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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Kirchen bemüht, durch Errichtung neuer und durch Verbesserung schon vorhan¬
dener Volksschullehrer-Präparandien abzuhelfen, und auch hier sind gute Fort¬
schritte zu verzeichnen. 1866 gab es solcher Anstalten nur 39, acht Jahre
später aber schon 58, die 486 Professoren und 1651 Zöglinge aufweisen, und
1869 zählte man in Ungarn 17,769, im Jahre 1874 dagegen schon 19,610
Lehrer und Lehrerinnen. Der höhere Töchterunterricht ist indeß noch immer
theils den Klöstern, deren 52 sich mit der Mädchenerziehung befassen, und
theils Vereinen und Privatunternehmungen anvertraut. Doch wurde 1875 in
Budapest eine Anstalt für höhere Töchterbildung von Seiten des Staates er¬
richtet. Das Volksschulgesetz von 1868 hat anch für Errichtung von Bürger¬
schulen Sorge getragen, jedoch bestehen deren jetzt erst zwanzig.

Auch die Gymnasien hatten nach ihrer Gründung und ihren Lehrkräften
von Anfang an einen konfessionellen Charakter, und hier ist keine Aenderung
eingetreten. 1863 zählte das ungarische Krvngebiet deren 126, im Jahre 1875 da¬
gegen 145, von denen 36 Ordensgeistliche zu Lehrern hatten und 53 von den
protestantischen Konfessionen erhalten wurden. Die seit 1850 eingeführten
Realschule" dagegen sind theils städtische, theils Staatsanstalten. Ihre Zahl
beläuft sich auf 45, von deuen vier auf die Hauptstadt Budapest fallen. Sämmt¬
liche Mittelschulen Ungarns hatten 1875 1768 Professoren und 27,144 Schüler.
Zur Ausbildung von Lehrern für dieselben bestehen zwei Präparandien, eine
an der Budapester und eine an der Klausenburger Universität.

Die hauptstädtische Universität wurde 1635 vom Primas Peter Pazmcmy
gestiftet. Sie befand sich damals in Tyrnau und hatte mir eine theologische
und eine philosophische Fakultät; 1667 kam durch einen Nachfolger Pazmany's noch
eine juristische und etwa hundert Jahre später dnrch Maria Theresia auch eine
medizinische hinzu. 1777 wurde die so vervollständigte Hochschule nach Ofen
nud sieben Jahre später wurde sie nach Pest verlegt. Hier nahm in dem
letzten Vierteljahrhundert die Zahl der Studirenden fortwährend zu: 1851
zählte sie deren 695, 1863 hatte sie schon 1394 und 1867 bereits 2116. Aber
erst nach diesem Jahre erhob sie sich ans das Niveau der deutschen Hochschulen,
indem neue Lehrstühle gegründet, eine neue Prüfungsordnung, eine Bildungs-
anstalt für Mittelschulprofessoreu und verschiedene andere Reformen ins Leben
gerufen wurden. Während der Lehrkörper im Jahre 1867 aus nur 91 Per¬
sonen bestand, zählte er 1876 151 Lehrer, und die Zahl der Studenten betrug
2862. Im laufenden Jahrzehnt sind zu deu Einrichtungen der Universität eine
neue chemische und eine physiologische Anstalt hinzugekommen, und gegenwärtig
im Bau begriffen sind eine chirurgische Klinik und ein anatomisches Theater.
Innerhalb der Jahre 1868--75 wurden allein für Bau- und Einrichtungs¬
kosten der Universität mehr als drei Millionen Gülden ausgegeben.


Kirchen bemüht, durch Errichtung neuer und durch Verbesserung schon vorhan¬
dener Volksschullehrer-Präparandien abzuhelfen, und auch hier sind gute Fort¬
schritte zu verzeichnen. 1866 gab es solcher Anstalten nur 39, acht Jahre
später aber schon 58, die 486 Professoren und 1651 Zöglinge aufweisen, und
1869 zählte man in Ungarn 17,769, im Jahre 1874 dagegen schon 19,610
Lehrer und Lehrerinnen. Der höhere Töchterunterricht ist indeß noch immer
theils den Klöstern, deren 52 sich mit der Mädchenerziehung befassen, und
theils Vereinen und Privatunternehmungen anvertraut. Doch wurde 1875 in
Budapest eine Anstalt für höhere Töchterbildung von Seiten des Staates er¬
richtet. Das Volksschulgesetz von 1868 hat anch für Errichtung von Bürger¬
schulen Sorge getragen, jedoch bestehen deren jetzt erst zwanzig.

Auch die Gymnasien hatten nach ihrer Gründung und ihren Lehrkräften
von Anfang an einen konfessionellen Charakter, und hier ist keine Aenderung
eingetreten. 1863 zählte das ungarische Krvngebiet deren 126, im Jahre 1875 da¬
gegen 145, von denen 36 Ordensgeistliche zu Lehrern hatten und 53 von den
protestantischen Konfessionen erhalten wurden. Die seit 1850 eingeführten
Realschule» dagegen sind theils städtische, theils Staatsanstalten. Ihre Zahl
beläuft sich auf 45, von deuen vier auf die Hauptstadt Budapest fallen. Sämmt¬
liche Mittelschulen Ungarns hatten 1875 1768 Professoren und 27,144 Schüler.
Zur Ausbildung von Lehrern für dieselben bestehen zwei Präparandien, eine
an der Budapester und eine an der Klausenburger Universität.

Die hauptstädtische Universität wurde 1635 vom Primas Peter Pazmcmy
gestiftet. Sie befand sich damals in Tyrnau und hatte mir eine theologische
und eine philosophische Fakultät; 1667 kam durch einen Nachfolger Pazmany's noch
eine juristische und etwa hundert Jahre später dnrch Maria Theresia auch eine
medizinische hinzu. 1777 wurde die so vervollständigte Hochschule nach Ofen
nud sieben Jahre später wurde sie nach Pest verlegt. Hier nahm in dem
letzten Vierteljahrhundert die Zahl der Studirenden fortwährend zu: 1851
zählte sie deren 695, 1863 hatte sie schon 1394 und 1867 bereits 2116. Aber
erst nach diesem Jahre erhob sie sich ans das Niveau der deutschen Hochschulen,
indem neue Lehrstühle gegründet, eine neue Prüfungsordnung, eine Bildungs-
anstalt für Mittelschulprofessoreu und verschiedene andere Reformen ins Leben
gerufen wurden. Während der Lehrkörper im Jahre 1867 aus nur 91 Per¬
sonen bestand, zählte er 1876 151 Lehrer, und die Zahl der Studenten betrug
2862. Im laufenden Jahrzehnt sind zu deu Einrichtungen der Universität eine
neue chemische und eine physiologische Anstalt hinzugekommen, und gegenwärtig
im Bau begriffen sind eine chirurgische Klinik und ein anatomisches Theater.
Innerhalb der Jahre 1868—75 wurden allein für Bau- und Einrichtungs¬
kosten der Universität mehr als drei Millionen Gülden ausgegeben.


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[0420] Kirchen bemüht, durch Errichtung neuer und durch Verbesserung schon vorhan¬ dener Volksschullehrer-Präparandien abzuhelfen, und auch hier sind gute Fort¬ schritte zu verzeichnen. 1866 gab es solcher Anstalten nur 39, acht Jahre später aber schon 58, die 486 Professoren und 1651 Zöglinge aufweisen, und 1869 zählte man in Ungarn 17,769, im Jahre 1874 dagegen schon 19,610 Lehrer und Lehrerinnen. Der höhere Töchterunterricht ist indeß noch immer theils den Klöstern, deren 52 sich mit der Mädchenerziehung befassen, und theils Vereinen und Privatunternehmungen anvertraut. Doch wurde 1875 in Budapest eine Anstalt für höhere Töchterbildung von Seiten des Staates er¬ richtet. Das Volksschulgesetz von 1868 hat anch für Errichtung von Bürger¬ schulen Sorge getragen, jedoch bestehen deren jetzt erst zwanzig. Auch die Gymnasien hatten nach ihrer Gründung und ihren Lehrkräften von Anfang an einen konfessionellen Charakter, und hier ist keine Aenderung eingetreten. 1863 zählte das ungarische Krvngebiet deren 126, im Jahre 1875 da¬ gegen 145, von denen 36 Ordensgeistliche zu Lehrern hatten und 53 von den protestantischen Konfessionen erhalten wurden. Die seit 1850 eingeführten Realschule» dagegen sind theils städtische, theils Staatsanstalten. Ihre Zahl beläuft sich auf 45, von deuen vier auf die Hauptstadt Budapest fallen. Sämmt¬ liche Mittelschulen Ungarns hatten 1875 1768 Professoren und 27,144 Schüler. Zur Ausbildung von Lehrern für dieselben bestehen zwei Präparandien, eine an der Budapester und eine an der Klausenburger Universität. Die hauptstädtische Universität wurde 1635 vom Primas Peter Pazmcmy gestiftet. Sie befand sich damals in Tyrnau und hatte mir eine theologische und eine philosophische Fakultät; 1667 kam durch einen Nachfolger Pazmany's noch eine juristische und etwa hundert Jahre später dnrch Maria Theresia auch eine medizinische hinzu. 1777 wurde die so vervollständigte Hochschule nach Ofen nud sieben Jahre später wurde sie nach Pest verlegt. Hier nahm in dem letzten Vierteljahrhundert die Zahl der Studirenden fortwährend zu: 1851 zählte sie deren 695, 1863 hatte sie schon 1394 und 1867 bereits 2116. Aber erst nach diesem Jahre erhob sie sich ans das Niveau der deutschen Hochschulen, indem neue Lehrstühle gegründet, eine neue Prüfungsordnung, eine Bildungs- anstalt für Mittelschulprofessoreu und verschiedene andere Reformen ins Leben gerufen wurden. Während der Lehrkörper im Jahre 1867 aus nur 91 Per¬ sonen bestand, zählte er 1876 151 Lehrer, und die Zahl der Studenten betrug 2862. Im laufenden Jahrzehnt sind zu deu Einrichtungen der Universität eine neue chemische und eine physiologische Anstalt hinzugekommen, und gegenwärtig im Bau begriffen sind eine chirurgische Klinik und ein anatomisches Theater. Innerhalb der Jahre 1868—75 wurden allein für Bau- und Einrichtungs¬ kosten der Universität mehr als drei Millionen Gülden ausgegeben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/420>, abgerufen am 23.07.2024.