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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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die Arbeit. Schon die Erkenntnisse, die in der Disziplinaruntersuchung
gegen den früheren Pariser Botschafter in den verschiedenen Instanzen er¬
gingen und auf Dienstentsetzung, auf Aberkennung seines Titels, Gehaltes
und Pensionsanspruchs lauteten, waren -- im Gegensatz zu den Erkennt¬
nissen im ersten Strafprozeß wider Arnim -- in allen Instanzen konform,
wobei bekanntlich die letzte Entscheidung von dem höchsten und unabhängigsten
deutschen Gerichtshof., dem kaiserlichen obersten Disziplinargericht zu Leipzig
erging. Dieselbe Gleichmäßigkeit zum Nachtheil des Angeklagten lieferten die
Entscheidungen in der zweiten Strafanklage gegen Arnim. Der preußische
Staatsgerichtshvf und das preußische Obertribunal, das ein Waldeck anch in
den schwersten Tagen des Konfliktes für fo unabhängig und über jedem Zweifel
so erhaben hielt, daß er seine Mitgliedschaft bei demselben behauptete, verur¬
teilten den Grafen Arnim übereinstimmend zu langjähriger Zuchthausstrafe,
nahmen also übereinstimmend an, daß fein Verhalten, wie das deutsche Straf¬
gesetzbuch so treffend fagt, aus "ehrloser Gesinnung hervorgegangen" sei.

Ein harter Spruch gleichwohl, ein Spruch, deu Tausende, welche durch
irgend welche Einflüsse über den wahren Sachverhalt schief oder ungenügend
unterrichtet find, für zu hart halten mögen.

Aber es ist das besondere Verdienst der vorliegenden Schrift, in gleichem
Maße Klarheit zu geben über die thatsächlichen Vorgänge, welche zu diesem
Spruche führten, wie über die rechtlichen Gesichtspunkte, welche nur diese Ent¬
scheidung und keine andere zuließen.

Als Graf Arnim seinen hohen Posten in Paris antrat, waren die Wer
Hältnisse, die dort einen Vertreter der deutschen Nation erwarteten, schwieriger
als je zuvor. Die Franzosen, dnrch eine Reihe entscheidender Niederlagen von
der durch Jahrhunderte behaupteten maßgebenden Stellung in Europa herab¬
geworfen, waren gegen Deutschland mit dem grimmigsten Hasse erfüllt und
erwarteten mit Ungeduld die Stunde der Wiedervergeltung. Ihnen gegenüber
galt es vor Allem: den kaum gewonnenen Frieden aufrecht zu erhalten, die Be¬
dingungen des Frankfurter Friedensvertrages entschieden zur Ausführung zu
bringen. Die Regierung des Präsidenten Thiers zeigte hierfür ebenso auf¬
richtigen Willen, als staatsmännisches Geschick. Dem deutschen Botschafter in
Paris wurde daher in allen Instruktionen anbefohlen, diese Regierung in jeder
Weise zu unterstützen, alle Schritte derselben Regierung, welche zur raschen
Ausführung der Frankfurter Friedensbedingungen führten, zu fördern. Keine
dieser Instruktionen befolgte Graf Arnim, da er sich eine weit bessere und
höhere Einsicht in die politischen Verhältnisse zutraute, als seinem Vorgesetzten.
Er schlug in den beiden ihm vorgezeichneten Richtungen andere Wege ein, als
diejenigen, welche Fürst Bismarck ihm angegeben. Graf Arnim erblickte in


die Arbeit. Schon die Erkenntnisse, die in der Disziplinaruntersuchung
gegen den früheren Pariser Botschafter in den verschiedenen Instanzen er¬
gingen und auf Dienstentsetzung, auf Aberkennung seines Titels, Gehaltes
und Pensionsanspruchs lauteten, waren — im Gegensatz zu den Erkennt¬
nissen im ersten Strafprozeß wider Arnim — in allen Instanzen konform,
wobei bekanntlich die letzte Entscheidung von dem höchsten und unabhängigsten
deutschen Gerichtshof., dem kaiserlichen obersten Disziplinargericht zu Leipzig
erging. Dieselbe Gleichmäßigkeit zum Nachtheil des Angeklagten lieferten die
Entscheidungen in der zweiten Strafanklage gegen Arnim. Der preußische
Staatsgerichtshvf und das preußische Obertribunal, das ein Waldeck anch in
den schwersten Tagen des Konfliktes für fo unabhängig und über jedem Zweifel
so erhaben hielt, daß er seine Mitgliedschaft bei demselben behauptete, verur¬
teilten den Grafen Arnim übereinstimmend zu langjähriger Zuchthausstrafe,
nahmen also übereinstimmend an, daß fein Verhalten, wie das deutsche Straf¬
gesetzbuch so treffend fagt, aus „ehrloser Gesinnung hervorgegangen" sei.

Ein harter Spruch gleichwohl, ein Spruch, deu Tausende, welche durch
irgend welche Einflüsse über den wahren Sachverhalt schief oder ungenügend
unterrichtet find, für zu hart halten mögen.

Aber es ist das besondere Verdienst der vorliegenden Schrift, in gleichem
Maße Klarheit zu geben über die thatsächlichen Vorgänge, welche zu diesem
Spruche führten, wie über die rechtlichen Gesichtspunkte, welche nur diese Ent¬
scheidung und keine andere zuließen.

Als Graf Arnim seinen hohen Posten in Paris antrat, waren die Wer
Hältnisse, die dort einen Vertreter der deutschen Nation erwarteten, schwieriger
als je zuvor. Die Franzosen, dnrch eine Reihe entscheidender Niederlagen von
der durch Jahrhunderte behaupteten maßgebenden Stellung in Europa herab¬
geworfen, waren gegen Deutschland mit dem grimmigsten Hasse erfüllt und
erwarteten mit Ungeduld die Stunde der Wiedervergeltung. Ihnen gegenüber
galt es vor Allem: den kaum gewonnenen Frieden aufrecht zu erhalten, die Be¬
dingungen des Frankfurter Friedensvertrages entschieden zur Ausführung zu
bringen. Die Regierung des Präsidenten Thiers zeigte hierfür ebenso auf¬
richtigen Willen, als staatsmännisches Geschick. Dem deutschen Botschafter in
Paris wurde daher in allen Instruktionen anbefohlen, diese Regierung in jeder
Weise zu unterstützen, alle Schritte derselben Regierung, welche zur raschen
Ausführung der Frankfurter Friedensbedingungen führten, zu fördern. Keine
dieser Instruktionen befolgte Graf Arnim, da er sich eine weit bessere und
höhere Einsicht in die politischen Verhältnisse zutraute, als seinem Vorgesetzten.
Er schlug in den beiden ihm vorgezeichneten Richtungen andere Wege ein, als
diejenigen, welche Fürst Bismarck ihm angegeben. Graf Arnim erblickte in


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[0115] die Arbeit. Schon die Erkenntnisse, die in der Disziplinaruntersuchung gegen den früheren Pariser Botschafter in den verschiedenen Instanzen er¬ gingen und auf Dienstentsetzung, auf Aberkennung seines Titels, Gehaltes und Pensionsanspruchs lauteten, waren — im Gegensatz zu den Erkennt¬ nissen im ersten Strafprozeß wider Arnim — in allen Instanzen konform, wobei bekanntlich die letzte Entscheidung von dem höchsten und unabhängigsten deutschen Gerichtshof., dem kaiserlichen obersten Disziplinargericht zu Leipzig erging. Dieselbe Gleichmäßigkeit zum Nachtheil des Angeklagten lieferten die Entscheidungen in der zweiten Strafanklage gegen Arnim. Der preußische Staatsgerichtshvf und das preußische Obertribunal, das ein Waldeck anch in den schwersten Tagen des Konfliktes für fo unabhängig und über jedem Zweifel so erhaben hielt, daß er seine Mitgliedschaft bei demselben behauptete, verur¬ teilten den Grafen Arnim übereinstimmend zu langjähriger Zuchthausstrafe, nahmen also übereinstimmend an, daß fein Verhalten, wie das deutsche Straf¬ gesetzbuch so treffend fagt, aus „ehrloser Gesinnung hervorgegangen" sei. Ein harter Spruch gleichwohl, ein Spruch, deu Tausende, welche durch irgend welche Einflüsse über den wahren Sachverhalt schief oder ungenügend unterrichtet find, für zu hart halten mögen. Aber es ist das besondere Verdienst der vorliegenden Schrift, in gleichem Maße Klarheit zu geben über die thatsächlichen Vorgänge, welche zu diesem Spruche führten, wie über die rechtlichen Gesichtspunkte, welche nur diese Ent¬ scheidung und keine andere zuließen. Als Graf Arnim seinen hohen Posten in Paris antrat, waren die Wer Hältnisse, die dort einen Vertreter der deutschen Nation erwarteten, schwieriger als je zuvor. Die Franzosen, dnrch eine Reihe entscheidender Niederlagen von der durch Jahrhunderte behaupteten maßgebenden Stellung in Europa herab¬ geworfen, waren gegen Deutschland mit dem grimmigsten Hasse erfüllt und erwarteten mit Ungeduld die Stunde der Wiedervergeltung. Ihnen gegenüber galt es vor Allem: den kaum gewonnenen Frieden aufrecht zu erhalten, die Be¬ dingungen des Frankfurter Friedensvertrages entschieden zur Ausführung zu bringen. Die Regierung des Präsidenten Thiers zeigte hierfür ebenso auf¬ richtigen Willen, als staatsmännisches Geschick. Dem deutschen Botschafter in Paris wurde daher in allen Instruktionen anbefohlen, diese Regierung in jeder Weise zu unterstützen, alle Schritte derselben Regierung, welche zur raschen Ausführung der Frankfurter Friedensbedingungen führten, zu fördern. Keine dieser Instruktionen befolgte Graf Arnim, da er sich eine weit bessere und höhere Einsicht in die politischen Verhältnisse zutraute, als seinem Vorgesetzten. Er schlug in den beiden ihm vorgezeichneten Richtungen andere Wege ein, als diejenigen, welche Fürst Bismarck ihm angegeben. Graf Arnim erblickte in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/115>, abgerufen am 22.07.2024.