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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Eltern zu bemerken, daß jemand ihr Kind anstaunt oder sie um dasselbe be¬
neidet, so reißen sie auch wohl ein Stück vom Saume am Kleide des Kleinen
ab, verbrennen es mit Salz, Alaun und Korianderkörnern und berüucheru
entweder das Kind damit oder bestreuen es mit der Asche davon. Der Aber¬
glaube hat für diesen Entzaubernngsprozeß eine bestimmte Zeit festgesetzt: er
muß nämlich des Abends vorgenommen werden, "wenn die Sonne roth zu
werden anfängt".

Alaun muß, wenn der durch Augeuzauber angerichtete Schaden heilen soll,
auf folgende Weise verwendet werden. Man legt ein Stück davon, das etwa
die Große einer Kinderhand hat. auf ein Kohlenfeuer und läßt es hier so
lange liegen, bis es aufgehört hat, zu zischen und zu knistern. Dies hat kurz
vor dem Untergange der Sonne zu geschehen, und die Person, welche die
Operation vollzieht, hat, während der Alaun brennt, das erste und die drei
letzte,: Kapitel des Koran dreimal herzubeten. Nimmt man den Alaun vom
Feuer weg, so hat seine Schlacke unfehlbar die Gestalt der Person angenommen,
deren Neid Veranlassung zu diese": Verfahren gegeben hat. Man zerstoße
diese Schlacke dann, mischt sie in eine Speise und gibt diese einem schwarzen
Hunde zu fressen. Ein anderes beliebtes Mittel, den Wirkungen des bösen
Blickes zu begegnen oder sie aufzuheben, ist, daß man mit einer Nadel in ein
Stück Papier sticht und dabei sagt: "Das ist das Auge Muhameds, Achmeds,
Ibrahims und das des Neidischen", worauf man den Zettel verbrennt.

Um den Wirkungen des neidischen Anges vorzubeugen, gebrauchen in
Aegypten viele Leute, namentlich Frauen, das sogenannte "gesegnete Storaxharz"
Mej'ach mnbarakah), eine Mischung von verschiedenen Stoffen, die nur in der
Aschura, d. h. in den ersten zehn Tagen des Monats Moharrem, zubereitet
und verkauft wird. Während dieser Zeit sieht man oft in den Straßen Kairos
Leute, welche diese Mixtur feilbieten, indem sie ausrufen: "Gesegnetes Storax¬
harz! Ein gesegnetes Neujahr für die Gläubigen! O gesegnetes Storaxharz!"
Der Verkäufer trügt auf dem Kopfe ein rundes Präsentirbret, das auf Papier¬
blättern von verschiedener Farbe die kostbare Mischung enthält. In der Mitte
befindet sich ein großer Haufen von einem braunrothen Farbestoffe mit etwas
Stvrax, Kvriaudersamen und Fenchelkörnern. Um diesen großen Hausen herum
liegen fünf kleinere, drei von Salz, einer blau, einer roth und ein dritter gelb
gefärbt, ein vierter von Sebib (Wermuth) und ein fünfter von Libanstaub oder
Weihrauch. Wird der Verkäufer in ein Haus gerufen, so setzt er sein Bret
läßt sich einen Teller geben, um das, was gekauft wird, darauf zu legen,
und nimmt nun vou jedem Haufen nach der Reihe zweimal. Dazu pflegt er
einen langen Zauberspruch zu singen, der in der Regel mit den Worten be¬
ginnt: "Im Namen Gottes! Und bei Gott! Es gibt keinen Sieger, der


Eltern zu bemerken, daß jemand ihr Kind anstaunt oder sie um dasselbe be¬
neidet, so reißen sie auch wohl ein Stück vom Saume am Kleide des Kleinen
ab, verbrennen es mit Salz, Alaun und Korianderkörnern und berüucheru
entweder das Kind damit oder bestreuen es mit der Asche davon. Der Aber¬
glaube hat für diesen Entzaubernngsprozeß eine bestimmte Zeit festgesetzt: er
muß nämlich des Abends vorgenommen werden, „wenn die Sonne roth zu
werden anfängt".

Alaun muß, wenn der durch Augeuzauber angerichtete Schaden heilen soll,
auf folgende Weise verwendet werden. Man legt ein Stück davon, das etwa
die Große einer Kinderhand hat. auf ein Kohlenfeuer und läßt es hier so
lange liegen, bis es aufgehört hat, zu zischen und zu knistern. Dies hat kurz
vor dem Untergange der Sonne zu geschehen, und die Person, welche die
Operation vollzieht, hat, während der Alaun brennt, das erste und die drei
letzte,: Kapitel des Koran dreimal herzubeten. Nimmt man den Alaun vom
Feuer weg, so hat seine Schlacke unfehlbar die Gestalt der Person angenommen,
deren Neid Veranlassung zu diese»: Verfahren gegeben hat. Man zerstoße
diese Schlacke dann, mischt sie in eine Speise und gibt diese einem schwarzen
Hunde zu fressen. Ein anderes beliebtes Mittel, den Wirkungen des bösen
Blickes zu begegnen oder sie aufzuheben, ist, daß man mit einer Nadel in ein
Stück Papier sticht und dabei sagt: „Das ist das Auge Muhameds, Achmeds,
Ibrahims und das des Neidischen", worauf man den Zettel verbrennt.

Um den Wirkungen des neidischen Anges vorzubeugen, gebrauchen in
Aegypten viele Leute, namentlich Frauen, das sogenannte „gesegnete Storaxharz"
Mej'ach mnbarakah), eine Mischung von verschiedenen Stoffen, die nur in der
Aschura, d. h. in den ersten zehn Tagen des Monats Moharrem, zubereitet
und verkauft wird. Während dieser Zeit sieht man oft in den Straßen Kairos
Leute, welche diese Mixtur feilbieten, indem sie ausrufen: „Gesegnetes Storax¬
harz! Ein gesegnetes Neujahr für die Gläubigen! O gesegnetes Storaxharz!"
Der Verkäufer trügt auf dem Kopfe ein rundes Präsentirbret, das auf Papier¬
blättern von verschiedener Farbe die kostbare Mischung enthält. In der Mitte
befindet sich ein großer Haufen von einem braunrothen Farbestoffe mit etwas
Stvrax, Kvriaudersamen und Fenchelkörnern. Um diesen großen Hausen herum
liegen fünf kleinere, drei von Salz, einer blau, einer roth und ein dritter gelb
gefärbt, ein vierter von Sebib (Wermuth) und ein fünfter von Libanstaub oder
Weihrauch. Wird der Verkäufer in ein Haus gerufen, so setzt er sein Bret
läßt sich einen Teller geben, um das, was gekauft wird, darauf zu legen,
und nimmt nun vou jedem Haufen nach der Reihe zweimal. Dazu pflegt er
einen langen Zauberspruch zu singen, der in der Regel mit den Worten be¬
ginnt: „Im Namen Gottes! Und bei Gott! Es gibt keinen Sieger, der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/59>, abgerufen am 23.07.2024.