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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Name, der "Blaue Montag" ist verschieden erklärt worden. Hausen gibt ihm
folgenden ganz unwahrscheinlichen Ursprung: "In den Fasten wurden die
deutschen Kirchen blau ausgeschmückt. Zu eben der Zeit fingen die Handwerker
an, die Fasten über den Montag in allerlei Schwelgerei zuzubringen und
führten das Sprichwort ein: Heute ist blauer Freßmontag. Die Erlaubniß
behielten die Gesellen für den Montag bei." Aber die Gesellen haben niemals
bloß in den Fasten am Montag nicht gearbeitet, und "blau" genannt wird
dieser Tag erst in der Wiener Maurerordnung von 1550; verser hieß er der
"lustige", auch der "gute" Montag, oder man sagte schlechtweg "Montag
machen". Eine andere Meinung geht dahin, daß die tonangebenden Hand¬
werke, die Schneider und Schuster, vielfach am Sonntage gearbeitet und diesen
Verlust an Freiheit durch den Montag eingebracht hätten. Aber es ist nicht
wahr, daß die genannten beiden Handwerke tonangebend waren und für be¬
sonders vornehm galten, vielmehr waren die Kürschner und Gerber, hier und
da auch die Bäcker und die Metzger angesehener als sie, und andrerseits war
die Sonntagsarbeit auch bei den Schneidern und Schustern im Allgemeinen
verpönt und, wie wir sahen, nur in seltenen Fällen gestattet. Etwas natürlicher
wäre es, wenn man die Sitte, gerade am Montag müßig zu gehen, nach jener
Wiener Urkunde damit erklärte, daß die Gesellen sich am Sonntag "über¬
weinten", mit andern Worten sich zu voll tranken, den Montag Katzenjammer
hatten und infolge dessen an diesem Tage nichts von Schusterpfriem, Maurer¬
kelle oder Bügeleisen und Nadel wissen wollten. Indeß bedarf anch diese Er¬
klärung uoch der Ergänzung, und diese liegt zunächst darin, daß der Montag
von Alters her derjenige Tag war, an welchem die Gesellen, die ihrem Meister
gekündigt hatten, die Stadt zu verlassen pflegten, daß ihre Kameraden vom
Handwerk sie dabei ein Stück zu begleiten verpflichtet waren, und daß ihnen
hierzu von den Meistern Zeit gelassen werden mußte. Sodann aber hatten
die Gesellen, nachdem sie sich zu Genossenschaften zusammengethan. ihre "Ge¬
bote", bei denen sie die Angelegenheiten des Vereins besprachen, und bei denen
jeder Genosse erscheinen mußte; diese "Gebote", welche mit Zechgelagen endigten,
durften sie an vielen Orten des Sonntags nicht halten, und so verlegte man
sie auf den Montag.

Wie aber ist die Bezeichnung "blau" zu verstehen? In England, >vo
die Sitte, am Moutcuz zu feiern, auch herrscht, und wo der Dechant Boyd in
Exeter vor einigen Jahren in einer Predigt die Ansicht äußerte, daß der jähr¬
liche Verlust für die in den Wollenfabriken, der Baumwollenindustrie, dem Maurer¬
und Ziegeldeckergewerbe beschäftigten Arbeitersich auf mehr als sieben Millionen Pfd-
Strl. belaufe, heißtder Montag "lälöUonM)-",fauler,müssiggängerischerMontag*)



*) Ägl, Sinne's ,,'1'Krit't", S- 27.

Name, der „Blaue Montag" ist verschieden erklärt worden. Hausen gibt ihm
folgenden ganz unwahrscheinlichen Ursprung: „In den Fasten wurden die
deutschen Kirchen blau ausgeschmückt. Zu eben der Zeit fingen die Handwerker
an, die Fasten über den Montag in allerlei Schwelgerei zuzubringen und
führten das Sprichwort ein: Heute ist blauer Freßmontag. Die Erlaubniß
behielten die Gesellen für den Montag bei." Aber die Gesellen haben niemals
bloß in den Fasten am Montag nicht gearbeitet, und „blau" genannt wird
dieser Tag erst in der Wiener Maurerordnung von 1550; verser hieß er der
„lustige", auch der „gute" Montag, oder man sagte schlechtweg „Montag
machen". Eine andere Meinung geht dahin, daß die tonangebenden Hand¬
werke, die Schneider und Schuster, vielfach am Sonntage gearbeitet und diesen
Verlust an Freiheit durch den Montag eingebracht hätten. Aber es ist nicht
wahr, daß die genannten beiden Handwerke tonangebend waren und für be¬
sonders vornehm galten, vielmehr waren die Kürschner und Gerber, hier und
da auch die Bäcker und die Metzger angesehener als sie, und andrerseits war
die Sonntagsarbeit auch bei den Schneidern und Schustern im Allgemeinen
verpönt und, wie wir sahen, nur in seltenen Fällen gestattet. Etwas natürlicher
wäre es, wenn man die Sitte, gerade am Montag müßig zu gehen, nach jener
Wiener Urkunde damit erklärte, daß die Gesellen sich am Sonntag „über¬
weinten", mit andern Worten sich zu voll tranken, den Montag Katzenjammer
hatten und infolge dessen an diesem Tage nichts von Schusterpfriem, Maurer¬
kelle oder Bügeleisen und Nadel wissen wollten. Indeß bedarf anch diese Er¬
klärung uoch der Ergänzung, und diese liegt zunächst darin, daß der Montag
von Alters her derjenige Tag war, an welchem die Gesellen, die ihrem Meister
gekündigt hatten, die Stadt zu verlassen pflegten, daß ihre Kameraden vom
Handwerk sie dabei ein Stück zu begleiten verpflichtet waren, und daß ihnen
hierzu von den Meistern Zeit gelassen werden mußte. Sodann aber hatten
die Gesellen, nachdem sie sich zu Genossenschaften zusammengethan. ihre „Ge¬
bote", bei denen sie die Angelegenheiten des Vereins besprachen, und bei denen
jeder Genosse erscheinen mußte; diese „Gebote", welche mit Zechgelagen endigten,
durften sie an vielen Orten des Sonntags nicht halten, und so verlegte man
sie auf den Montag.

Wie aber ist die Bezeichnung „blau" zu verstehen? In England, >vo
die Sitte, am Moutcuz zu feiern, auch herrscht, und wo der Dechant Boyd in
Exeter vor einigen Jahren in einer Predigt die Ansicht äußerte, daß der jähr¬
liche Verlust für die in den Wollenfabriken, der Baumwollenindustrie, dem Maurer¬
und Ziegeldeckergewerbe beschäftigten Arbeitersich auf mehr als sieben Millionen Pfd-
Strl. belaufe, heißtder Montag „lälöUonM)-",fauler,müssiggängerischerMontag*)



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/414>, abgerufen am 23.07.2024.