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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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dem Bestand der französischen Republik eine Gefahr für die monarchischen In¬
stitutionen überhaupt und suchte dieser Ansicht, mit Umgehung der ihm vorge¬
setzten Behörde, des Reichskanzleramtes, in unmittelbaren Eingaben beim Kaiser
Eingang zu verschaffen, nicht ganz ohne Erfolg. Diese --- allerdings nur ganz
vorübergehenden -- Erfolge seiner Jmmediatberichte an den Monarchen mögen
den Grasen Arnim verlockt haben, noch einen Schritt weiter zu gehen und hie
und da Winke fallen zu kniffen, als ob die monarchischen Parteien Frankreichs
auf die Unterstützung des deutschen Reiches, dessen Heere damals noch in
Frankreich standen, zählen könnten. Die Censur, welche der deutsche Botschafter
für diese Stilübungen einstecken mußte, liegt uns vor in der wundervollen
Depesche Bismarcks aus Berlin vom 20. Dezvr. 1872, welche in so klarer
Weise die Gefahr eines bündnißfähigen monarchischen Frankreichs für Deutsch¬
land darlegt und -- wie für unsere Tage geschrieben -- gerade heraus erklärt:
"Diese meine Ueberzeugung macht es mir unmöglich, Se. Maj. dem Könige
zu einer Aufmunterung der monarchischen Möchten in Frankreich zu rathen,
welche zugleich eine Kräftigung des uns feindlichen ultramontanen Elements
involviren würde." Eine weitere Abwehr dieser gelegentlich auch in Form
von Hofintriguen gekleideten Uebergriffe des Botschafters enthält jenes mann¬
hafte Schreiben Bismarcks an den Kaiser, ans Varzin vom 14. April 1873,
in welchem mit der vollen Offenheit, die der deutsche Kanzler immer und Allen
gegenüber übt, gesagt ist: "Der Schritt des Grafen Armin" -- eine direkte
Beschwerde beim Kaiser über Bismarck -- "zu dem er von Berlin aus
ermuthigt worden und der dort schon in der vorigen Woche erwartet
wurde, läßt mir keine Wahl mehr. Ew. Maj. wollen sich huldreichst erinnern,
daß ich von dem Versuch sprach, die Gefahren, die Arnims Charakter in Paris
bedingt, durch eine Versetzung nach London abzuschwächen, daß aber von dort
aus bei der ersten Anfühlung der heftigste Protest wegen der Neigung Arnims
zur Intrigue und zur Unwahrheit eingelegt wurde: "man würde kein Wort
glauben, was er sagen könnte." Gegen die Anklagen eines Mannes von diesem
Rufe" ging die Bitte Bismarcks "zunächst nur dahin" der Kaiser möge Arnim
anweisen "seine dienstliche Beschwerde auf dienstlichen Wege einzureichen."
Vorher schon war das schöne Wort von Bismarck geschrieben: "So gern ich
Ew. Maj. Dienst auch den Rest meiner Kräfte noch widme, so kann ich mir
doch auch nicht verhehlen, daß derselbe sehr schnell verbraucht sein wird, wenn
ich unter dem schmerzlichen Gefühle leide, mit einem Manne wie Graf Arnim
um Ew. Maj. Vertrauen ringen zu sollen, nachdem ich dasselbe so lange Jahre
ungeschmälert besessen und meines Wissens niemals getäuscht habe."

Während also auf diesen Schleichwegen dem Botschafter nicht viel Glück
erblühte, hatte er auch bei den Versuchen, gegen seine Instruktionen selbständige


dem Bestand der französischen Republik eine Gefahr für die monarchischen In¬
stitutionen überhaupt und suchte dieser Ansicht, mit Umgehung der ihm vorge¬
setzten Behörde, des Reichskanzleramtes, in unmittelbaren Eingaben beim Kaiser
Eingang zu verschaffen, nicht ganz ohne Erfolg. Diese —- allerdings nur ganz
vorübergehenden — Erfolge seiner Jmmediatberichte an den Monarchen mögen
den Grasen Arnim verlockt haben, noch einen Schritt weiter zu gehen und hie
und da Winke fallen zu kniffen, als ob die monarchischen Parteien Frankreichs
auf die Unterstützung des deutschen Reiches, dessen Heere damals noch in
Frankreich standen, zählen könnten. Die Censur, welche der deutsche Botschafter
für diese Stilübungen einstecken mußte, liegt uns vor in der wundervollen
Depesche Bismarcks aus Berlin vom 20. Dezvr. 1872, welche in so klarer
Weise die Gefahr eines bündnißfähigen monarchischen Frankreichs für Deutsch¬
land darlegt und — wie für unsere Tage geschrieben — gerade heraus erklärt:
„Diese meine Ueberzeugung macht es mir unmöglich, Se. Maj. dem Könige
zu einer Aufmunterung der monarchischen Möchten in Frankreich zu rathen,
welche zugleich eine Kräftigung des uns feindlichen ultramontanen Elements
involviren würde." Eine weitere Abwehr dieser gelegentlich auch in Form
von Hofintriguen gekleideten Uebergriffe des Botschafters enthält jenes mann¬
hafte Schreiben Bismarcks an den Kaiser, ans Varzin vom 14. April 1873,
in welchem mit der vollen Offenheit, die der deutsche Kanzler immer und Allen
gegenüber übt, gesagt ist: „Der Schritt des Grafen Armin" — eine direkte
Beschwerde beim Kaiser über Bismarck — „zu dem er von Berlin aus
ermuthigt worden und der dort schon in der vorigen Woche erwartet
wurde, läßt mir keine Wahl mehr. Ew. Maj. wollen sich huldreichst erinnern,
daß ich von dem Versuch sprach, die Gefahren, die Arnims Charakter in Paris
bedingt, durch eine Versetzung nach London abzuschwächen, daß aber von dort
aus bei der ersten Anfühlung der heftigste Protest wegen der Neigung Arnims
zur Intrigue und zur Unwahrheit eingelegt wurde: „man würde kein Wort
glauben, was er sagen könnte." Gegen die Anklagen eines Mannes von diesem
Rufe" ging die Bitte Bismarcks „zunächst nur dahin" der Kaiser möge Arnim
anweisen „seine dienstliche Beschwerde auf dienstlichen Wege einzureichen."
Vorher schon war das schöne Wort von Bismarck geschrieben: „So gern ich
Ew. Maj. Dienst auch den Rest meiner Kräfte noch widme, so kann ich mir
doch auch nicht verhehlen, daß derselbe sehr schnell verbraucht sein wird, wenn
ich unter dem schmerzlichen Gefühle leide, mit einem Manne wie Graf Arnim
um Ew. Maj. Vertrauen ringen zu sollen, nachdem ich dasselbe so lange Jahre
ungeschmälert besessen und meines Wissens niemals getäuscht habe."

Während also auf diesen Schleichwegen dem Botschafter nicht viel Glück
erblühte, hatte er auch bei den Versuchen, gegen seine Instruktionen selbständige


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/116>, abgerufen am 22.07.2024.