Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.so zwang man ihn, das Auge mit einem Pflaster zu bedecken; denn das andere Vida kannte ebenfalls einen Mann mit giftige" Augen. Derselbe Sehr verbreitet ist die Furcht vor dem neidischen Auge und vor Bezaube- so zwang man ihn, das Auge mit einem Pflaster zu bedecken; denn das andere Vida kannte ebenfalls einen Mann mit giftige» Augen. Derselbe Sehr verbreitet ist die Furcht vor dem neidischen Auge und vor Bezaube- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0054" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137755"/> <p xml:id="ID_116" prev="#ID_115"> so zwang man ihn, das Auge mit einem Pflaster zu bedecken; denn das andere<lb/> war bei ihm unschädlich und hatte nichts Giftiges. Wenn er bei guten Freunden<lb/> war, so brachte man bisweilen einige Hühner herbei, worauf er sagte: Sucht<lb/> euch eins aus, das ihr todt gesehen haben wollt. Zeigte man nun ans eins,<lb/> so blickte er das Huhn starr an, und man sah es bald darauf im Kreise<lb/> herumtaumeln und in kurzer Zeit todt niederfallen." — Ich fragte die junge<lb/> Frau, ob man an den Augen dieser Leute nichts Außerordentliches wahr¬<lb/> nähme. — „Nein", sagte sie, „nur daß sie eiuen solchen Glanz und ein solches<lb/> Leben haben, daß es scheint, als wären sie ganz Feiler und als ob sie wie<lb/> Pfeile eiuen: durch und dnrch gehen wollten."</p><lb/> <p xml:id="ID_117"> Vida kannte ebenfalls einen Mann mit giftige» Augen. Derselbe<lb/> wohnte auf der Höhe von Viterbo und war ein Greis von widerwärtigen<lb/> Aussehen; das unheimliche grimme Auge war mit Blut unterlaufen, und bor¬<lb/> stiges graues Haar bedeckte seineu Scheitel, Er tödtete durch seinen Blick von<lb/> kriechenden Thieren, was ihm vorkam, kleine Vögel und jedes schwächere Leben.<lb/> Trat er irgendwo in einen Garten, wenn der erste Frühling die Keime her-<lb/> vorgelockt hatte und die Bänme in der Blüthe standen, so gab es eine arge<lb/> Verwüstung unter den Pflanzen nud allem Grün; denn wohin er auch den<lb/> entsetzlichen Blick und die Schärfe der Augen richtete, überall sah mau die<lb/> Blüthen und Blätter, wie von: Todeshanch angeweht, verwelken und absterben-<lb/> Er stand aber keineswegs allein, auch bei Andern soll dasselbe vorgekommen sein,<lb/> und Borell begegnete in seiner Praxis wiederholt Leuten, deren Angen ein<lb/> solches Gift ausstrahlten, daß sie nicht allein die Milch in den Brüsten der<lb/> Säugammen austrockneteu, sondern auch die Blätter und Früchte der Bäume<lb/> verbrannten, so daß man diese verdorren und abfallen sah. Es kam endlich so<lb/> weit, daß sie nur dann irgendwo hin zu gehen wagten, wenn sie dies vorher<lb/> angezeigt und die dort Befindlichen alle Kinder sammt ihren Ammen, alle<lb/> jungen Thiere und überhaupt alles, was vou ihnen vergiftet werden konnte,<lb/> bei Seite geschafft hatten. Desgleichen will Borell Leute gesehen haben, deren<lb/> Blicke sogar die Gläser und Spiegel, die sie in Gebrauch genommen, ange-<lb/> fressen hätte», sodaß sie gezwungen gewesen wären, sich vou Zeit zu Zeit neue<lb/> anzuschaffen, indem die Oberfläche der alten blind lind an manchen Stellen<lb/> förmlich durchfressen gewesen. Auch Se. Andr6 behauptet Derartiges, indem<lb/> er eine Frau gelaunt haben will, welche sich nicht lange derselben Brille hätte<lb/> bedienen können, lind die ihm einige vorgezeigt hätte, die in der Mitte unzäh¬<lb/> lige kleine Löcher gehabt.</p><lb/> <p xml:id="ID_118" next="#ID_119"> Sehr verbreitet ist die Furcht vor dem neidischen Auge und vor Bezaube-<lb/> rung durch bewundernde Blicke unter den Neugriechen und Albanesen,<lb/> wo die Sache Kakvmati — von x«xo> o/^«re0t- — genannt wird. Man</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0054]
so zwang man ihn, das Auge mit einem Pflaster zu bedecken; denn das andere
war bei ihm unschädlich und hatte nichts Giftiges. Wenn er bei guten Freunden
war, so brachte man bisweilen einige Hühner herbei, worauf er sagte: Sucht
euch eins aus, das ihr todt gesehen haben wollt. Zeigte man nun ans eins,
so blickte er das Huhn starr an, und man sah es bald darauf im Kreise
herumtaumeln und in kurzer Zeit todt niederfallen." — Ich fragte die junge
Frau, ob man an den Augen dieser Leute nichts Außerordentliches wahr¬
nähme. — „Nein", sagte sie, „nur daß sie eiuen solchen Glanz und ein solches
Leben haben, daß es scheint, als wären sie ganz Feiler und als ob sie wie
Pfeile eiuen: durch und dnrch gehen wollten."
Vida kannte ebenfalls einen Mann mit giftige» Augen. Derselbe
wohnte auf der Höhe von Viterbo und war ein Greis von widerwärtigen
Aussehen; das unheimliche grimme Auge war mit Blut unterlaufen, und bor¬
stiges graues Haar bedeckte seineu Scheitel, Er tödtete durch seinen Blick von
kriechenden Thieren, was ihm vorkam, kleine Vögel und jedes schwächere Leben.
Trat er irgendwo in einen Garten, wenn der erste Frühling die Keime her-
vorgelockt hatte und die Bänme in der Blüthe standen, so gab es eine arge
Verwüstung unter den Pflanzen nud allem Grün; denn wohin er auch den
entsetzlichen Blick und die Schärfe der Augen richtete, überall sah mau die
Blüthen und Blätter, wie von: Todeshanch angeweht, verwelken und absterben-
Er stand aber keineswegs allein, auch bei Andern soll dasselbe vorgekommen sein,
und Borell begegnete in seiner Praxis wiederholt Leuten, deren Angen ein
solches Gift ausstrahlten, daß sie nicht allein die Milch in den Brüsten der
Säugammen austrockneteu, sondern auch die Blätter und Früchte der Bäume
verbrannten, so daß man diese verdorren und abfallen sah. Es kam endlich so
weit, daß sie nur dann irgendwo hin zu gehen wagten, wenn sie dies vorher
angezeigt und die dort Befindlichen alle Kinder sammt ihren Ammen, alle
jungen Thiere und überhaupt alles, was vou ihnen vergiftet werden konnte,
bei Seite geschafft hatten. Desgleichen will Borell Leute gesehen haben, deren
Blicke sogar die Gläser und Spiegel, die sie in Gebrauch genommen, ange-
fressen hätte», sodaß sie gezwungen gewesen wären, sich vou Zeit zu Zeit neue
anzuschaffen, indem die Oberfläche der alten blind lind an manchen Stellen
förmlich durchfressen gewesen. Auch Se. Andr6 behauptet Derartiges, indem
er eine Frau gelaunt haben will, welche sich nicht lange derselben Brille hätte
bedienen können, lind die ihm einige vorgezeigt hätte, die in der Mitte unzäh¬
lige kleine Löcher gehabt.
Sehr verbreitet ist die Furcht vor dem neidischen Auge und vor Bezaube-
rung durch bewundernde Blicke unter den Neugriechen und Albanesen,
wo die Sache Kakvmati — von x«xo> o/^«re0t- — genannt wird. Man
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