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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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liebe Befehle, wenn morgen der Widerpart das gerade Entgegengesetzte bei Hofe
durchbrachte!

Da faß zu Münsterberg der Herzog Bartholomäus, "ein wohl beredter
und guter Hofmann, aber ein ungerechter, verwegener, unruhiger Fürst", der
Freund der Kauffuuger, der Pfleger und Behauser der Reiter, der geborene
Feind Breslaus, Georg Podiebrad's Enkel, der ließ dem Könige vortragen,
daß durch den Vorgang bei der diesjährigen Wahl in Breslau der Rath und
die Gemeinde gegen den Sentenzbrief verstoßen hätten, nach welchem Christoph
Rindfleisch "ohne mäuniglichs Widerspruch zu allen ehrlichen, redlichen Sachen,
Aemtern und Ständen würdig und tüchtig sei" und daß der, der sich dem
entgegenhielte mit Worten oder Werken, "ohne alle Gnade und unablüßlich
hundert Mark feinen Silbers zur Pön verfallen sein" solle, und er setzte es
wirklich durch, daß der König die Strafe anf die Breslauer als verfallen erklärte
und daß er sie ihm -- dem Herzog, -- wer weiß für welche früheren Gefällig¬
keiten, schenkte. Schon 1507, Sonntag nach Nativitatis Mariä ergeht ein
Königliches Schreiben ernsten Inhaltes an die Breslauer: "es befremdet Uns
euer eigenwilliges und freventliches Benehmen, vormals wider Unsern Spruch
Und jetzt in dieser VerHaltung gethan. Unsere ernste Meinung und Befehl ist,
daß ihr auch hinfiir mit obgedachten Fürsten, dem Wir solche verfallene Pön
willig und aus Gnaden an feinen treuen Dienst gegeben haben, ihn auch dabei
behalten wollen, von Angesicht dieser Kommission uno erzog endlich verträget.
Wo dem nicht also geschehen würde, müssten Wir solche eure Verachtung zu
Gemüthe nehmen und Uns gegen euch erzeigen, daß ihr merken möget, daß
Wir des Unbilligen von euch wollen vertragen sein." Aber dieser Ernst des
Königs hatte noch lange nicht die Wirkung, daß die Breslauer zahlten. Ihre
reich mit Geldmitteln versehenen Syndiki und Gesandten setzten bald genug
durch, daß der König die erste Entscheidung aufhob, um nochmals die Sache
zu prüfen "Wir wollen der Sachen euch Selbst für Uns einen Tag erlegen,
und wenn ihr darum ermahnet werdet, erscheinet und kein Andres thut.
Desgleichen wir dem andern Theil geschrieben." -- Das war aber wieder
nicht nach den: Sinn des Herzogs, der immer drängend die Breslauer sobald
als möglich in's Unrecht setzen wollte, um dann mit Selbsthülfe "Nahme",
"Brand" und "Bestrickung" die verfallene Pön mit Wucherzinsen einzubringen.
Er draug wenigstens darauf, daß der König auf dem nächsten Fürstentage,
dein er Michaelis 1509 in Breslau persönlich beiwohnen wollte, die Sache
zum Austrage zu bringen versprach, und nun ergingen Vorladungen in aller
Form Rechtens an den Rath und die ganze Bürgerschaft.

.Auf solchen Fürstenlager konnten die ungelehrten Rathsherren und Schöffen,
die ihre Weisheit durch die Praxis gelernt, auch wohl fleißig in der Stadt


liebe Befehle, wenn morgen der Widerpart das gerade Entgegengesetzte bei Hofe
durchbrachte!

Da faß zu Münsterberg der Herzog Bartholomäus, „ein wohl beredter
und guter Hofmann, aber ein ungerechter, verwegener, unruhiger Fürst", der
Freund der Kauffuuger, der Pfleger und Behauser der Reiter, der geborene
Feind Breslaus, Georg Podiebrad's Enkel, der ließ dem Könige vortragen,
daß durch den Vorgang bei der diesjährigen Wahl in Breslau der Rath und
die Gemeinde gegen den Sentenzbrief verstoßen hätten, nach welchem Christoph
Rindfleisch „ohne mäuniglichs Widerspruch zu allen ehrlichen, redlichen Sachen,
Aemtern und Ständen würdig und tüchtig sei" und daß der, der sich dem
entgegenhielte mit Worten oder Werken, „ohne alle Gnade und unablüßlich
hundert Mark feinen Silbers zur Pön verfallen sein" solle, und er setzte es
wirklich durch, daß der König die Strafe anf die Breslauer als verfallen erklärte
und daß er sie ihm — dem Herzog, — wer weiß für welche früheren Gefällig¬
keiten, schenkte. Schon 1507, Sonntag nach Nativitatis Mariä ergeht ein
Königliches Schreiben ernsten Inhaltes an die Breslauer: „es befremdet Uns
euer eigenwilliges und freventliches Benehmen, vormals wider Unsern Spruch
Und jetzt in dieser VerHaltung gethan. Unsere ernste Meinung und Befehl ist,
daß ihr auch hinfiir mit obgedachten Fürsten, dem Wir solche verfallene Pön
willig und aus Gnaden an feinen treuen Dienst gegeben haben, ihn auch dabei
behalten wollen, von Angesicht dieser Kommission uno erzog endlich verträget.
Wo dem nicht also geschehen würde, müssten Wir solche eure Verachtung zu
Gemüthe nehmen und Uns gegen euch erzeigen, daß ihr merken möget, daß
Wir des Unbilligen von euch wollen vertragen sein." Aber dieser Ernst des
Königs hatte noch lange nicht die Wirkung, daß die Breslauer zahlten. Ihre
reich mit Geldmitteln versehenen Syndiki und Gesandten setzten bald genug
durch, daß der König die erste Entscheidung aufhob, um nochmals die Sache
zu prüfen „Wir wollen der Sachen euch Selbst für Uns einen Tag erlegen,
und wenn ihr darum ermahnet werdet, erscheinet und kein Andres thut.
Desgleichen wir dem andern Theil geschrieben." — Das war aber wieder
nicht nach den: Sinn des Herzogs, der immer drängend die Breslauer sobald
als möglich in's Unrecht setzen wollte, um dann mit Selbsthülfe „Nahme",
„Brand" und „Bestrickung" die verfallene Pön mit Wucherzinsen einzubringen.
Er draug wenigstens darauf, daß der König auf dem nächsten Fürstentage,
dein er Michaelis 1509 in Breslau persönlich beiwohnen wollte, die Sache
zum Austrage zu bringen versprach, und nun ergingen Vorladungen in aller
Form Rechtens an den Rath und die ganze Bürgerschaft.

.Auf solchen Fürstenlager konnten die ungelehrten Rathsherren und Schöffen,
die ihre Weisheit durch die Praxis gelernt, auch wohl fleißig in der Stadt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/134>, abgerufen am 25.08.2024.