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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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nach weit übertriebenen Verluste viel mehr in braun und blan geschlagenen,
als in ernstlich verwundeten oder gar "erlegten" Leuten bestanden, gegen das
Hauptübel gar nichts gewonnen werden konnte; deshalb blieben die Plackereien
und Lenteschindereien, die Nahmen und Bestrickungen, die Handel und Wandel
brachlegten, nach wie vor. Die Breslauer schritten daher zu neuer Klage beim
König und wieder gewannen sie ihn zuerst ganz für ihre Sache. Er schreibt
ihnen auf die Nachricht von dem Gefecht bei Kanth "daß ihr euern Feinden
obgelegen, sein Wir erfreut und haben in Böheim und andern unsern Landen
ihnen auch ernstlich nachzutrachten und sie zu erobern befohlen", und wirklich
brachte er den Herzog Friedrich von Liegnitz zu kräftiger Unterstützung der
Stadt, und auch den Bischof und den obersten Hauptmann, Herzog Kasimir
von Oppeln, entbietet er mit volltönenden Worten gegen die Landesbeschädiger.
Aber wieder wußte auch Herzog Bartholomäus das Ohr des Königs zu ge¬
winnen -- er erbiete sich, vor Recht seinen Anspruch durchzuführen, er sei der
Beschädigte, dem die Städter bitteres Unrecht und Gewalt angethan -- er er¬
wirkte denn auch für sich und die Seinen Geleit bis zu dem versprochenen
Rechtslage, es kam auch wieder zu Verhandlungen zu Frankenstein, zu Neu¬
stadt, zu Neisse, aber überall nur mit der Wirkung, daß die Landesbeschädiger
Zeit gewannen, sich vor der erdrückenden Mehrheit des Gegners zu salviren
und im einzelnen ihr Treiben ungestört fortzusetzen.

So verging die gute Hälfte des Jahres 1513. Dann endlich im Spät¬
sommer rückte das Heer der Alliirten unter Herzog Friedrich's Führung
die Breslauer waren mit 400 Mann unter dem Hauptmann Nikolaus Leubel
und etlichen Reitern wohl die Mehrheit -- in's Böhmische hinein, um dort
einen der schlimmsten Schlupfwinkel der Feinde, den Katzenstein, Siegmund
voll Kauffungs Sitz, zu brechen. Aber der Breslauer Belagerungstrain war
gar elend. Nikolaus Leubel konnte mit allem Feldherrntalent nichts ausrichten.
"Es seien bei vierzig oder fünfzig Schuß gethan, von denen bei drei wohl
vielleicht das Dach oder das Bollwerk trafen, aber die Schweidnitzer Schlange
zersprang und waren gemeiniglich wohl unsre Büchsen wandelbar, etwa die
Achsen zerflossen oder die Läden, damit nichts guts ausgerichtet. So haben
die Feinde einen Spott daraus gehabt auf dem Schlosse und dieweil wir haben
geschossen, alleweil auf dem höchsten Bollwerk mit Schindeln lassen decken."
Als dann nach einigen Tagen Herzog Friedrich erfahr, daß großes Volk sich
in Böhmen gegen ihn sammle, da befahl er den Rückzug. "Und so die Büchsen
alle wandelbar an Rädern und Wagen, haben wir sie mit großer Mühe bei
anderthalb Meilen davon in die Gebirge geschleppet, und so wir nicht genug¬
sam Zeug an Ketten, Seilern und Pferden gehabt, in einem Walde geblieben,
gearbeitet bis Mitternacht und auch jetzo noch nicht mögen fortkommen, wir


nach weit übertriebenen Verluste viel mehr in braun und blan geschlagenen,
als in ernstlich verwundeten oder gar „erlegten" Leuten bestanden, gegen das
Hauptübel gar nichts gewonnen werden konnte; deshalb blieben die Plackereien
und Lenteschindereien, die Nahmen und Bestrickungen, die Handel und Wandel
brachlegten, nach wie vor. Die Breslauer schritten daher zu neuer Klage beim
König und wieder gewannen sie ihn zuerst ganz für ihre Sache. Er schreibt
ihnen auf die Nachricht von dem Gefecht bei Kanth „daß ihr euern Feinden
obgelegen, sein Wir erfreut und haben in Böheim und andern unsern Landen
ihnen auch ernstlich nachzutrachten und sie zu erobern befohlen", und wirklich
brachte er den Herzog Friedrich von Liegnitz zu kräftiger Unterstützung der
Stadt, und auch den Bischof und den obersten Hauptmann, Herzog Kasimir
von Oppeln, entbietet er mit volltönenden Worten gegen die Landesbeschädiger.
Aber wieder wußte auch Herzog Bartholomäus das Ohr des Königs zu ge¬
winnen — er erbiete sich, vor Recht seinen Anspruch durchzuführen, er sei der
Beschädigte, dem die Städter bitteres Unrecht und Gewalt angethan — er er¬
wirkte denn auch für sich und die Seinen Geleit bis zu dem versprochenen
Rechtslage, es kam auch wieder zu Verhandlungen zu Frankenstein, zu Neu¬
stadt, zu Neisse, aber überall nur mit der Wirkung, daß die Landesbeschädiger
Zeit gewannen, sich vor der erdrückenden Mehrheit des Gegners zu salviren
und im einzelnen ihr Treiben ungestört fortzusetzen.

So verging die gute Hälfte des Jahres 1513. Dann endlich im Spät¬
sommer rückte das Heer der Alliirten unter Herzog Friedrich's Führung
die Breslauer waren mit 400 Mann unter dem Hauptmann Nikolaus Leubel
und etlichen Reitern wohl die Mehrheit — in's Böhmische hinein, um dort
einen der schlimmsten Schlupfwinkel der Feinde, den Katzenstein, Siegmund
voll Kauffungs Sitz, zu brechen. Aber der Breslauer Belagerungstrain war
gar elend. Nikolaus Leubel konnte mit allem Feldherrntalent nichts ausrichten.
„Es seien bei vierzig oder fünfzig Schuß gethan, von denen bei drei wohl
vielleicht das Dach oder das Bollwerk trafen, aber die Schweidnitzer Schlange
zersprang und waren gemeiniglich wohl unsre Büchsen wandelbar, etwa die
Achsen zerflossen oder die Läden, damit nichts guts ausgerichtet. So haben
die Feinde einen Spott daraus gehabt auf dem Schlosse und dieweil wir haben
geschossen, alleweil auf dem höchsten Bollwerk mit Schindeln lassen decken."
Als dann nach einigen Tagen Herzog Friedrich erfahr, daß großes Volk sich
in Böhmen gegen ihn sammle, da befahl er den Rückzug. „Und so die Büchsen
alle wandelbar an Rädern und Wagen, haben wir sie mit großer Mühe bei
anderthalb Meilen davon in die Gebirge geschleppet, und so wir nicht genug¬
sam Zeug an Ketten, Seilern und Pferden gehabt, in einem Walde geblieben,
gearbeitet bis Mitternacht und auch jetzo noch nicht mögen fortkommen, wir


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/138>, abgerufen am 22.07.2024.