Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

denn auf diesen Nebenbahnen ist die Zahl derjenigen Personen, die von da
auf eine Hauptbahn übergehen und auf dieser noch weiter fahre", so gering,
daß es durchaus ungerechtfertigt ist, zu Gunsten dieser Wenigen die ganze
übrige Bevölkerung zu schädigen; diese paar Leute mögen auf den Anschlu߬
stationen an die Hauptbahn immerhin längere Zeit auf den nächsten Schnellzug
warten, es ist das nicht so schlimm, als wenn die Bevölkerung der Gegend,
welche von der Bahn durchschnitten wird, wegen der schlechten Lage der Züge
der Tageszeit nach, diese gar nicht benutzt, sondern lieber zu Fuß oder per
Landfuhrwerk seinen Geschäften nachgeht.

Die allzu große Rücksichtnahme auf den Durchgangsverkehr hat bisher den
Lokalverkehr uicht nur nicht aufkommen lassen, sondern es ist vielfach der
Lokalverkehr, wie und wo er früher bestand, zurückgegangen, natürliche Ver-
kehrsmittelpuukte belebter Gegenden find in Gefahr, diese Eigenschaft zu ver¬
lieren oder haben sie bereits verloren, weil sie trotz der Lage an der Eisenbahn
für die Züge ungünstig liegen, und dadurch hat weder die betreffende Gegend
noch die Eisenbahn noch die Allgemeinheit Etwas gewonnen. Wie in so man¬
cher Hinsicht kann uns auch hier wieder Englaud als Muster dienen. Dort
bewegen sich Durchgangs- und Lvkalverkehr ganz unabhängig von einander,
und beide aufs Juteusivste entwickelt, neben einander, und dadurch ist es nicht
zum Wenigsten mit hervorgerufen worden, daß der Personenverkehr zu den
Einnahmen und zu der Rentabilität der Eisenbahnen vollkommen gleichwertig
neben dem Güterverkehr das Seine beiträgt.

Betrachten wir die Forderungen, welche für den Durchgangsverkehr und
für deu Lokalverkehr zu machen sind, so ergibt sich für erstere Verkehrsgattung:

größte Schnelligkeit, möglichster Komfort, wenig Anhaltepunkte, kein
Wagen- und Personenwechsel ans lange Linien, wobei die Tageszeit
gleichgiltig ist.

Dagegen für die zweite Art des Personenverkehrs:

viele AnHaltestellen und dadurch geringere Schnelligkeit, bestimmte
Stunden des Tages, natürliche Ausgangs- und Endpunkte, wie Ge¬
richtssitze, Märkte, Fabrikstädte :e. und kurze Strecken, wobei der
Komfort weniger in Betracht kommt.

Wie ist um, mit wenigen Ausnahmen einiger Bahnen in den westlichen
Industriebezirken, in Deutschland diesen Anforderungen genügt? Für den
Durchgangsverkehr ist im Allgemeinen genügend Sorge getragen, obgleich auch
hier oft genug weniger Anhaltepunkte zu wünschen wären. Häufig find sogar


diese auf die Hälfte, d. h. auf 6 Züge im Ganzen reduzirt werden, so entspricht dies einer
jährlichen Ersparnis; von 270,000 Mark. Gewiß eine hübsche Summe.

denn auf diesen Nebenbahnen ist die Zahl derjenigen Personen, die von da
auf eine Hauptbahn übergehen und auf dieser noch weiter fahre«, so gering,
daß es durchaus ungerechtfertigt ist, zu Gunsten dieser Wenigen die ganze
übrige Bevölkerung zu schädigen; diese paar Leute mögen auf den Anschlu߬
stationen an die Hauptbahn immerhin längere Zeit auf den nächsten Schnellzug
warten, es ist das nicht so schlimm, als wenn die Bevölkerung der Gegend,
welche von der Bahn durchschnitten wird, wegen der schlechten Lage der Züge
der Tageszeit nach, diese gar nicht benutzt, sondern lieber zu Fuß oder per
Landfuhrwerk seinen Geschäften nachgeht.

Die allzu große Rücksichtnahme auf den Durchgangsverkehr hat bisher den
Lokalverkehr uicht nur nicht aufkommen lassen, sondern es ist vielfach der
Lokalverkehr, wie und wo er früher bestand, zurückgegangen, natürliche Ver-
kehrsmittelpuukte belebter Gegenden find in Gefahr, diese Eigenschaft zu ver¬
lieren oder haben sie bereits verloren, weil sie trotz der Lage an der Eisenbahn
für die Züge ungünstig liegen, und dadurch hat weder die betreffende Gegend
noch die Eisenbahn noch die Allgemeinheit Etwas gewonnen. Wie in so man¬
cher Hinsicht kann uns auch hier wieder Englaud als Muster dienen. Dort
bewegen sich Durchgangs- und Lvkalverkehr ganz unabhängig von einander,
und beide aufs Juteusivste entwickelt, neben einander, und dadurch ist es nicht
zum Wenigsten mit hervorgerufen worden, daß der Personenverkehr zu den
Einnahmen und zu der Rentabilität der Eisenbahnen vollkommen gleichwertig
neben dem Güterverkehr das Seine beiträgt.

Betrachten wir die Forderungen, welche für den Durchgangsverkehr und
für deu Lokalverkehr zu machen sind, so ergibt sich für erstere Verkehrsgattung:

größte Schnelligkeit, möglichster Komfort, wenig Anhaltepunkte, kein
Wagen- und Personenwechsel ans lange Linien, wobei die Tageszeit
gleichgiltig ist.

Dagegen für die zweite Art des Personenverkehrs:

viele AnHaltestellen und dadurch geringere Schnelligkeit, bestimmte
Stunden des Tages, natürliche Ausgangs- und Endpunkte, wie Ge¬
richtssitze, Märkte, Fabrikstädte :e. und kurze Strecken, wobei der
Komfort weniger in Betracht kommt.

Wie ist um, mit wenigen Ausnahmen einiger Bahnen in den westlichen
Industriebezirken, in Deutschland diesen Anforderungen genügt? Für den
Durchgangsverkehr ist im Allgemeinen genügend Sorge getragen, obgleich auch
hier oft genug weniger Anhaltepunkte zu wünschen wären. Häufig find sogar


diese auf die Hälfte, d. h. auf 6 Züge im Ganzen reduzirt werden, so entspricht dies einer
jährlichen Ersparnis; von 270,000 Mark. Gewiß eine hübsche Summe.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0390" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138091"/>
          <p xml:id="ID_1106" prev="#ID_1105"> denn auf diesen Nebenbahnen ist die Zahl derjenigen Personen, die von da<lb/>
auf eine Hauptbahn übergehen und auf dieser noch weiter fahre«, so gering,<lb/>
daß es durchaus ungerechtfertigt ist, zu Gunsten dieser Wenigen die ganze<lb/>
übrige Bevölkerung zu schädigen; diese paar Leute mögen auf den Anschlu߬<lb/>
stationen an die Hauptbahn immerhin längere Zeit auf den nächsten Schnellzug<lb/>
warten, es ist das nicht so schlimm, als wenn die Bevölkerung der Gegend,<lb/>
welche von der Bahn durchschnitten wird, wegen der schlechten Lage der Züge<lb/>
der Tageszeit nach, diese gar nicht benutzt, sondern lieber zu Fuß oder per<lb/>
Landfuhrwerk seinen Geschäften nachgeht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1107"> Die allzu große Rücksichtnahme auf den Durchgangsverkehr hat bisher den<lb/>
Lokalverkehr uicht nur nicht aufkommen lassen, sondern es ist vielfach der<lb/>
Lokalverkehr, wie und wo er früher bestand, zurückgegangen, natürliche Ver-<lb/>
kehrsmittelpuukte belebter Gegenden find in Gefahr, diese Eigenschaft zu ver¬<lb/>
lieren oder haben sie bereits verloren, weil sie trotz der Lage an der Eisenbahn<lb/>
für die Züge ungünstig liegen, und dadurch hat weder die betreffende Gegend<lb/>
noch die Eisenbahn noch die Allgemeinheit Etwas gewonnen. Wie in so man¬<lb/>
cher Hinsicht kann uns auch hier wieder Englaud als Muster dienen. Dort<lb/>
bewegen sich Durchgangs- und Lvkalverkehr ganz unabhängig von einander,<lb/>
und beide aufs Juteusivste entwickelt, neben einander, und dadurch ist es nicht<lb/>
zum Wenigsten mit hervorgerufen worden, daß der Personenverkehr zu den<lb/>
Einnahmen und zu der Rentabilität der Eisenbahnen vollkommen gleichwertig<lb/>
neben dem Güterverkehr das Seine beiträgt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1108" next="#ID_1109"> Betrachten wir die Forderungen, welche für den Durchgangsverkehr und<lb/>
für deu Lokalverkehr zu machen sind, so ergibt sich für erstere Verkehrsgattung:</p><lb/>
          <list>
            <item> größte Schnelligkeit, möglichster Komfort, wenig Anhaltepunkte, kein<lb/>
Wagen- und Personenwechsel ans lange Linien, wobei die Tageszeit<lb/>
gleichgiltig ist.</item>
          </list><lb/>
          <p xml:id="ID_1109" prev="#ID_1108"> Dagegen für die zweite Art des Personenverkehrs:</p><lb/>
          <list>
            <item> viele AnHaltestellen und dadurch geringere Schnelligkeit, bestimmte<lb/>
Stunden des Tages, natürliche Ausgangs- und Endpunkte, wie Ge¬<lb/>
richtssitze, Märkte, Fabrikstädte :e. und kurze Strecken, wobei der<lb/>
Komfort weniger in Betracht kommt.</item>
          </list><lb/>
          <p xml:id="ID_1110" next="#ID_1111"> Wie ist um, mit wenigen Ausnahmen einiger Bahnen in den westlichen<lb/>
Industriebezirken, in Deutschland diesen Anforderungen genügt?  Für den<lb/>
Durchgangsverkehr ist im Allgemeinen genügend Sorge getragen, obgleich auch<lb/>
hier oft genug weniger Anhaltepunkte zu wünschen wären. Häufig find sogar</p><lb/>
          <note xml:id="FID_130" prev="#FID_129" place="foot"> diese auf die Hälfte, d. h. auf 6 Züge im Ganzen reduzirt werden, so entspricht dies einer<lb/>
jährlichen Ersparnis; von 270,000 Mark.  Gewiß eine hübsche Summe.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0390] denn auf diesen Nebenbahnen ist die Zahl derjenigen Personen, die von da auf eine Hauptbahn übergehen und auf dieser noch weiter fahre«, so gering, daß es durchaus ungerechtfertigt ist, zu Gunsten dieser Wenigen die ganze übrige Bevölkerung zu schädigen; diese paar Leute mögen auf den Anschlu߬ stationen an die Hauptbahn immerhin längere Zeit auf den nächsten Schnellzug warten, es ist das nicht so schlimm, als wenn die Bevölkerung der Gegend, welche von der Bahn durchschnitten wird, wegen der schlechten Lage der Züge der Tageszeit nach, diese gar nicht benutzt, sondern lieber zu Fuß oder per Landfuhrwerk seinen Geschäften nachgeht. Die allzu große Rücksichtnahme auf den Durchgangsverkehr hat bisher den Lokalverkehr uicht nur nicht aufkommen lassen, sondern es ist vielfach der Lokalverkehr, wie und wo er früher bestand, zurückgegangen, natürliche Ver- kehrsmittelpuukte belebter Gegenden find in Gefahr, diese Eigenschaft zu ver¬ lieren oder haben sie bereits verloren, weil sie trotz der Lage an der Eisenbahn für die Züge ungünstig liegen, und dadurch hat weder die betreffende Gegend noch die Eisenbahn noch die Allgemeinheit Etwas gewonnen. Wie in so man¬ cher Hinsicht kann uns auch hier wieder Englaud als Muster dienen. Dort bewegen sich Durchgangs- und Lvkalverkehr ganz unabhängig von einander, und beide aufs Juteusivste entwickelt, neben einander, und dadurch ist es nicht zum Wenigsten mit hervorgerufen worden, daß der Personenverkehr zu den Einnahmen und zu der Rentabilität der Eisenbahnen vollkommen gleichwertig neben dem Güterverkehr das Seine beiträgt. Betrachten wir die Forderungen, welche für den Durchgangsverkehr und für deu Lokalverkehr zu machen sind, so ergibt sich für erstere Verkehrsgattung: größte Schnelligkeit, möglichster Komfort, wenig Anhaltepunkte, kein Wagen- und Personenwechsel ans lange Linien, wobei die Tageszeit gleichgiltig ist. Dagegen für die zweite Art des Personenverkehrs: viele AnHaltestellen und dadurch geringere Schnelligkeit, bestimmte Stunden des Tages, natürliche Ausgangs- und Endpunkte, wie Ge¬ richtssitze, Märkte, Fabrikstädte :e. und kurze Strecken, wobei der Komfort weniger in Betracht kommt. Wie ist um, mit wenigen Ausnahmen einiger Bahnen in den westlichen Industriebezirken, in Deutschland diesen Anforderungen genügt? Für den Durchgangsverkehr ist im Allgemeinen genügend Sorge getragen, obgleich auch hier oft genug weniger Anhaltepunkte zu wünschen wären. Häufig find sogar diese auf die Hälfte, d. h. auf 6 Züge im Ganzen reduzirt werden, so entspricht dies einer jährlichen Ersparnis; von 270,000 Mark. Gewiß eine hübsche Summe.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/390
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/390>, abgerufen am 23.07.2024.