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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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werden bei einer Pön von hundert Mark Silbers, und von Seiner Königlichen
Majestät solche Pön ausgebeten von uns zu fordern nud dazu von allen und
jeden unsern Mitbürgern von niänuiglich in Sonderheit, welche er von nus
und den Unsern vor dieser Lande Recht, das da gehalten soll werden die
Woche nach Se. Michelstag allhier zu Breslau, zu fordern vermeinet und
uns auch alle und jede unsre Mitbürger zu solchem Rechtslage durch den
Königlichen Hauptmann hat schriftlich zitiren und vorladen lassen, daran wir,
wie vernommen, unschuldig siud. Es ist auch derselbe Christoph Rindfleisch
wie vormals von uns und männiglich als ein andrer Bürger für gut gehalten
und vergönnt wordeu. Euer Würden wollen hieran guten Fleiß verwenden,
wollen wir freundlich verdienen." --

So wurden die gelehrten Waffen auf beiden Seiten geschärft, auch wurde
schriftlich und mündlich noch wiederholt von Fürsten und Herren hin und her
disputirt, Beschuldigungen und Entschuldigungen vorgetragen und Allerhöchst zur
.Kenntniß genommen, auch wohl wieder einmal ein Königlicher Sentenzbrief
extraHirt und den Schreiben: und den Juristen ein Gulden nach dem andern
geopfert -- aber eine Entscheidung mit wirklicher, richtiger Vollstreckung und Er-
ledigung konnte durch das ganze jahrelange Verfahren nicht erreicht werden.
Schon freute sich die gesammte Reiterei des Landes der unvermeidlichen Fehde
zwischen dem verschlagenen Fürsten und der reichen Stadt und natürlich nahm
sie des Fürsten Dienst, denn bei ihm war bessere Aussicht auf reiche Beute.
Die Kanffunger, Siegmund und Heinrich, waren geborene Diener des Herzogs,
seit Georg Podiebrad ihrer Großmutter Aufnahme und Schutz gewährt hatte
gegen Sachsen nach dem verunglückten Prinzenranbe und der Hinrichtung des
Großvaters, Kurz von Kauffnng. Aber anch solcher Leute, wie Christoph von
Reisewitz "Schwarz Cristof" genannt, unterzog sich der Herzog "als eines
Dieners" und mit ihm einer ganzen Anzahl schlesischer, bömischer, polnischer
Herren, nicht zu vergessen des Schwarms uicht rittermäßiger "böser Leute". ^
Schon begannen die Anfälle auf Breslauisches Gut häufiger zu werden und
mit doppeltem Eifer mußten des Raths Hnsciren und Fußknechte das Land
durchstreifen, die Reiter zu jagen und ihre Behauser -- jeder Ritter fast war
ein solcher -- auszuforschen. Da geschah es, daß in der Nähe von Bunzlau
Breslauer Güter angehalten wurden. Die Städter schlugen wacker zu und
tödteten dabei jenen Hauptmann und Gesandten des Herzogs, Balthasar von
Bischofsheim, der, wie später versichert wurde, der Affaire ganz unbetheiligt
zugesehen haben sollte, dessen Anwesenheit den Husaren aber wohl mit Recht
sehr zweideutig erschienen war, zumal sie ihn persönlich nicht erkannten.

Jetzt erklärte der Herzog sofort, die Breslauer hätten die Fehde begonnen, ^
und wild fuhr er los; zu dein alten Groll kam der neue Schmerz über den


werden bei einer Pön von hundert Mark Silbers, und von Seiner Königlichen
Majestät solche Pön ausgebeten von uns zu fordern nud dazu von allen und
jeden unsern Mitbürgern von niänuiglich in Sonderheit, welche er von nus
und den Unsern vor dieser Lande Recht, das da gehalten soll werden die
Woche nach Se. Michelstag allhier zu Breslau, zu fordern vermeinet und
uns auch alle und jede unsre Mitbürger zu solchem Rechtslage durch den
Königlichen Hauptmann hat schriftlich zitiren und vorladen lassen, daran wir,
wie vernommen, unschuldig siud. Es ist auch derselbe Christoph Rindfleisch
wie vormals von uns und männiglich als ein andrer Bürger für gut gehalten
und vergönnt wordeu. Euer Würden wollen hieran guten Fleiß verwenden,
wollen wir freundlich verdienen." —

So wurden die gelehrten Waffen auf beiden Seiten geschärft, auch wurde
schriftlich und mündlich noch wiederholt von Fürsten und Herren hin und her
disputirt, Beschuldigungen und Entschuldigungen vorgetragen und Allerhöchst zur
.Kenntniß genommen, auch wohl wieder einmal ein Königlicher Sentenzbrief
extraHirt und den Schreiben: und den Juristen ein Gulden nach dem andern
geopfert — aber eine Entscheidung mit wirklicher, richtiger Vollstreckung und Er-
ledigung konnte durch das ganze jahrelange Verfahren nicht erreicht werden.
Schon freute sich die gesammte Reiterei des Landes der unvermeidlichen Fehde
zwischen dem verschlagenen Fürsten und der reichen Stadt und natürlich nahm
sie des Fürsten Dienst, denn bei ihm war bessere Aussicht auf reiche Beute.
Die Kanffunger, Siegmund und Heinrich, waren geborene Diener des Herzogs,
seit Georg Podiebrad ihrer Großmutter Aufnahme und Schutz gewährt hatte
gegen Sachsen nach dem verunglückten Prinzenranbe und der Hinrichtung des
Großvaters, Kurz von Kauffnng. Aber anch solcher Leute, wie Christoph von
Reisewitz „Schwarz Cristof" genannt, unterzog sich der Herzog „als eines
Dieners" und mit ihm einer ganzen Anzahl schlesischer, bömischer, polnischer
Herren, nicht zu vergessen des Schwarms uicht rittermäßiger „böser Leute". ^
Schon begannen die Anfälle auf Breslauisches Gut häufiger zu werden und
mit doppeltem Eifer mußten des Raths Hnsciren und Fußknechte das Land
durchstreifen, die Reiter zu jagen und ihre Behauser — jeder Ritter fast war
ein solcher — auszuforschen. Da geschah es, daß in der Nähe von Bunzlau
Breslauer Güter angehalten wurden. Die Städter schlugen wacker zu und
tödteten dabei jenen Hauptmann und Gesandten des Herzogs, Balthasar von
Bischofsheim, der, wie später versichert wurde, der Affaire ganz unbetheiligt
zugesehen haben sollte, dessen Anwesenheit den Husaren aber wohl mit Recht
sehr zweideutig erschienen war, zumal sie ihn persönlich nicht erkannten.

Jetzt erklärte der Herzog sofort, die Breslauer hätten die Fehde begonnen, ^
und wild fuhr er los; zu dein alten Groll kam der neue Schmerz über den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/136>, abgerufen am 02.10.2024.