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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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entschieden zu viele Dnrchgangszüge, weil entweder ein wirklicher Durchgangs¬
verkehr auf der betreffenden Route nicht oder doch nur in sehr beschränktem
Maße stattfindet oder weil, und das ist der häufigere Fall, nach gänzlicher Be¬
seitigung des Lokalverkehrs aus diesen Zügen eine geringere Zugzahl genügen
wird. Hierdurch kann aber die Allgemeinheit nur gewinnen, der Durchgangs¬
reisende wird froh sein, von dem Lokalverkehr unbelästigt zu bleiben er wird
größere Schnelligkeit und selteneres Anhalten der häufigeren Fahrgelegenheit
vorziehen und für derartige Züge auch gern den höhern Schnellzngspreis be¬
zahlen. Der Lokalreisende aber wird einen günstig gelegenen Lokalzng mit
billigeren Sätzen trotz kleinerer Geschwindigkeit gegenüber dem jetzigen beschleu¬
nigten resp. Schnellzug, der zeitlich ungünstig liegt und ihn zur größten Eile
in der Abwickelung seiner Geschäfte zwingt, mit Freuden begrüßen. Aber nicht
nur die wirklichen Dnrchgangszüge, die Schnellzuge, sind zur Bewältigung oder
gar Hebung des Lokalverkehrs ganz ungeeignet und daher auch vou diesem
gänzlich zu entlasten, sondern auch jene langgezogenen Personen- und gemischten
Züge, die sich von einem Ende der Bahn bis ans andere oft Hunderte von
Kilometern hin durchziehen und welche so treffend vom Volke Bummelzüge ge¬
winnt werden, können dem Lokalverkehr absolut nicht dienen. Ihre Existenz
ist überhaupt nur dadurch erklärlich, daß sie den unbemittelten Klassen als
Dnrchgangszüge dienen sollen, und, ganz abgesehen davon, daß den ärmeren
Klassen bei einer Reduktion der Wagenklassen auch die Schnellzuge besser zu¬
gänglich gemacht werden können, worauf ich noch zurückkommen werde, ist die
Ersparniß bei Benutzung eines Bnmmelzuges mehr als illusorisch, weil die
längere Fahrzeit größere Ausgaben an Beköstigungs- und Uebernachtuugsgeldern
verursacht. Also beseitige man auch diese Bummelzüge und löse sie in eine
ganze Reihe von Lokalzügen ans, die sich um jene Verkehrsmittelpunkte grup-
Piren, welche bei jeder Bahn mit einiger Aufmerksamkeit sich leicht finden lassen.
In der Regel sind es Sitze von Behörden, Märkte, Fabrikstädte, Eisenbahn¬
knotenpunkte, und ebenso lassen sich um diese Centren Kreise ziehen, innerhalb
welcher der tägliche Verkehr von und nach den Mittelpunkten hin- und her¬
wogt. Man lege um die Lokalzüge so, daß es den Bewohnern der betreffen¬
den Kreisfläche ermöglicht ist, sowohl Vormittags als auch Nachmittags mehrere
Stunden im Centrum zuzubringen, während sie die ersten Früh-, die Mittags¬
und Abendstunden zu Hause sein können. In den meisten Fällen wird sich
das ganz leicht erreichen lassen, da die Radien derartiger Kreise in starkbe¬
völkerten Distrikten selten länger als 20--30 Kilometer sein werden, so daß
die Fahrzeit, selbst bei möglichst vielen Anhaltepunkten, immer noch eine kurze
sein wird. Die Zahl dieser Züge muß sich natürlich lediglich nach der Fre¬
quenz derselben richten und bei steigendem Verkehr angemessen vermehrt wer-


entschieden zu viele Dnrchgangszüge, weil entweder ein wirklicher Durchgangs¬
verkehr auf der betreffenden Route nicht oder doch nur in sehr beschränktem
Maße stattfindet oder weil, und das ist der häufigere Fall, nach gänzlicher Be¬
seitigung des Lokalverkehrs aus diesen Zügen eine geringere Zugzahl genügen
wird. Hierdurch kann aber die Allgemeinheit nur gewinnen, der Durchgangs¬
reisende wird froh sein, von dem Lokalverkehr unbelästigt zu bleiben er wird
größere Schnelligkeit und selteneres Anhalten der häufigeren Fahrgelegenheit
vorziehen und für derartige Züge auch gern den höhern Schnellzngspreis be¬
zahlen. Der Lokalreisende aber wird einen günstig gelegenen Lokalzng mit
billigeren Sätzen trotz kleinerer Geschwindigkeit gegenüber dem jetzigen beschleu¬
nigten resp. Schnellzug, der zeitlich ungünstig liegt und ihn zur größten Eile
in der Abwickelung seiner Geschäfte zwingt, mit Freuden begrüßen. Aber nicht
nur die wirklichen Dnrchgangszüge, die Schnellzuge, sind zur Bewältigung oder
gar Hebung des Lokalverkehrs ganz ungeeignet und daher auch vou diesem
gänzlich zu entlasten, sondern auch jene langgezogenen Personen- und gemischten
Züge, die sich von einem Ende der Bahn bis ans andere oft Hunderte von
Kilometern hin durchziehen und welche so treffend vom Volke Bummelzüge ge¬
winnt werden, können dem Lokalverkehr absolut nicht dienen. Ihre Existenz
ist überhaupt nur dadurch erklärlich, daß sie den unbemittelten Klassen als
Dnrchgangszüge dienen sollen, und, ganz abgesehen davon, daß den ärmeren
Klassen bei einer Reduktion der Wagenklassen auch die Schnellzuge besser zu¬
gänglich gemacht werden können, worauf ich noch zurückkommen werde, ist die
Ersparniß bei Benutzung eines Bnmmelzuges mehr als illusorisch, weil die
längere Fahrzeit größere Ausgaben an Beköstigungs- und Uebernachtuugsgeldern
verursacht. Also beseitige man auch diese Bummelzüge und löse sie in eine
ganze Reihe von Lokalzügen ans, die sich um jene Verkehrsmittelpunkte grup-
Piren, welche bei jeder Bahn mit einiger Aufmerksamkeit sich leicht finden lassen.
In der Regel sind es Sitze von Behörden, Märkte, Fabrikstädte, Eisenbahn¬
knotenpunkte, und ebenso lassen sich um diese Centren Kreise ziehen, innerhalb
welcher der tägliche Verkehr von und nach den Mittelpunkten hin- und her¬
wogt. Man lege um die Lokalzüge so, daß es den Bewohnern der betreffen¬
den Kreisfläche ermöglicht ist, sowohl Vormittags als auch Nachmittags mehrere
Stunden im Centrum zuzubringen, während sie die ersten Früh-, die Mittags¬
und Abendstunden zu Hause sein können. In den meisten Fällen wird sich
das ganz leicht erreichen lassen, da die Radien derartiger Kreise in starkbe¬
völkerten Distrikten selten länger als 20—30 Kilometer sein werden, so daß
die Fahrzeit, selbst bei möglichst vielen Anhaltepunkten, immer noch eine kurze
sein wird. Die Zahl dieser Züge muß sich natürlich lediglich nach der Fre¬
quenz derselben richten und bei steigendem Verkehr angemessen vermehrt wer-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/391>, abgerufen am 23.07.2024.