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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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gelber auch im Verhältniß zu den andern Fürstenthümern nicht hinreichten, die
annis- und trankstenerbaren Viktucilien zu vergüten, während sie sonst mit keiner
Steuer beschwert seien und die Abgaben ja "blos auf Bürgern und Bauern"
hafteten. Man sieht recht deutlich, wie dem Herzoge die Vorstellung von dem
Wesen der Landstaudschaft ganz abhanden gekommen war. Denn, wenn diese
auch nicht die bürgerlichen Rechte vertrat, so vertrat sie doch jedenfalls
ihre bäuerlichen Hintersassen. Diese aber schrieen aus Noth zum Himmel.
Man hatte wiederholt schon dem Herzog vorgerechnet, daß dem Bauern, nach
Abzug der enormen Steuern, nur siebzehn Gulden Reinertrag von einer Hufe
übrig blieben. Der Bauer lief davon oder bezahlte nicht und verfiel, wie die
Stände sagten, gar auf das desperate Mittel, sich der Exekution zu widersetzen.
Da die Stände "von einem unruhigen ausländischen geldschneidenden Advokaten
angesetzt worden seien", so befahl der Herzog gleichzeitig, daß in einen: an
den Kurfürsten zu Mainz zu richtende" Schreiben die "schlechte Conduite
Heilmanns abgemalt und seine Bestrafung, womöglich seine Auslieferung nach
Weimar erbeten werde." --

Das unterblieb nun freilich alles, da die "Aufständischen" durchaus im
Sinne der in Weimar lagerten Vasallen gehandelt hatten, ja unter diesen
^lbst einige der Ruhestörer waren. Vielmehr erinnerten die treuen Stunde
den Herzog energisch an sein 1732 gegebenes Versprechen, einen allgemeinen
Landtag einberufen zu wollen, den er in der Regel mit "Kürze der Zeit" zu
^schuldigen wußte. Sie schlugen daher auch den Kasernenban ab, der die
Hälfte einer einjährigen Landeseinnahme verschlingen werde, wenigstens so
^"ge, als bis sich das Land wenigstens "etwas" erholt habe.

Nun kamen aber die Forderungen des kaiserlichen Hofes für das von
Weimar trotz feiner Militärmacht nicht in Natura gestellte Kontingent im
^anzösischen Kriege; auch standen die Forderungen für fünfzig Römermonate
"legen des Türkenkrieges anf der Tagesordnung, und in der weimarischen
Staatskasse waren bare vierhundert Gulden! Mit der Aufnahme von Kapi¬
talien wollte es nicht mehr gehen, im Gegentheil wurde massenhaft gekündigt,
""d dazu ein Defizit von 50,519 Thaler für das laufende Jahr! Was
half da der Vorschlag, aus den Steuern selbst eine Kreditkasse zu gründen?
^use August nahm das Geld ja doch, wo er es fand, und bei dem
Militairstande war überhaupt an Ersparnisse aus Steuererträgen nicht zu
denken. Der Herzog schlug zwar die Vorstellungen der Stunde nicht ab,
^sonders da sie ausdrücklich versicherten: "Wir wollen uns nicht im ge¬
kästen unterstehen, Ew. Hochsürstl. Durchl. einiges Ziel und Maaß vor¬
zuschreiben, fondern müssen Alles lediglich derv höchstem Gutbefinden und
weisesten Verfügung unterthüniglich überlasten." Wegen der Türkensteuer


Gttnzboten II. 1L77.

gelber auch im Verhältniß zu den andern Fürstenthümern nicht hinreichten, die
annis- und trankstenerbaren Viktucilien zu vergüten, während sie sonst mit keiner
Steuer beschwert seien und die Abgaben ja „blos auf Bürgern und Bauern"
hafteten. Man sieht recht deutlich, wie dem Herzoge die Vorstellung von dem
Wesen der Landstaudschaft ganz abhanden gekommen war. Denn, wenn diese
auch nicht die bürgerlichen Rechte vertrat, so vertrat sie doch jedenfalls
ihre bäuerlichen Hintersassen. Diese aber schrieen aus Noth zum Himmel.
Man hatte wiederholt schon dem Herzog vorgerechnet, daß dem Bauern, nach
Abzug der enormen Steuern, nur siebzehn Gulden Reinertrag von einer Hufe
übrig blieben. Der Bauer lief davon oder bezahlte nicht und verfiel, wie die
Stände sagten, gar auf das desperate Mittel, sich der Exekution zu widersetzen.
Da die Stände „von einem unruhigen ausländischen geldschneidenden Advokaten
angesetzt worden seien", so befahl der Herzog gleichzeitig, daß in einen: an
den Kurfürsten zu Mainz zu richtende« Schreiben die „schlechte Conduite
Heilmanns abgemalt und seine Bestrafung, womöglich seine Auslieferung nach
Weimar erbeten werde." —

Das unterblieb nun freilich alles, da die „Aufständischen" durchaus im
Sinne der in Weimar lagerten Vasallen gehandelt hatten, ja unter diesen
^lbst einige der Ruhestörer waren. Vielmehr erinnerten die treuen Stunde
den Herzog energisch an sein 1732 gegebenes Versprechen, einen allgemeinen
Landtag einberufen zu wollen, den er in der Regel mit „Kürze der Zeit" zu
^schuldigen wußte. Sie schlugen daher auch den Kasernenban ab, der die
Hälfte einer einjährigen Landeseinnahme verschlingen werde, wenigstens so
^"ge, als bis sich das Land wenigstens „etwas" erholt habe.

Nun kamen aber die Forderungen des kaiserlichen Hofes für das von
Weimar trotz feiner Militärmacht nicht in Natura gestellte Kontingent im
^anzösischen Kriege; auch standen die Forderungen für fünfzig Römermonate
"legen des Türkenkrieges anf der Tagesordnung, und in der weimarischen
Staatskasse waren bare vierhundert Gulden! Mit der Aufnahme von Kapi¬
talien wollte es nicht mehr gehen, im Gegentheil wurde massenhaft gekündigt,
""d dazu ein Defizit von 50,519 Thaler für das laufende Jahr! Was
half da der Vorschlag, aus den Steuern selbst eine Kreditkasse zu gründen?
^use August nahm das Geld ja doch, wo er es fand, und bei dem
Militairstande war überhaupt an Ersparnisse aus Steuererträgen nicht zu
denken. Der Herzog schlug zwar die Vorstellungen der Stunde nicht ab,
^sonders da sie ausdrücklich versicherten: „Wir wollen uns nicht im ge¬
kästen unterstehen, Ew. Hochsürstl. Durchl. einiges Ziel und Maaß vor¬
zuschreiben, fondern müssen Alles lediglich derv höchstem Gutbefinden und
weisesten Verfügung unterthüniglich überlasten." Wegen der Türkensteuer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/93>, abgerufen am 23.07.2024.