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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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bleiben und zwar auch dann noch bleiben, als dieser Sache wegen arge
Schädigung und langes Aergerniß über die Stadt gekommen war, schließt den
Gedanken aus, daß er auch diesmal die Hülfe des ohnmächtigen Königs an¬
gerufen, daß er überhaupt etwas Feindseliges gegen die Stadt unternommen
habe; das würde man ihm und den Seinen in den nachfolgenden Wirren sicher
haben entgelten lassen. Freilich wunderbar genug bleibt es, daß seine eigenen
Standesgenossen ihm die unerhörte Kränkung zufügten und er dennoch in der
geachteten und freundschaftlichen Stellung zu ihnen bleibt. War doch unter
den Schöffen, die ihm den Platz verweigerten, Alexius Bänke selbst, sein lang¬
jähriger Gesellschafter und Freund, noch in demselben Jahre von ihm testa¬
mentarisch zur Vormundschaft über seine Kinder berufen, und gleicher Weise
ernennt dieser ihn zum Vormund und Seelenwärter. Dann waren zwei Hornig
unter den Schöffen, Verwandte, und zwei Utmcmn, Freunde des Hauses.

Herr Christoph Rindfleisch hatte sein Testament gemacht "wohlgesnnden
Leibes und guter Vernunft mit fleißiger Betrachtung ansehend dieser Welt Un-
fertigkeit und dieser erschrecklichen Zeit Unsicherheit unsers Lebens, der Plagen
Gottes", zwar blieb er noch verschont in dem großen Sterben, das im Spät¬
jahr 1507 die Stadt heimsuchte, aber doch bald nachher, gebrochen dnrch der
letzten Jahre Bitterkeiten, legte er sich auf sein letztes Krankenlager. Drei
Söhne und sechs Töchter umstanden dasselbe und wenn er der letzteren Freier
ahnend vorausgesehen hätte, Männer wie Sebastian Moran, Doktor Heinrich
Ribisch, Siegmund Pucher, Hieronymus Mmann, Stenzel Reichel, dann Hütte
^ den Trost mit ins Grab genommen, daß das Breslauer Patriziat des alten
Hans Rindfleisch That den Enkeln nicht mehr zur Unehre anrechnete.

"Anno 1508 ist der Ehrbare Christof Ryntfleisch gestorben am Dinstage
"ach Elizabet", so lesen wir auf dem Denkmal in der Elisabethkirche. Gönnen
mir ihm die Ruhe. -- Sicherlich war er unschuldig an dem weiteren "Unrath", der
durch die unglückliche Schöffenwahl 1507 für Breslau heraufbeschworen wurde.

Die "Reiter" trieben ihr Unwesen ärger denn je in unserem Vaterlande.
Zwar hatte auf bewegliches Werben Breslaus der König hundert Husaren der
Stadt überwiese" "zur Beschirmung der Lande und Straßen, wie und wenn
Man sie dazu bedürfen wird" und dem Rathe hatte er volle Macht gegeben,
"durch alle Unsre Lande, sonderlich in Schlesien, dieselbigen Lotter, Diebe,
Räuber und Landesbeschüdiger, desgleichen ihre Förderer, Aufnehmer und Be-
hanser zu jagen, nachzufolgen, zu fahen und ohne männiglichs Irrung und
Hinderniß zu Rechtfertigung und verschuldeter Straf und Pön zu bringen,
ihre Behausungen, Festen, Werke, Dörfer und Schlösser zu stürmen, zu'ge¬
Minnen und zu Unseren Händen einzunehmen", aber was halfen solche kvnig-


Grenzlwten IV. 1677. Z7

bleiben und zwar auch dann noch bleiben, als dieser Sache wegen arge
Schädigung und langes Aergerniß über die Stadt gekommen war, schließt den
Gedanken aus, daß er auch diesmal die Hülfe des ohnmächtigen Königs an¬
gerufen, daß er überhaupt etwas Feindseliges gegen die Stadt unternommen
habe; das würde man ihm und den Seinen in den nachfolgenden Wirren sicher
haben entgelten lassen. Freilich wunderbar genug bleibt es, daß seine eigenen
Standesgenossen ihm die unerhörte Kränkung zufügten und er dennoch in der
geachteten und freundschaftlichen Stellung zu ihnen bleibt. War doch unter
den Schöffen, die ihm den Platz verweigerten, Alexius Bänke selbst, sein lang¬
jähriger Gesellschafter und Freund, noch in demselben Jahre von ihm testa¬
mentarisch zur Vormundschaft über seine Kinder berufen, und gleicher Weise
ernennt dieser ihn zum Vormund und Seelenwärter. Dann waren zwei Hornig
unter den Schöffen, Verwandte, und zwei Utmcmn, Freunde des Hauses.

Herr Christoph Rindfleisch hatte sein Testament gemacht „wohlgesnnden
Leibes und guter Vernunft mit fleißiger Betrachtung ansehend dieser Welt Un-
fertigkeit und dieser erschrecklichen Zeit Unsicherheit unsers Lebens, der Plagen
Gottes", zwar blieb er noch verschont in dem großen Sterben, das im Spät¬
jahr 1507 die Stadt heimsuchte, aber doch bald nachher, gebrochen dnrch der
letzten Jahre Bitterkeiten, legte er sich auf sein letztes Krankenlager. Drei
Söhne und sechs Töchter umstanden dasselbe und wenn er der letzteren Freier
ahnend vorausgesehen hätte, Männer wie Sebastian Moran, Doktor Heinrich
Ribisch, Siegmund Pucher, Hieronymus Mmann, Stenzel Reichel, dann Hütte
^ den Trost mit ins Grab genommen, daß das Breslauer Patriziat des alten
Hans Rindfleisch That den Enkeln nicht mehr zur Unehre anrechnete.

„Anno 1508 ist der Ehrbare Christof Ryntfleisch gestorben am Dinstage
"ach Elizabet", so lesen wir auf dem Denkmal in der Elisabethkirche. Gönnen
mir ihm die Ruhe. — Sicherlich war er unschuldig an dem weiteren „Unrath", der
durch die unglückliche Schöffenwahl 1507 für Breslau heraufbeschworen wurde.

Die „Reiter" trieben ihr Unwesen ärger denn je in unserem Vaterlande.
Zwar hatte auf bewegliches Werben Breslaus der König hundert Husaren der
Stadt überwiese» „zur Beschirmung der Lande und Straßen, wie und wenn
Man sie dazu bedürfen wird" und dem Rathe hatte er volle Macht gegeben,
"durch alle Unsre Lande, sonderlich in Schlesien, dieselbigen Lotter, Diebe,
Räuber und Landesbeschüdiger, desgleichen ihre Förderer, Aufnehmer und Be-
hanser zu jagen, nachzufolgen, zu fahen und ohne männiglichs Irrung und
Hinderniß zu Rechtfertigung und verschuldeter Straf und Pön zu bringen,
ihre Behausungen, Festen, Werke, Dörfer und Schlösser zu stürmen, zu'ge¬
Minnen und zu Unseren Händen einzunehmen", aber was halfen solche kvnig-


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[0133] bleiben und zwar auch dann noch bleiben, als dieser Sache wegen arge Schädigung und langes Aergerniß über die Stadt gekommen war, schließt den Gedanken aus, daß er auch diesmal die Hülfe des ohnmächtigen Königs an¬ gerufen, daß er überhaupt etwas Feindseliges gegen die Stadt unternommen habe; das würde man ihm und den Seinen in den nachfolgenden Wirren sicher haben entgelten lassen. Freilich wunderbar genug bleibt es, daß seine eigenen Standesgenossen ihm die unerhörte Kränkung zufügten und er dennoch in der geachteten und freundschaftlichen Stellung zu ihnen bleibt. War doch unter den Schöffen, die ihm den Platz verweigerten, Alexius Bänke selbst, sein lang¬ jähriger Gesellschafter und Freund, noch in demselben Jahre von ihm testa¬ mentarisch zur Vormundschaft über seine Kinder berufen, und gleicher Weise ernennt dieser ihn zum Vormund und Seelenwärter. Dann waren zwei Hornig unter den Schöffen, Verwandte, und zwei Utmcmn, Freunde des Hauses. Herr Christoph Rindfleisch hatte sein Testament gemacht „wohlgesnnden Leibes und guter Vernunft mit fleißiger Betrachtung ansehend dieser Welt Un- fertigkeit und dieser erschrecklichen Zeit Unsicherheit unsers Lebens, der Plagen Gottes", zwar blieb er noch verschont in dem großen Sterben, das im Spät¬ jahr 1507 die Stadt heimsuchte, aber doch bald nachher, gebrochen dnrch der letzten Jahre Bitterkeiten, legte er sich auf sein letztes Krankenlager. Drei Söhne und sechs Töchter umstanden dasselbe und wenn er der letzteren Freier ahnend vorausgesehen hätte, Männer wie Sebastian Moran, Doktor Heinrich Ribisch, Siegmund Pucher, Hieronymus Mmann, Stenzel Reichel, dann Hütte ^ den Trost mit ins Grab genommen, daß das Breslauer Patriziat des alten Hans Rindfleisch That den Enkeln nicht mehr zur Unehre anrechnete. „Anno 1508 ist der Ehrbare Christof Ryntfleisch gestorben am Dinstage "ach Elizabet", so lesen wir auf dem Denkmal in der Elisabethkirche. Gönnen mir ihm die Ruhe. — Sicherlich war er unschuldig an dem weiteren „Unrath", der durch die unglückliche Schöffenwahl 1507 für Breslau heraufbeschworen wurde. Die „Reiter" trieben ihr Unwesen ärger denn je in unserem Vaterlande. Zwar hatte auf bewegliches Werben Breslaus der König hundert Husaren der Stadt überwiese» „zur Beschirmung der Lande und Straßen, wie und wenn Man sie dazu bedürfen wird" und dem Rathe hatte er volle Macht gegeben, "durch alle Unsre Lande, sonderlich in Schlesien, dieselbigen Lotter, Diebe, Räuber und Landesbeschüdiger, desgleichen ihre Förderer, Aufnehmer und Be- hanser zu jagen, nachzufolgen, zu fahen und ohne männiglichs Irrung und Hinderniß zu Rechtfertigung und verschuldeter Straf und Pön zu bringen, ihre Behausungen, Festen, Werke, Dörfer und Schlösser zu stürmen, zu'ge¬ Minnen und zu Unseren Händen einzunehmen", aber was halfen solche kvnig- Grenzlwten IV. 1677. Z7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/133>, abgerufen am 25.08.2024.