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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Gott besiegt, den Herrn des Ostens und des Wrstens. Wir sind alle seine
Diener, wir müssen seine Einheit bekennen. Seine Einheit ist eine erhabene
Eigenschaft." Dann folgen einige Worte über die Kräfte des Salzes, und
hierauf fährt er fort: "Ich ze/ubere Dich frei vom Mädchenauge, das schärfer
ist als ein Nagel, vom Frauenauge, das schneidiger ist als ein Taschenmesser,
vom Knabeuange, das schmerzlicher als eine Peitsche, und vom Münnerauge,
das schärfer als ein Hackmesser ist." Sodann erzählt er, wie Suleiman (der
König Salomo, der den Orientalen bekanntlich ein Meister in der Zauberkunst
und Geisterbeherrschung ist) den bösen Blick seines Einflusses beraubt hat.
Hierauf nennt er alle Gegenstände, die der Käufer seiner Wundermixtur nach
seinem Vermuthen besitzen mag, und erklärt, daß sie durch seine Waare vor
allem Nachtheil geschützt sind. -- Das Mej'ah mubarakah wird nun von dem
Käufer ein ganzes Jahr laug aufbewahrt, und wenn man fürchtet, daß ein
Kind oder sonst jemand von der Familie von einem gefährlichen Blicke
getroffen werden könne, so wirft man eine Messerspitze davon auf ein
Becken mit glühenden Kohlen und beräucheri den Betreffenden mit dem auf¬
steigenden Rauche.

Andere Amulete gegen das neidische Auge sind Staub vom Grabe des
Propheten, Wasser aus dem heiligen Brunnen Sensen in Mekka und Stücke
von der Brokatdecke der Kaaba. Die Hausthiere sichert mau sich mit In¬
schriften wie "der vortreffliche Schöpfer ist der Ewige" gegen den Blick des
Neides. Kaufleute schützen die Waare in ihrem Laden, indem sie über dem
letzteren die Namen Gottes und Muhameds, das Glaubensbekenntniß des Is¬
lam oder irgend einen Koranspruch anbringen.

Wohlhabende Leute feiern in Aegypten ihre Hochzeiten theilweise auf der
Straße. Namentlich ist es Sitte, bei solchen Gelegenheiten des Abends Kron-
oder Armleuchter vor dem Hause des Bräutigams aufzuhängen. Ein schöner
Leuchter versammelt dann gewöhnlich eine Menge von Bewunderern um sich,
und weil das bewirken könnte, daß er herabfiele und zerbräche, pflegt man die
Aufmerksamkeit der Leute dadurch von ihm abzulenken, daß man von Zeit zu
Zeit einen Krug oder sonst ein Thongefäß auf die Straße wirft.

Sehr ungern läßt man Fremde zu seinen edlen Pferden, da sie dieselben
mit neidischen Blicken betrachten könnten. Eines Tages kam zu Laue, dem
wir bei diesen Beispielen des ägyptischen Aberglaubens vom "Naßr" folgen,
ein arabischer Freund und erzählte ihm, wie der Pascha sein Fleischmonopol
aufgegeben habe, so daß die Metzger fortan für eigne Rechnung schlachten
dürften. "Wahrhaft empörend aber ist es", fuhr er fort, "ganze schöne Schafe
mit Fettschwanz und allem Zubehör der Öffentlichkeit ausgesetzt zu sehen, so
daß jeder Bettler, der vorübergeht, neidische Blicke darauf werfen kann, und


Gott besiegt, den Herrn des Ostens und des Wrstens. Wir sind alle seine
Diener, wir müssen seine Einheit bekennen. Seine Einheit ist eine erhabene
Eigenschaft." Dann folgen einige Worte über die Kräfte des Salzes, und
hierauf fährt er fort: „Ich ze/ubere Dich frei vom Mädchenauge, das schärfer
ist als ein Nagel, vom Frauenauge, das schneidiger ist als ein Taschenmesser,
vom Knabeuange, das schmerzlicher als eine Peitsche, und vom Münnerauge,
das schärfer als ein Hackmesser ist." Sodann erzählt er, wie Suleiman (der
König Salomo, der den Orientalen bekanntlich ein Meister in der Zauberkunst
und Geisterbeherrschung ist) den bösen Blick seines Einflusses beraubt hat.
Hierauf nennt er alle Gegenstände, die der Käufer seiner Wundermixtur nach
seinem Vermuthen besitzen mag, und erklärt, daß sie durch seine Waare vor
allem Nachtheil geschützt sind. — Das Mej'ah mubarakah wird nun von dem
Käufer ein ganzes Jahr laug aufbewahrt, und wenn man fürchtet, daß ein
Kind oder sonst jemand von der Familie von einem gefährlichen Blicke
getroffen werden könne, so wirft man eine Messerspitze davon auf ein
Becken mit glühenden Kohlen und beräucheri den Betreffenden mit dem auf¬
steigenden Rauche.

Andere Amulete gegen das neidische Auge sind Staub vom Grabe des
Propheten, Wasser aus dem heiligen Brunnen Sensen in Mekka und Stücke
von der Brokatdecke der Kaaba. Die Hausthiere sichert mau sich mit In¬
schriften wie „der vortreffliche Schöpfer ist der Ewige" gegen den Blick des
Neides. Kaufleute schützen die Waare in ihrem Laden, indem sie über dem
letzteren die Namen Gottes und Muhameds, das Glaubensbekenntniß des Is¬
lam oder irgend einen Koranspruch anbringen.

Wohlhabende Leute feiern in Aegypten ihre Hochzeiten theilweise auf der
Straße. Namentlich ist es Sitte, bei solchen Gelegenheiten des Abends Kron-
oder Armleuchter vor dem Hause des Bräutigams aufzuhängen. Ein schöner
Leuchter versammelt dann gewöhnlich eine Menge von Bewunderern um sich,
und weil das bewirken könnte, daß er herabfiele und zerbräche, pflegt man die
Aufmerksamkeit der Leute dadurch von ihm abzulenken, daß man von Zeit zu
Zeit einen Krug oder sonst ein Thongefäß auf die Straße wirft.

Sehr ungern läßt man Fremde zu seinen edlen Pferden, da sie dieselben
mit neidischen Blicken betrachten könnten. Eines Tages kam zu Laue, dem
wir bei diesen Beispielen des ägyptischen Aberglaubens vom „Naßr" folgen,
ein arabischer Freund und erzählte ihm, wie der Pascha sein Fleischmonopol
aufgegeben habe, so daß die Metzger fortan für eigne Rechnung schlachten
dürften. „Wahrhaft empörend aber ist es", fuhr er fort, „ganze schöne Schafe
mit Fettschwanz und allem Zubehör der Öffentlichkeit ausgesetzt zu sehen, so
daß jeder Bettler, der vorübergeht, neidische Blicke darauf werfen kann, und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/60>, abgerufen am 03.07.2024.