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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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z. B. "Gott ist der beste Beschützer" oder: "Sie bewachen ihn nach Allahs
Befehl", geschrieben sind, gegen alle Pfeile böser Augen rüsten. Fast ebenso gut
sind Papierstreifen mit den neunundneunzig Eigenschaften Gottes oder mit den
Namen des Propheten, deren man ebenfalls.gerade hundert weniger einen hat.
Aehnliche Kräfte werden einem Zaubermittel zugeschrieben, welches "Aschab El
Kaf", "Genossen der Höhle", d. h. "Siebenschläfer" heißt. Die Namen der sieben
frommen Jünglinge sammt dem ihres Hundes werden ans den Boden von
Bechern und Schalen und noch häufiger auf deu runden Präsentirteller von
verzinnten Kupfer eingegraben, der bei Mahlzeiten, ans ein niedriges Gestell
gesetzt, unsere Tischplatte vertritt.

Wie schou angedeutet, siud es in Kairo, ganz ebenso wie im alten Rom,
vorzüglich die Kinder, welche man mit Amuleten gegen den bösen Blick sichern
zu müssen meint. Sie tragen dieselben in Kapseln, die meist die Gestalt eines
Dreiecks haben, oben an ihrem Tarbusch. Auch das Vieh ans der Weide und
die Pferde beim Ausreiter werden mit derartigen Mitteln zur Abwehr etwaigen
Neidzanbers behängt. Das gewöhnlichste Amulet ist bei diesen ein glattes
Stück Alaun; häufig kommen auch Quasten mit kleinen Muscheln, den soge-
nannten Kauris, besetzt, als Amulete vor. Die letzteren waren, wie hier nach-
zutragen ist, schon bei den Römern als Gegenzauber gegen das böse Auge in
Gebrauch, und zwar hatten sie eine obseöne Bedeutung. An diese ist bei den
Aegyptern nicht zu denken, vielmehr sind sie hier eine Ueberlieferung, deren
Sinn verloren gegangen ist, und mau bezweckt mit ihnen nichts als Ablenkung
des Blickes von dem betreffenden Thier auf etwas Lebloses.

Glaubt man, daß jemand etwas übermäßig bewundert oder es mit Neid
betrachtet, so wird er gewöhnlich von dem, den er damit beunruhigt, mit den
Worten: "Segne den Propheten!" zurechtgewiesen, und gehorcht jener, indem
er sagt: "OGvtt, sei ihm günstig!", so fürchtet man keine bösen Folgen. Höchst
unschicklich ist es, seiue Bewunderung über einen Gegenstand, der einem Andern
gehört, mit Worten wie "Wunderschön!" oder "O grnndgütiger Gott!" (Ja
selamu seliiu) auszudrücken. Der Mann von Lebensart sagt in einem der¬
artigen Falle nur "Maschallah!" (Wie Gott will), ein Ausruf, der zwar anch
Ueberraschung, aber mehr noch Ergebung in den Willen Gottes ausspricht-
Nimmt mau das Kind jemandes auf den Arm, um es zu liebkosen, so darf
man nicht vergessen zu sagen: "Im Namen Gottes, des Allbarmherzigen" "ud
"O Gott, sei unserm Herrn Muhamed gnädig!", worauf man noch ein "Mahada
allah" folgen läßt. Noch allgemeiner ist die Sitte, wenn man ein Kind
bewundert, dabei zu bemerke": "Ich suche Zuflucht für Dich beim Herrn des
Tagesanbrnchs", eine Anspielung auf die Sure vom Tagesanbruch, die
des Koran, welche mit einem Gebet um Schutz gegen Neider endigt. Glauben


z. B. „Gott ist der beste Beschützer" oder: „Sie bewachen ihn nach Allahs
Befehl", geschrieben sind, gegen alle Pfeile böser Augen rüsten. Fast ebenso gut
sind Papierstreifen mit den neunundneunzig Eigenschaften Gottes oder mit den
Namen des Propheten, deren man ebenfalls.gerade hundert weniger einen hat.
Aehnliche Kräfte werden einem Zaubermittel zugeschrieben, welches „Aschab El
Kaf", „Genossen der Höhle", d. h. „Siebenschläfer" heißt. Die Namen der sieben
frommen Jünglinge sammt dem ihres Hundes werden ans den Boden von
Bechern und Schalen und noch häufiger auf deu runden Präsentirteller von
verzinnten Kupfer eingegraben, der bei Mahlzeiten, ans ein niedriges Gestell
gesetzt, unsere Tischplatte vertritt.

Wie schou angedeutet, siud es in Kairo, ganz ebenso wie im alten Rom,
vorzüglich die Kinder, welche man mit Amuleten gegen den bösen Blick sichern
zu müssen meint. Sie tragen dieselben in Kapseln, die meist die Gestalt eines
Dreiecks haben, oben an ihrem Tarbusch. Auch das Vieh ans der Weide und
die Pferde beim Ausreiter werden mit derartigen Mitteln zur Abwehr etwaigen
Neidzanbers behängt. Das gewöhnlichste Amulet ist bei diesen ein glattes
Stück Alaun; häufig kommen auch Quasten mit kleinen Muscheln, den soge-
nannten Kauris, besetzt, als Amulete vor. Die letzteren waren, wie hier nach-
zutragen ist, schon bei den Römern als Gegenzauber gegen das böse Auge in
Gebrauch, und zwar hatten sie eine obseöne Bedeutung. An diese ist bei den
Aegyptern nicht zu denken, vielmehr sind sie hier eine Ueberlieferung, deren
Sinn verloren gegangen ist, und mau bezweckt mit ihnen nichts als Ablenkung
des Blickes von dem betreffenden Thier auf etwas Lebloses.

Glaubt man, daß jemand etwas übermäßig bewundert oder es mit Neid
betrachtet, so wird er gewöhnlich von dem, den er damit beunruhigt, mit den
Worten: „Segne den Propheten!" zurechtgewiesen, und gehorcht jener, indem
er sagt: „OGvtt, sei ihm günstig!", so fürchtet man keine bösen Folgen. Höchst
unschicklich ist es, seiue Bewunderung über einen Gegenstand, der einem Andern
gehört, mit Worten wie „Wunderschön!" oder „O grnndgütiger Gott!" (Ja
selamu seliiu) auszudrücken. Der Mann von Lebensart sagt in einem der¬
artigen Falle nur „Maschallah!" (Wie Gott will), ein Ausruf, der zwar anch
Ueberraschung, aber mehr noch Ergebung in den Willen Gottes ausspricht-
Nimmt mau das Kind jemandes auf den Arm, um es zu liebkosen, so darf
man nicht vergessen zu sagen: „Im Namen Gottes, des Allbarmherzigen" »ud
„O Gott, sei unserm Herrn Muhamed gnädig!", worauf man noch ein „Mahada
allah" folgen läßt. Noch allgemeiner ist die Sitte, wenn man ein Kind
bewundert, dabei zu bemerke«: „Ich suche Zuflucht für Dich beim Herrn des
Tagesanbrnchs", eine Anspielung auf die Sure vom Tagesanbruch, die
des Koran, welche mit einem Gebet um Schutz gegen Neider endigt. Glauben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/58>, abgerufen am 23.07.2024.