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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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das Jahr 1484 einen solchen Segen, daß es für einen großen Theil des ge¬
kelterten Weines an Fässern mangelte.

Grünberg, Züllichau und Bomst bilden heutzutage die nördlichsten Punkte
nicht uur Europa's, sondern der ganzen Erde, an denen Reben zur Weinbe¬
reitung gebaut werden. Nicht so in alter Zeit. Im Ordenslande Preußen
wurde an mehrern Orten theils von den Rittern, theils von den Bürgern die
Kultur der Rebe im Großen betrieben. So in der Gegend von Thorn, von
Kulm, von Schwetz, bei Neuenburg, bei Mewe, bei Riesenberg und Marien¬
burg, ja sogar bei Rhein und Rastenburg. Bis über Königsberg hinaus baute
mau Wein, und selbst bei Tilsit wuchs die Rebe, und, wenn wir bei unsern
Vorfahren nicht eine ungebildete Zunge oder große Anspruchslosigkeit und Ge¬
nügsamkeit annehmen müssen, muß die Cresceuz, die 1363 und 1379 sehr
reichlich war, nicht übel gewesen sein, da die Hochmeister zuweilen fürstliche
Personen damit beschenkten, wovon das Nordhoffsche Buch mehrere Beispiele
anführt, unter denen sich die Könige von Polen und von England und sogar
der Papst befinden.

Dies läßt uns fragen, von welcher Art der norddeutsche Wein überhaupt
gewesen sein wird, und darauf antwortet unsre Schrift gewiß mit Recht: "Die
Weine brachten es durchschnittlich nicht zu der Güte wie die südlicheren, zumal
in kälteren Lagen und Jahren." -- "In den späteren Zeiten hörte man auch
über diesen und jenen Landwein klagen. Herzog Heinrich von Mecklenburg
ließ einst den Herren, die für ihn Bürgschaft geleistet hatten, nicht den von
ihm selbst gebauten Wein vorsetzen, sondern Rheinwein ans Wismar oder
Rostock holen, da diese Leute nicht gewohnt seien, sauren Wein zu trinken."
Melanchthon ferner schrieb über die Weine Thüringens: ,Mi v-Mona,
wonres Ig,el-iumnwr g-ec-wen." Von dem Gewächs des Klosters Camp am
Unterrhein wurde gespottet: "Vanen <na,mxen8<z von taeit xauäm mense."
Indeß stehen solchen Urtheilen über die alten norddeutschen Landweine günstige
gegenüber. Georg Sabinus erkennt dem Brandenburger Weine einen gewissen
Wohlgeschmack zu. Der Geschichtsschreiber Minus rühmt einige Thüringer
Sorten. Der Kasseler Wein von 1.540 wurde dem Rheinwein gleichgeschätzt,
und Landgraf Wilhelm der Vierte stellte seine Ernte von 1571 über den
Frankenwein, weßhalb er diesen für sein Hofgesinde, das Ergebniß jener da¬
gegen für die eigne Tafel bestimmte. Endlich hat nach Waldeck'schen Berichten
der Wildunger des Jahres 1540 den Rheinwein an Güte übertroffen. "So
viel ergeben diese Thatsachen, daß gewisse Jahre und Lagen einen Stoff
reiften, mit dem Ehre einzulegen war, einen Trank, der auch Genuß versprach.
Passende Plätze, gute Rebsorten und sorgfältiges Auflesen der besten Trauben,


das Jahr 1484 einen solchen Segen, daß es für einen großen Theil des ge¬
kelterten Weines an Fässern mangelte.

Grünberg, Züllichau und Bomst bilden heutzutage die nördlichsten Punkte
nicht uur Europa's, sondern der ganzen Erde, an denen Reben zur Weinbe¬
reitung gebaut werden. Nicht so in alter Zeit. Im Ordenslande Preußen
wurde an mehrern Orten theils von den Rittern, theils von den Bürgern die
Kultur der Rebe im Großen betrieben. So in der Gegend von Thorn, von
Kulm, von Schwetz, bei Neuenburg, bei Mewe, bei Riesenberg und Marien¬
burg, ja sogar bei Rhein und Rastenburg. Bis über Königsberg hinaus baute
mau Wein, und selbst bei Tilsit wuchs die Rebe, und, wenn wir bei unsern
Vorfahren nicht eine ungebildete Zunge oder große Anspruchslosigkeit und Ge¬
nügsamkeit annehmen müssen, muß die Cresceuz, die 1363 und 1379 sehr
reichlich war, nicht übel gewesen sein, da die Hochmeister zuweilen fürstliche
Personen damit beschenkten, wovon das Nordhoffsche Buch mehrere Beispiele
anführt, unter denen sich die Könige von Polen und von England und sogar
der Papst befinden.

Dies läßt uns fragen, von welcher Art der norddeutsche Wein überhaupt
gewesen sein wird, und darauf antwortet unsre Schrift gewiß mit Recht: „Die
Weine brachten es durchschnittlich nicht zu der Güte wie die südlicheren, zumal
in kälteren Lagen und Jahren." — „In den späteren Zeiten hörte man auch
über diesen und jenen Landwein klagen. Herzog Heinrich von Mecklenburg
ließ einst den Herren, die für ihn Bürgschaft geleistet hatten, nicht den von
ihm selbst gebauten Wein vorsetzen, sondern Rheinwein ans Wismar oder
Rostock holen, da diese Leute nicht gewohnt seien, sauren Wein zu trinken."
Melanchthon ferner schrieb über die Weine Thüringens: ,Mi v-Mona,
wonres Ig,el-iumnwr g-ec-wen." Von dem Gewächs des Klosters Camp am
Unterrhein wurde gespottet: „Vanen <na,mxen8<z von taeit xauäm mense."
Indeß stehen solchen Urtheilen über die alten norddeutschen Landweine günstige
gegenüber. Georg Sabinus erkennt dem Brandenburger Weine einen gewissen
Wohlgeschmack zu. Der Geschichtsschreiber Minus rühmt einige Thüringer
Sorten. Der Kasseler Wein von 1.540 wurde dem Rheinwein gleichgeschätzt,
und Landgraf Wilhelm der Vierte stellte seine Ernte von 1571 über den
Frankenwein, weßhalb er diesen für sein Hofgesinde, das Ergebniß jener da¬
gegen für die eigne Tafel bestimmte. Endlich hat nach Waldeck'schen Berichten
der Wildunger des Jahres 1540 den Rheinwein an Güte übertroffen. „So
viel ergeben diese Thatsachen, daß gewisse Jahre und Lagen einen Stoff
reiften, mit dem Ehre einzulegen war, einen Trank, der auch Genuß versprach.
Passende Plätze, gute Rebsorten und sorgfältiges Auflesen der besten Trauben,


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[0511] das Jahr 1484 einen solchen Segen, daß es für einen großen Theil des ge¬ kelterten Weines an Fässern mangelte. Grünberg, Züllichau und Bomst bilden heutzutage die nördlichsten Punkte nicht uur Europa's, sondern der ganzen Erde, an denen Reben zur Weinbe¬ reitung gebaut werden. Nicht so in alter Zeit. Im Ordenslande Preußen wurde an mehrern Orten theils von den Rittern, theils von den Bürgern die Kultur der Rebe im Großen betrieben. So in der Gegend von Thorn, von Kulm, von Schwetz, bei Neuenburg, bei Mewe, bei Riesenberg und Marien¬ burg, ja sogar bei Rhein und Rastenburg. Bis über Königsberg hinaus baute mau Wein, und selbst bei Tilsit wuchs die Rebe, und, wenn wir bei unsern Vorfahren nicht eine ungebildete Zunge oder große Anspruchslosigkeit und Ge¬ nügsamkeit annehmen müssen, muß die Cresceuz, die 1363 und 1379 sehr reichlich war, nicht übel gewesen sein, da die Hochmeister zuweilen fürstliche Personen damit beschenkten, wovon das Nordhoffsche Buch mehrere Beispiele anführt, unter denen sich die Könige von Polen und von England und sogar der Papst befinden. Dies läßt uns fragen, von welcher Art der norddeutsche Wein überhaupt gewesen sein wird, und darauf antwortet unsre Schrift gewiß mit Recht: „Die Weine brachten es durchschnittlich nicht zu der Güte wie die südlicheren, zumal in kälteren Lagen und Jahren." — „In den späteren Zeiten hörte man auch über diesen und jenen Landwein klagen. Herzog Heinrich von Mecklenburg ließ einst den Herren, die für ihn Bürgschaft geleistet hatten, nicht den von ihm selbst gebauten Wein vorsetzen, sondern Rheinwein ans Wismar oder Rostock holen, da diese Leute nicht gewohnt seien, sauren Wein zu trinken." Melanchthon ferner schrieb über die Weine Thüringens: ,Mi v-Mona, wonres Ig,el-iumnwr g-ec-wen." Von dem Gewächs des Klosters Camp am Unterrhein wurde gespottet: „Vanen <na,mxen8<z von taeit xauäm mense." Indeß stehen solchen Urtheilen über die alten norddeutschen Landweine günstige gegenüber. Georg Sabinus erkennt dem Brandenburger Weine einen gewissen Wohlgeschmack zu. Der Geschichtsschreiber Minus rühmt einige Thüringer Sorten. Der Kasseler Wein von 1.540 wurde dem Rheinwein gleichgeschätzt, und Landgraf Wilhelm der Vierte stellte seine Ernte von 1571 über den Frankenwein, weßhalb er diesen für sein Hofgesinde, das Ergebniß jener da¬ gegen für die eigne Tafel bestimmte. Endlich hat nach Waldeck'schen Berichten der Wildunger des Jahres 1540 den Rheinwein an Güte übertroffen. „So viel ergeben diese Thatsachen, daß gewisse Jahre und Lagen einen Stoff reiften, mit dem Ehre einzulegen war, einen Trank, der auch Genuß versprach. Passende Plätze, gute Rebsorten und sorgfältiges Auflesen der besten Trauben,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/511>, abgerufen am 23.07.2024.