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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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folge", als bis sich der Verbindung der Gesellen das Zusammenwirken sämmt¬
licher deutschen Polizeibehörden entgegenstellte. Sofort nahm das Uebel jetzt
eine mildere Gestalt an, und das Faulenzen beschränkte sich auf ein erträg¬
liches Minimum. Es schrumpfte zu dem Maße zusammen, welches es in seinen
Anfängen gehabt, es wurde wieder eine Unart Einzelner, nicht einer großen
Körperschaft, und so konnte zuletzt auch die früher versuchte, aber meist ohne
Wirkung gebliebene Maßregel zu seiner Beseitigung, daß der Meister dem
"blau machenden" Gesellen den Lohn kürzte, ohne Gefahr für jenen wieder
durchgeführt werden.

Zu allen Zeiten war der Gesell auf festen Lohn gesetzt. Doch kamen auch
Fälle vor, wo seine Bezahlung sich nicht nach seiner Arbeit, sondern nach dem
größeren oder geringeren Absatz der hergestellten Waare richtete, oder, wo er
als Theilhaber mit Kapital oder als Pächter auftrat. Wochenlohn war die
Regel, Tagelohn die Ausnahme. In einigen Handwerken, z. B. bei den
Büchsenmachern, bei den Frankfurter Tuchwebern und bei den Seilern zu
Freiburg i. Br. war anch Stücklohn gebräuchlich.

Das Bestreben der Handwerke, alle Meister möglichst in gleicher Lage zu
erhalten, so daß jeder sich und die Seinen ernähren könne, -- ein Bestreben,
das sich in den Bestimmungen derselben in Betreff des Ankaufs von Rohstoffen,
in der Beschränkung der Zahl von Gesellen, die ein Meister halten durfte, und
in den Vorschriften über die Vertheilung der zugewanderten Arbeitskräfte äußerte,
tritt auch in der Feststellung der Löhne an den Tag, welche durch die Ge¬
sammtheit der Meister erfolgte, und zwar für alle Arten der Lohnung: Wochen-,
Tage- und Stücklohn. Jeder Meister war daran gebunden, er durfte weder
mehr noch weniger geben bei fester Strafe in Geld oder zeitweiliger Entziehung
des Rechts zur Ausübung seines Handwerks. Auch der Knecht durfte nicht
mehr fordern oder mit weniger zufrieden zu sein erklären, wenn er nicht mit
Arbeitsentziehung oder Geldstrafe heimgesucht sein wollte.

Der Lohn mußte in Geld bezahlt werden, und zwar nach Ortswährung,
nicht in fremder Münze oder gar in Waare. Mehrere Zunftordnungen zeigen,
daß letzterer Weg von Arbeitgebern, die sich auf Kosten der Arbeitnehmer Gewinn zu
verschaffen gedachten, schon im vierzehnten Jahrhundert betreten wurde. War noch
eine besondere Gabe herkömmlich, so wurde sie von Seiten des Handwerks
gesetzlich gefestigt, wie denn z. B. die Bäcker von acht Städten am Rhein
1352 beschlossen, es solle den Knechten bei einem Pfund Heller Strafe zum
Lohne jährlich auch ein Rock gegeben werden. Dagegen war auch wieder
Sorge getragen, daß die Meister nicht den Zweck der Statuten umginge", in¬
dem sie zwar nur den festgesetzten Geldlohn zahlten, aber durch Verabreichung
andrer Gaben den Gesellen an sich fesselten oder dies auf weiteren Umwegen


folge», als bis sich der Verbindung der Gesellen das Zusammenwirken sämmt¬
licher deutschen Polizeibehörden entgegenstellte. Sofort nahm das Uebel jetzt
eine mildere Gestalt an, und das Faulenzen beschränkte sich auf ein erträg¬
liches Minimum. Es schrumpfte zu dem Maße zusammen, welches es in seinen
Anfängen gehabt, es wurde wieder eine Unart Einzelner, nicht einer großen
Körperschaft, und so konnte zuletzt auch die früher versuchte, aber meist ohne
Wirkung gebliebene Maßregel zu seiner Beseitigung, daß der Meister dem
„blau machenden" Gesellen den Lohn kürzte, ohne Gefahr für jenen wieder
durchgeführt werden.

Zu allen Zeiten war der Gesell auf festen Lohn gesetzt. Doch kamen auch
Fälle vor, wo seine Bezahlung sich nicht nach seiner Arbeit, sondern nach dem
größeren oder geringeren Absatz der hergestellten Waare richtete, oder, wo er
als Theilhaber mit Kapital oder als Pächter auftrat. Wochenlohn war die
Regel, Tagelohn die Ausnahme. In einigen Handwerken, z. B. bei den
Büchsenmachern, bei den Frankfurter Tuchwebern und bei den Seilern zu
Freiburg i. Br. war anch Stücklohn gebräuchlich.

Das Bestreben der Handwerke, alle Meister möglichst in gleicher Lage zu
erhalten, so daß jeder sich und die Seinen ernähren könne, — ein Bestreben,
das sich in den Bestimmungen derselben in Betreff des Ankaufs von Rohstoffen,
in der Beschränkung der Zahl von Gesellen, die ein Meister halten durfte, und
in den Vorschriften über die Vertheilung der zugewanderten Arbeitskräfte äußerte,
tritt auch in der Feststellung der Löhne an den Tag, welche durch die Ge¬
sammtheit der Meister erfolgte, und zwar für alle Arten der Lohnung: Wochen-,
Tage- und Stücklohn. Jeder Meister war daran gebunden, er durfte weder
mehr noch weniger geben bei fester Strafe in Geld oder zeitweiliger Entziehung
des Rechts zur Ausübung seines Handwerks. Auch der Knecht durfte nicht
mehr fordern oder mit weniger zufrieden zu sein erklären, wenn er nicht mit
Arbeitsentziehung oder Geldstrafe heimgesucht sein wollte.

Der Lohn mußte in Geld bezahlt werden, und zwar nach Ortswährung,
nicht in fremder Münze oder gar in Waare. Mehrere Zunftordnungen zeigen,
daß letzterer Weg von Arbeitgebern, die sich auf Kosten der Arbeitnehmer Gewinn zu
verschaffen gedachten, schon im vierzehnten Jahrhundert betreten wurde. War noch
eine besondere Gabe herkömmlich, so wurde sie von Seiten des Handwerks
gesetzlich gefestigt, wie denn z. B. die Bäcker von acht Städten am Rhein
1352 beschlossen, es solle den Knechten bei einem Pfund Heller Strafe zum
Lohne jährlich auch ein Rock gegeben werden. Dagegen war auch wieder
Sorge getragen, daß die Meister nicht den Zweck der Statuten umginge», in¬
dem sie zwar nur den festgesetzten Geldlohn zahlten, aber durch Verabreichung
andrer Gaben den Gesellen an sich fesselten oder dies auf weiteren Umwegen


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[0416] folge», als bis sich der Verbindung der Gesellen das Zusammenwirken sämmt¬ licher deutschen Polizeibehörden entgegenstellte. Sofort nahm das Uebel jetzt eine mildere Gestalt an, und das Faulenzen beschränkte sich auf ein erträg¬ liches Minimum. Es schrumpfte zu dem Maße zusammen, welches es in seinen Anfängen gehabt, es wurde wieder eine Unart Einzelner, nicht einer großen Körperschaft, und so konnte zuletzt auch die früher versuchte, aber meist ohne Wirkung gebliebene Maßregel zu seiner Beseitigung, daß der Meister dem „blau machenden" Gesellen den Lohn kürzte, ohne Gefahr für jenen wieder durchgeführt werden. Zu allen Zeiten war der Gesell auf festen Lohn gesetzt. Doch kamen auch Fälle vor, wo seine Bezahlung sich nicht nach seiner Arbeit, sondern nach dem größeren oder geringeren Absatz der hergestellten Waare richtete, oder, wo er als Theilhaber mit Kapital oder als Pächter auftrat. Wochenlohn war die Regel, Tagelohn die Ausnahme. In einigen Handwerken, z. B. bei den Büchsenmachern, bei den Frankfurter Tuchwebern und bei den Seilern zu Freiburg i. Br. war anch Stücklohn gebräuchlich. Das Bestreben der Handwerke, alle Meister möglichst in gleicher Lage zu erhalten, so daß jeder sich und die Seinen ernähren könne, — ein Bestreben, das sich in den Bestimmungen derselben in Betreff des Ankaufs von Rohstoffen, in der Beschränkung der Zahl von Gesellen, die ein Meister halten durfte, und in den Vorschriften über die Vertheilung der zugewanderten Arbeitskräfte äußerte, tritt auch in der Feststellung der Löhne an den Tag, welche durch die Ge¬ sammtheit der Meister erfolgte, und zwar für alle Arten der Lohnung: Wochen-, Tage- und Stücklohn. Jeder Meister war daran gebunden, er durfte weder mehr noch weniger geben bei fester Strafe in Geld oder zeitweiliger Entziehung des Rechts zur Ausübung seines Handwerks. Auch der Knecht durfte nicht mehr fordern oder mit weniger zufrieden zu sein erklären, wenn er nicht mit Arbeitsentziehung oder Geldstrafe heimgesucht sein wollte. Der Lohn mußte in Geld bezahlt werden, und zwar nach Ortswährung, nicht in fremder Münze oder gar in Waare. Mehrere Zunftordnungen zeigen, daß letzterer Weg von Arbeitgebern, die sich auf Kosten der Arbeitnehmer Gewinn zu verschaffen gedachten, schon im vierzehnten Jahrhundert betreten wurde. War noch eine besondere Gabe herkömmlich, so wurde sie von Seiten des Handwerks gesetzlich gefestigt, wie denn z. B. die Bäcker von acht Städten am Rhein 1352 beschlossen, es solle den Knechten bei einem Pfund Heller Strafe zum Lohne jährlich auch ein Rock gegeben werden. Dagegen war auch wieder Sorge getragen, daß die Meister nicht den Zweck der Statuten umginge», in¬ dem sie zwar nur den festgesetzten Geldlohn zahlten, aber durch Verabreichung andrer Gaben den Gesellen an sich fesselten oder dies auf weiteren Umwegen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/416>, abgerufen am 23.07.2024.