäg reuigen Benühmens die in der vorigen störte dnktärte Carcerstrafe zu erlassen!" Das ist im Allgemeinen der Inhalt des „weltberühmten" Buches. Ich sagte vorhin, daß Herr Eckstein Alles gethan hat, um diesen werthvollen In halt, in welcher Form es auch sei — Ä tont xrix dem Publikum bekannt zu machen. Mau urtheile selbst. Anfangs 1873 erschien die Schnlhumoreske illu- strirt in den „Fliegenden Blättern", darauf in einer humoristischen Sammlung „Novelleupastete" im Verlage von Braun und Schneider, sodann als besonderes Buch ü. l Mark bei Johann Friedrich Hartknoch in Leipzig. Als solches er¬ lebte sie bis heute an 40 — schreibe vierzig — Auflagen; ein Erfolg, dessen sich die epochemachendsten wissenschaftlichen Werke bei uns bekanntlich noch nie zu erfreuen hatten. Freilich meint die Fama, daß die Eckstein'schen Bücher öfters schon mit der l(). Auflage begannen und mit jedem neuen Hundert eine neue Auflage zählen; aber wie Tcieitus sagt, Iroe «M ut iiiminpcn-wen, mvüium rölinciuam. Nach der 15. Auflage bereits übersetzte Fräulein Sophie Veitch diese Humoreske unter dem Titel: „Ille visit w t.Ils vvUs" (bei Pro- vost und Co. in London) ins Englische, wahrscheinlich um deu Briten eine» klaren Begriff vom Wesen eines germanischen Gymnasiums beizubringen Inzwischen hatte sich auch die Presse über das „bahnbrechende" Opus geäußert. Die „Europa" naunte die vorgeführte Handlung „überaus komisch und er¬ götzlich", sie rühmte den sprudelnden Witz und die Grazie der Schilderung als „sicherstes Präservativ gegen die so nahe liegende Gefahr des Platten und Burlesken"; kurz, empfahl die Humoreske alleu ihren Lesern als „Quelle zwerch fellerschütternden Verguiigeus." Herr Sander-Masons, der überall dabei sei» muß, und nach dem Prinzip kritisirt: „ich lobe dich, du lobst mich, er lobt uns, wir loben ihn" n. s. w. nennt es in seiner östlichen Ueberschwäuglichkeit „ete^ Perle der kölnischen Literatur Deutschlands." — Endlich kam nun »user Autor,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/262>, abgerufen am 25.08.2024.