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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Im Mai 1737 endlich wurde ein neuer Landtag berufen. Die "noth¬
wendige Bekämpfung der Türken" bildete ein elegantes Motiv für neue
Forderungen. Der Herzog erklärte, ein schrecklicher Krieg stehe in Aussicht,
bei dem alle Billigkeit und Ehrbarkeit aufhören werde. Rückständige Besol¬
dung für den Gesandten des Regensburger Reichstages -- nur fünftausend
Thaler -- neben anderem, was den Herzog bewegte, hatte den Ausschußtag
nöthig gemacht. In ganz ungewöhnlicher Weise trat diesmal die Opposition
hervor. Ein Theil des Ausschusses hatte nämlich nach reiflicher Ueberlegung
einem auswärtigen Rechtsvertreter Namens Elias Friedrich Hellmann die
Abfassung einer Vorstellung übertragen, die in entschiedener Weise die UnHalt¬
barkeit der weimarscher Zustände in einer Jmmediateingabe nachwies. Zu
seinem Glücke wohnte Hellmann im nahen Erfurt. Unter weimarischer Bot¬
mäßigkeit wäre er, wenn nicht gehenkt, doch mindestens sofort auf unbestimmte
Zeit ins Zuchthaus gesendet worden, obwohl seine Ausführungen ganz objektiv
die Lage des Landes deshalb als eine traurige bezeichneten, weil seit mehr als
zwanzig Jahren kein ordentlicher Landtag gehalten, die Steuern infolge der
Militärlast unaufdringlich seien und im Widerspruch mit den Forderungen der
Landstände und der Kreise ständen, die gegenüber der allgemeinen politische"
Lage wesentlich zurückgegangen seien. Ernst August ließ den Dr. Hellmann
schriftlich bedeuten, "daß er in ungeziemenden und billig zu ahnenden Terminis
sogar gegen den Ausschußtag protestirt und der Name eines fremden und
illegitimen Advokaten zu einem solchen, wider den landes- und lehnsherrlichen
Respekt laufenden Bezeigen überhaupt nicht hinlänglich sei". Der Strafantrag
bei dessen Obrigkeit werde um so sicherer in Aussicht gestellt, als Ernst August
gar nicht glauben könne, daß seine Vasallen ein solches Mandat ertheilt
Hütten. Gleichzeitig kommunizirte der Herzog aber auch den Ständen im Ori¬
ginal "das unbefugte Schreiben des nichtsnutzigen Dr. Hellmann mavSawrio
nomine der unruhigen und gleichsam zur Rebellion geneigten Vasallen, die
er ja zum Theil Zeit seiner alleinigen Regierung mit Augen nie gesehen",
(natürlich, weil er sie nicht einberief) als einen Beweis der Verwegenheit und
Unbesonnenheit dieser Vasallen und der Mandatare. "Wie nun dies empörerische
Beginnen auf nichts anders abzielt, als unserer Landeshoheit und fürstlichen
Respekt Abbruch zu thun, uns gleichsam Neguln vorzuschreiben, wie Wir
unsere Regierung nach der "Fantaisie" dieser unruhigen Gemüther anstellen
sollen, so fordern wir eine gemeinsame Deliberation und Mittel und Wege
ausfindig zu machen, wie unsere landesherrliche Autorität gegen solch straf¬
bares Unternehmen manutiniret und die Friedensstörer zur pflichtmäßigen
Schuldigkeit gebracht werden können." Der Herzog wunderte sich um so mehr,
als die Vasallen selbst wenig von ihren Gütern abgaben, und die Präsent-


Im Mai 1737 endlich wurde ein neuer Landtag berufen. Die „noth¬
wendige Bekämpfung der Türken" bildete ein elegantes Motiv für neue
Forderungen. Der Herzog erklärte, ein schrecklicher Krieg stehe in Aussicht,
bei dem alle Billigkeit und Ehrbarkeit aufhören werde. Rückständige Besol¬
dung für den Gesandten des Regensburger Reichstages — nur fünftausend
Thaler — neben anderem, was den Herzog bewegte, hatte den Ausschußtag
nöthig gemacht. In ganz ungewöhnlicher Weise trat diesmal die Opposition
hervor. Ein Theil des Ausschusses hatte nämlich nach reiflicher Ueberlegung
einem auswärtigen Rechtsvertreter Namens Elias Friedrich Hellmann die
Abfassung einer Vorstellung übertragen, die in entschiedener Weise die UnHalt¬
barkeit der weimarscher Zustände in einer Jmmediateingabe nachwies. Zu
seinem Glücke wohnte Hellmann im nahen Erfurt. Unter weimarischer Bot¬
mäßigkeit wäre er, wenn nicht gehenkt, doch mindestens sofort auf unbestimmte
Zeit ins Zuchthaus gesendet worden, obwohl seine Ausführungen ganz objektiv
die Lage des Landes deshalb als eine traurige bezeichneten, weil seit mehr als
zwanzig Jahren kein ordentlicher Landtag gehalten, die Steuern infolge der
Militärlast unaufdringlich seien und im Widerspruch mit den Forderungen der
Landstände und der Kreise ständen, die gegenüber der allgemeinen politische»
Lage wesentlich zurückgegangen seien. Ernst August ließ den Dr. Hellmann
schriftlich bedeuten, „daß er in ungeziemenden und billig zu ahnenden Terminis
sogar gegen den Ausschußtag protestirt und der Name eines fremden und
illegitimen Advokaten zu einem solchen, wider den landes- und lehnsherrlichen
Respekt laufenden Bezeigen überhaupt nicht hinlänglich sei". Der Strafantrag
bei dessen Obrigkeit werde um so sicherer in Aussicht gestellt, als Ernst August
gar nicht glauben könne, daß seine Vasallen ein solches Mandat ertheilt
Hütten. Gleichzeitig kommunizirte der Herzog aber auch den Ständen im Ori¬
ginal „das unbefugte Schreiben des nichtsnutzigen Dr. Hellmann mavSawrio
nomine der unruhigen und gleichsam zur Rebellion geneigten Vasallen, die
er ja zum Theil Zeit seiner alleinigen Regierung mit Augen nie gesehen",
(natürlich, weil er sie nicht einberief) als einen Beweis der Verwegenheit und
Unbesonnenheit dieser Vasallen und der Mandatare. „Wie nun dies empörerische
Beginnen auf nichts anders abzielt, als unserer Landeshoheit und fürstlichen
Respekt Abbruch zu thun, uns gleichsam Neguln vorzuschreiben, wie Wir
unsere Regierung nach der „Fantaisie" dieser unruhigen Gemüther anstellen
sollen, so fordern wir eine gemeinsame Deliberation und Mittel und Wege
ausfindig zu machen, wie unsere landesherrliche Autorität gegen solch straf¬
bares Unternehmen manutiniret und die Friedensstörer zur pflichtmäßigen
Schuldigkeit gebracht werden können." Der Herzog wunderte sich um so mehr,
als die Vasallen selbst wenig von ihren Gütern abgaben, und die Präsent-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/92>, abgerufen am 23.07.2024.