Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
"Wat ick seh, dat steiht,
Wat ick strich dat geiht."

In Schwaben muß man zu jenem Zwecke in die Kirche gehen und Acht
geben, ob etwa Zwei miteinander plaudern. Gewahrt man es, so muß man
die Warze anfassen und sagen:


"Was ich sehe, ist eine Stend',
Und was ich ergreife, das verschwind."
Im Namen Gottes" u. s. w.

Ein alter westfälischer Segen, mit dem man sich Zahnschmerzen wegschafft,
lautet: "Petrus stand unter einem Eichbaum, da kam unser Christus und
sprach zu ihm: Was fehlet Dir, Du bist ja fo traurig? Da sprach Petrus:
Warum soll ich nicht traurig sein? Meine Zähne wollen mir verfaulen. Sprach
unser Herr Christus: Geh hin in den Grund, nimm Wasser in den Mund
und Spuck' es wieder in den Grund. Im Namen Gottes", u. s. w. Eine
andere Kur der westfälischen Volksdentisteu ist folgende: Man geht an einen
Hollunderstrcmch, faßt ihn mit der Hand derjenigen Körperseite an, auf welcher
einem die Zähne wehthun, und sagt: "Meine Zählte thun mir weh, ein schwarzer,
ein weißer und ein rother. Ich wollte, daß sie sich verbluteten. Im Namen",
u. s. w.

Schwäbische Sprüche gegen die Kolik bei Menschen und Thieren sind
nachstehende: "Jerusalem, Du jüdische Stadt, darin Jesus Christus gekreuzigt
ward, daraus ist geflossen Wasser und Blut, das ist für Grimmen, Kolik und
Darmgicht gut. Im Namen", u. s. w. "Das walte Gott, ich weiß nicht,
was Dir fehlt, und weiß nicht, was Dir ist; so helfe Dir der liebe Herr
Jesus Christ! Hat dir's gethan ein Mann, so komme es denselben an! Hat
Dir's gethan ein Weib, so fahre es in ihren Leib! Es Haben's übersehen zwei
böse Augen (Anspielung auf den Zauber der im "bösen Blick" liegt)
übersehen dich drei gute. Der erste ist Gott, der Vater, der andere ist Gott,
der Sohn, der dritte ist Gott, der heilige Geist, der helfe dir wieder zu deinem
rechten Blut, Bein und Fleisch." "Ein alter Leibrock, ein alter Scheuren-
schöpf (Scheunenschuppeu), ein Glas mit rothem Wein -- el, Grimmen laß
dein Grimmen sein." Dieser Spruch gehört mit seiner Sinnlosigkeit in die
"schwarze" Magie, die schneller als die weiße wirkt, aber sehr gefährlich ist-
und dashalb darf'man dabei nicht, wie sonst gebräuchlich, über kranke Stellen dree
Kreuze machen und eben fo wenig ist es erlaubt, dabei die drei höchsten
Namen zu nennen; denn der Heilungsversnch mit dieser Beschwörung geschieht
stillschweigend im Namen des Teufels.

Die westfälischen Voltsthierürzte empfehlen folgende Kuren:

Gegen die Aufblähung oder "das dicke Werk" beim Rindvieh: Man nennt


„Wat ick seh, dat steiht,
Wat ick strich dat geiht."

In Schwaben muß man zu jenem Zwecke in die Kirche gehen und Acht
geben, ob etwa Zwei miteinander plaudern. Gewahrt man es, so muß man
die Warze anfassen und sagen:


„Was ich sehe, ist eine Stend',
Und was ich ergreife, das verschwind."
Im Namen Gottes" u. s. w.

Ein alter westfälischer Segen, mit dem man sich Zahnschmerzen wegschafft,
lautet: „Petrus stand unter einem Eichbaum, da kam unser Christus und
sprach zu ihm: Was fehlet Dir, Du bist ja fo traurig? Da sprach Petrus:
Warum soll ich nicht traurig sein? Meine Zähne wollen mir verfaulen. Sprach
unser Herr Christus: Geh hin in den Grund, nimm Wasser in den Mund
und Spuck' es wieder in den Grund. Im Namen Gottes", u. s. w. Eine
andere Kur der westfälischen Volksdentisteu ist folgende: Man geht an einen
Hollunderstrcmch, faßt ihn mit der Hand derjenigen Körperseite an, auf welcher
einem die Zähne wehthun, und sagt: „Meine Zählte thun mir weh, ein schwarzer,
ein weißer und ein rother. Ich wollte, daß sie sich verbluteten. Im Namen",
u. s. w.

Schwäbische Sprüche gegen die Kolik bei Menschen und Thieren sind
nachstehende: „Jerusalem, Du jüdische Stadt, darin Jesus Christus gekreuzigt
ward, daraus ist geflossen Wasser und Blut, das ist für Grimmen, Kolik und
Darmgicht gut. Im Namen", u. s. w. „Das walte Gott, ich weiß nicht,
was Dir fehlt, und weiß nicht, was Dir ist; so helfe Dir der liebe Herr
Jesus Christ! Hat dir's gethan ein Mann, so komme es denselben an! Hat
Dir's gethan ein Weib, so fahre es in ihren Leib! Es Haben's übersehen zwei
böse Augen (Anspielung auf den Zauber der im „bösen Blick" liegt)
übersehen dich drei gute. Der erste ist Gott, der Vater, der andere ist Gott,
der Sohn, der dritte ist Gott, der heilige Geist, der helfe dir wieder zu deinem
rechten Blut, Bein und Fleisch." „Ein alter Leibrock, ein alter Scheuren-
schöpf (Scheunenschuppeu), ein Glas mit rothem Wein — el, Grimmen laß
dein Grimmen sein." Dieser Spruch gehört mit seiner Sinnlosigkeit in die
„schwarze" Magie, die schneller als die weiße wirkt, aber sehr gefährlich ist-
und dashalb darf'man dabei nicht, wie sonst gebräuchlich, über kranke Stellen dree
Kreuze machen und eben fo wenig ist es erlaubt, dabei die drei höchsten
Namen zu nennen; denn der Heilungsversnch mit dieser Beschwörung geschieht
stillschweigend im Namen des Teufels.

Die westfälischen Voltsthierürzte empfehlen folgende Kuren:

Gegen die Aufblähung oder „das dicke Werk" beim Rindvieh: Man nennt


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0184" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138943"/>
          <quote>
            <lg xml:id="POEMID_11" type="poem">
              <l> &#x201E;Wat ick seh, dat steiht,<lb/>
Wat ick strich dat geiht."</l>
            </lg>
          </quote><lb/>
          <p xml:id="ID_508"> In Schwaben muß man zu jenem Zwecke in die Kirche gehen und Acht<lb/>
geben, ob etwa Zwei miteinander plaudern.  Gewahrt man es, so muß man<lb/>
die Warze anfassen und sagen:</p><lb/>
          <quote>
            <lg xml:id="POEMID_12" type="poem">
              <l> &#x201E;Was ich sehe, ist eine Stend',<lb/>
Und was ich ergreife, das verschwind."<lb/>
Im Namen Gottes" u. s. w.<lb/></l>
            </lg>
          </quote><lb/>
          <p xml:id="ID_509"> Ein alter westfälischer Segen, mit dem man sich Zahnschmerzen wegschafft,<lb/>
lautet: &#x201E;Petrus stand unter einem Eichbaum, da kam unser Christus und<lb/>
sprach zu ihm: Was fehlet Dir, Du bist ja fo traurig? Da sprach Petrus:<lb/>
Warum soll ich nicht traurig sein? Meine Zähne wollen mir verfaulen. Sprach<lb/>
unser Herr Christus: Geh hin in den Grund, nimm Wasser in den Mund<lb/>
und Spuck' es wieder in den Grund. Im Namen Gottes", u. s. w. Eine<lb/>
andere Kur der westfälischen Volksdentisteu ist folgende: Man geht an einen<lb/>
Hollunderstrcmch, faßt ihn mit der Hand derjenigen Körperseite an, auf welcher<lb/>
einem die Zähne wehthun, und sagt: &#x201E;Meine Zählte thun mir weh, ein schwarzer,<lb/>
ein weißer und ein rother. Ich wollte, daß sie sich verbluteten. Im Namen",<lb/>
u. s. w.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_510"> Schwäbische Sprüche gegen die Kolik bei Menschen und Thieren sind<lb/>
nachstehende: &#x201E;Jerusalem, Du jüdische Stadt, darin Jesus Christus gekreuzigt<lb/>
ward, daraus ist geflossen Wasser und Blut, das ist für Grimmen, Kolik und<lb/>
Darmgicht gut. Im Namen", u. s. w. &#x201E;Das walte Gott, ich weiß nicht,<lb/>
was Dir fehlt, und weiß nicht, was Dir ist; so helfe Dir der liebe Herr<lb/>
Jesus Christ! Hat dir's gethan ein Mann, so komme es denselben an! Hat<lb/>
Dir's gethan ein Weib, so fahre es in ihren Leib! Es Haben's übersehen zwei<lb/>
böse Augen (Anspielung auf den Zauber der im &#x201E;bösen Blick" liegt)<lb/>
übersehen dich drei gute. Der erste ist Gott, der Vater, der andere ist Gott,<lb/>
der Sohn, der dritte ist Gott, der heilige Geist, der helfe dir wieder zu deinem<lb/>
rechten Blut, Bein und Fleisch." &#x201E;Ein alter Leibrock, ein alter Scheuren-<lb/>
schöpf (Scheunenschuppeu), ein Glas mit rothem Wein &#x2014; el, Grimmen laß<lb/>
dein Grimmen sein." Dieser Spruch gehört mit seiner Sinnlosigkeit in die<lb/>
&#x201E;schwarze" Magie, die schneller als die weiße wirkt, aber sehr gefährlich ist-<lb/>
und dashalb darf'man dabei nicht, wie sonst gebräuchlich, über kranke Stellen dree<lb/>
Kreuze machen und eben fo wenig ist es erlaubt, dabei die drei höchsten<lb/>
Namen zu nennen; denn der Heilungsversnch mit dieser Beschwörung geschieht<lb/>
stillschweigend im Namen des Teufels.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_511"> Die westfälischen Voltsthierürzte empfehlen folgende Kuren:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_512" next="#ID_513"> Gegen die Aufblähung oder &#x201E;das dicke Werk" beim Rindvieh: Man nennt</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0184] „Wat ick seh, dat steiht, Wat ick strich dat geiht." In Schwaben muß man zu jenem Zwecke in die Kirche gehen und Acht geben, ob etwa Zwei miteinander plaudern. Gewahrt man es, so muß man die Warze anfassen und sagen: „Was ich sehe, ist eine Stend', Und was ich ergreife, das verschwind." Im Namen Gottes" u. s. w. Ein alter westfälischer Segen, mit dem man sich Zahnschmerzen wegschafft, lautet: „Petrus stand unter einem Eichbaum, da kam unser Christus und sprach zu ihm: Was fehlet Dir, Du bist ja fo traurig? Da sprach Petrus: Warum soll ich nicht traurig sein? Meine Zähne wollen mir verfaulen. Sprach unser Herr Christus: Geh hin in den Grund, nimm Wasser in den Mund und Spuck' es wieder in den Grund. Im Namen Gottes", u. s. w. Eine andere Kur der westfälischen Volksdentisteu ist folgende: Man geht an einen Hollunderstrcmch, faßt ihn mit der Hand derjenigen Körperseite an, auf welcher einem die Zähne wehthun, und sagt: „Meine Zählte thun mir weh, ein schwarzer, ein weißer und ein rother. Ich wollte, daß sie sich verbluteten. Im Namen", u. s. w. Schwäbische Sprüche gegen die Kolik bei Menschen und Thieren sind nachstehende: „Jerusalem, Du jüdische Stadt, darin Jesus Christus gekreuzigt ward, daraus ist geflossen Wasser und Blut, das ist für Grimmen, Kolik und Darmgicht gut. Im Namen", u. s. w. „Das walte Gott, ich weiß nicht, was Dir fehlt, und weiß nicht, was Dir ist; so helfe Dir der liebe Herr Jesus Christ! Hat dir's gethan ein Mann, so komme es denselben an! Hat Dir's gethan ein Weib, so fahre es in ihren Leib! Es Haben's übersehen zwei böse Augen (Anspielung auf den Zauber der im „bösen Blick" liegt) übersehen dich drei gute. Der erste ist Gott, der Vater, der andere ist Gott, der Sohn, der dritte ist Gott, der heilige Geist, der helfe dir wieder zu deinem rechten Blut, Bein und Fleisch." „Ein alter Leibrock, ein alter Scheuren- schöpf (Scheunenschuppeu), ein Glas mit rothem Wein — el, Grimmen laß dein Grimmen sein." Dieser Spruch gehört mit seiner Sinnlosigkeit in die „schwarze" Magie, die schneller als die weiße wirkt, aber sehr gefährlich ist- und dashalb darf'man dabei nicht, wie sonst gebräuchlich, über kranke Stellen dree Kreuze machen und eben fo wenig ist es erlaubt, dabei die drei höchsten Namen zu nennen; denn der Heilungsversnch mit dieser Beschwörung geschieht stillschweigend im Namen des Teufels. Die westfälischen Voltsthierürzte empfehlen folgende Kuren: Gegen die Aufblähung oder „das dicke Werk" beim Rindvieh: Man nennt

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/184
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/184>, abgerufen am 22.07.2024.