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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Gymuasialdirektvr Dr. Samuel Heiuzerling, der "Verfasser einer lateini¬
schen Grammatik für den Schulgebranch, mit besonderer Rücksicht auf die
oberen Klassen" schreitet eines Tages seiner Prima zu. Plötzlich hört er ein
lautes Gelächter, bleibt stehen, horcht und merkt bald, daß man Schule spielt
nud ein Primaner, Wilhelm Rumpf, der offizielle Clown der Klasse, ihn, den
Direktor, in ausgeprägtester Weise kopirt. Erzürnt tritt er ein, diktirt dem
jungen Schauspieler eine dreitägige Carcerstrafe und fordert den Pedell zur
sofortigen Abführung anf. Ans die Entgegnung des Schülers, ob es wirklich
des Herrn Direktors Ernst sei, ihn für seine künstlerische Leistung einzusperren,
spricht Samuel Heinzerling "mit männlich pädagogischer Würde": "Su fand
ein drolliger Kauz, trotz aller Aehrer Ongezogenheit. Aber helfen kann nich
Aehren nuche. So lange sa mür macht darthun, was Aehre angübliche künst¬
lerische Leistung notzt und frommt -- ganz abgesehen von Aehrer onzähmlichen
Tendenz -- so lauge würden sa sach ins Onabänderliche sogen müssen.
Machen sa jetzt, daß Su hinauf kommen." Zum Pedellen aber sagt der
würdige Herr Direktor: "Har, nähmen sa einmal den Rompf vnd föhren
sa uhn auf den Carcer. Rompf, sa würden sach anständig betragen und
nocht alle Augenblücke nach dem Pedellen rosen, wu das vor acht Tagen ge¬
schehen ist. Quaddler, Su lassen such durch nachts bestaunen, den Rompf
^uf die Vorflur zu lasten! Wenn üben wäder Schlacht würd, so mag er das
Fünfter öffnen. Am Besten ist's, sa sulzen üben alles Nöthige hinein in die
Zälle und lassen die Thore ein för alle Mal verschlossen. -- Freitag Abend
kommt er wüder heronter." Der Leser hat nunmehr eine Probe von der
Sprache des neuen "Onkel Brüsig", will sagen des Gymnasialdirektor Dr.
Samuel Heinzerling. Folgt eine Episode, in der die kokette Anny, Tochter
des Pedellen Quaddler eingeführt wird - - wozu? weiß man nicht. "Lüchelnd,
heißt es S. 27, blickte Samuel ihr nach." "Ein reizendes Kund!" murmelte
er vor sich hin. -- "Ich gude ont daran, wenn meine Winfriede nur halb so
^it savoir vävrs besäße -- von Jsmenen ganz zö geschweigen. Düser Qnaddler
^se ein MMNU8, ein nomo ineultus und dessenohngeachtet verfrüht er es, eine
^haritin groß zu zähen, während und, der feingebüldete Kenner des klassischen
Alterthoms, ach der nomo cui mal lloruani alienom äst, macht am Stande bin,
^ne meines Bäldongsgrades wördige Nachkommenschaft zö erzielen."

Nach diesem Monolog entschließt sich der Direktor dem Rumpf einen Be¬
such im Carcer abzustatten. Weshalb? Er will ihn bitten, die "dommer"
Streiche doch fortan zu unterlassen, die seien nämlich nicht gut für die Anstalt.
Monsieur Rumpf, der Carcerheld, benutzt nun diese Gelegenheit, springt an
seinem hohen Besuch vorbei, schließt ab und macht so seinen Direktor zum
^efauiMcn. Der Lärm Heinzerliug's ruft deu Pedell herbei. Dieser glaubt,


Greuzüvwl lo. 1877. ü3

Gymuasialdirektvr Dr. Samuel Heiuzerling, der „Verfasser einer lateini¬
schen Grammatik für den Schulgebranch, mit besonderer Rücksicht auf die
oberen Klassen" schreitet eines Tages seiner Prima zu. Plötzlich hört er ein
lautes Gelächter, bleibt stehen, horcht und merkt bald, daß man Schule spielt
nud ein Primaner, Wilhelm Rumpf, der offizielle Clown der Klasse, ihn, den
Direktor, in ausgeprägtester Weise kopirt. Erzürnt tritt er ein, diktirt dem
jungen Schauspieler eine dreitägige Carcerstrafe und fordert den Pedell zur
sofortigen Abführung anf. Ans die Entgegnung des Schülers, ob es wirklich
des Herrn Direktors Ernst sei, ihn für seine künstlerische Leistung einzusperren,
spricht Samuel Heinzerling „mit männlich pädagogischer Würde": „Su fand
ein drolliger Kauz, trotz aller Aehrer Ongezogenheit. Aber helfen kann nich
Aehren nuche. So lange sa mür macht darthun, was Aehre angübliche künst¬
lerische Leistung notzt und frommt — ganz abgesehen von Aehrer onzähmlichen
Tendenz — so lauge würden sa sach ins Onabänderliche sogen müssen.
Machen sa jetzt, daß Su hinauf kommen." Zum Pedellen aber sagt der
würdige Herr Direktor: „Har, nähmen sa einmal den Rompf vnd föhren
sa uhn auf den Carcer. Rompf, sa würden sach anständig betragen und
nocht alle Augenblücke nach dem Pedellen rosen, wu das vor acht Tagen ge¬
schehen ist. Quaddler, Su lassen such durch nachts bestaunen, den Rompf
^uf die Vorflur zu lasten! Wenn üben wäder Schlacht würd, so mag er das
Fünfter öffnen. Am Besten ist's, sa sulzen üben alles Nöthige hinein in die
Zälle und lassen die Thore ein för alle Mal verschlossen. — Freitag Abend
kommt er wüder heronter." Der Leser hat nunmehr eine Probe von der
Sprache des neuen „Onkel Brüsig", will sagen des Gymnasialdirektor Dr.
Samuel Heinzerling. Folgt eine Episode, in der die kokette Anny, Tochter
des Pedellen Quaddler eingeführt wird - - wozu? weiß man nicht. „Lüchelnd,
heißt es S. 27, blickte Samuel ihr nach." „Ein reizendes Kund!" murmelte
er vor sich hin. — „Ich gude ont daran, wenn meine Winfriede nur halb so
^it savoir vävrs besäße — von Jsmenen ganz zö geschweigen. Düser Qnaddler
^se ein MMNU8, ein nomo ineultus und dessenohngeachtet verfrüht er es, eine
^haritin groß zu zähen, während und, der feingebüldete Kenner des klassischen
Alterthoms, ach der nomo cui mal lloruani alienom äst, macht am Stande bin,
^ne meines Bäldongsgrades wördige Nachkommenschaft zö erzielen."

Nach diesem Monolog entschließt sich der Direktor dem Rumpf einen Be¬
such im Carcer abzustatten. Weshalb? Er will ihn bitten, die „dommer"
Streiche doch fortan zu unterlassen, die seien nämlich nicht gut für die Anstalt.
Monsieur Rumpf, der Carcerheld, benutzt nun diese Gelegenheit, springt an
seinem hohen Besuch vorbei, schließt ab und macht so seinen Direktor zum
^efauiMcn. Der Lärm Heinzerliug's ruft deu Pedell herbei. Dieser glaubt,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/261>, abgerufen am 25.08.2024.