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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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weg. Am Rhein heißt es, daß die Mägde, die an ihm einen Dienst antreten,
viel Geschirr zerbrechen oder bald wieder abziehen. Man darf Montags bei
Käufer nichts schuldig bleiben, keinen Strumpf umgewendet anziehen, sich beim
Nachbar kein Feuer holen und ebenso wenig jemand Feuer geben. Wer Mon¬
tags in eine fremde Stube kommt und sich darin nicht niedersetzt, der nimmt
den Leuten die Ruhe mit hinweg oder macht, daß der Mann die Frau prügelt.
Einiges hiervon bezieht sich darauf, daß das Volk den Montag als ersten,
nicht, wie die Kirche will, als zweiten Tag der Woche auffaßt, das Meiste
aber hängt damit zusammen, daß der Tag nach dem Monde benannt ist und
damit etwas von dessen Wesen angenommen hat.

Zahlreicher noch als diese Behauptungen vom Monde im Allgemeinen
sind die Regeln des Volksglaubens, die sich ans seine Phasen beziehen. Die
Haare muß man sich in Tirol bei abnehmendem, sonst aber überall unter den
Deutschen bei zunehmendem Monde schneiden lassen. Eier, im ersten Viertel
gelegt, werden nicht leicht faul und sind gut zum Erzielen junger Brut. Alles
Schlachtvieh, desgleichen Krebse und Auster" sollen im Vollmonde fetter als
sonst sein. Kinder müssen während derselben Phase entwöhnt werden, weil
sie dann besonders gedeihen, und ebenso soll man in dieser Zeit die Kälber
absetzen. Kürbisse, drei Tage vor Vollwerden des Mondes gesteckt, werden
ungewöhnlich groß. Getreide ist nach fast allgemeinem Glauben (in Tirol
wird der Roggen ausgenommen) bei zunehmendem Monde zu säen, dagegen
Müssen Erbsen, Buchweizen und Alles, was seine Frucht unter der Erde an¬
ätzt, z. B. Kartoffeln, Rüben, Möhren und Zwiebeln bei abnehmendem gesäet
oder gepflanzt werden. Bracher soll man in Tirol, wenn "der Mond nnter
der Erde ist". Im Allgemeinen gilt, daß alle Dinge, die auf ein Gewinnen
oder Behalten abzielen, bei wachsendem, alle dagegen, welche darauf gerichtet
send, etwas loszuwerden, bei schwindenden Monde vorzunehmen sind. Da
indeß im Aberglauben die Willkür der Phantasie vorherrscht, so sind die Aus¬
nahmen hierbei fast so zahlreich vertreten als die Regel. Bei zunehmendem
Monde muß man die Schafe scheren, die Wiesen mähen, die zum Schlage
bestimmten Waldstrecken fallen und (in Kärnthen) Dünger ans den Acker fahren.
Vorzüglich muß alles zum Bauen bestimmte Holz in dieser Periode gefüllt
werden, weil sonst dem daraus errichteten Hause ein Unglück widerführe;
Brennholz dagegen ist bei abnehmenden: Lichte zu schlagen, da es so besser
brennt (Kärnthen). Waschen soll man in Tirol im letzten Viertel, und in
derselben Zeit nimmt man in der Mark das Schweineschlachten und in
Mecklenburg das Weißen der Stuben vor, "weil sie sonst nicht trocken werden",
^n vielen Gegenden, in Ostpreußen, Pommern und Hessen z. B., läßt sich nicht
^icht Jemand bei abnehmendem Monde trauen. Dagegen ist der Vollmond


weg. Am Rhein heißt es, daß die Mägde, die an ihm einen Dienst antreten,
viel Geschirr zerbrechen oder bald wieder abziehen. Man darf Montags bei
Käufer nichts schuldig bleiben, keinen Strumpf umgewendet anziehen, sich beim
Nachbar kein Feuer holen und ebenso wenig jemand Feuer geben. Wer Mon¬
tags in eine fremde Stube kommt und sich darin nicht niedersetzt, der nimmt
den Leuten die Ruhe mit hinweg oder macht, daß der Mann die Frau prügelt.
Einiges hiervon bezieht sich darauf, daß das Volk den Montag als ersten,
nicht, wie die Kirche will, als zweiten Tag der Woche auffaßt, das Meiste
aber hängt damit zusammen, daß der Tag nach dem Monde benannt ist und
damit etwas von dessen Wesen angenommen hat.

Zahlreicher noch als diese Behauptungen vom Monde im Allgemeinen
sind die Regeln des Volksglaubens, die sich ans seine Phasen beziehen. Die
Haare muß man sich in Tirol bei abnehmendem, sonst aber überall unter den
Deutschen bei zunehmendem Monde schneiden lassen. Eier, im ersten Viertel
gelegt, werden nicht leicht faul und sind gut zum Erzielen junger Brut. Alles
Schlachtvieh, desgleichen Krebse und Auster» sollen im Vollmonde fetter als
sonst sein. Kinder müssen während derselben Phase entwöhnt werden, weil
sie dann besonders gedeihen, und ebenso soll man in dieser Zeit die Kälber
absetzen. Kürbisse, drei Tage vor Vollwerden des Mondes gesteckt, werden
ungewöhnlich groß. Getreide ist nach fast allgemeinem Glauben (in Tirol
wird der Roggen ausgenommen) bei zunehmendem Monde zu säen, dagegen
Müssen Erbsen, Buchweizen und Alles, was seine Frucht unter der Erde an¬
ätzt, z. B. Kartoffeln, Rüben, Möhren und Zwiebeln bei abnehmendem gesäet
oder gepflanzt werden. Bracher soll man in Tirol, wenn „der Mond nnter
der Erde ist". Im Allgemeinen gilt, daß alle Dinge, die auf ein Gewinnen
oder Behalten abzielen, bei wachsendem, alle dagegen, welche darauf gerichtet
send, etwas loszuwerden, bei schwindenden Monde vorzunehmen sind. Da
indeß im Aberglauben die Willkür der Phantasie vorherrscht, so sind die Aus¬
nahmen hierbei fast so zahlreich vertreten als die Regel. Bei zunehmendem
Monde muß man die Schafe scheren, die Wiesen mähen, die zum Schlage
bestimmten Waldstrecken fallen und (in Kärnthen) Dünger ans den Acker fahren.
Vorzüglich muß alles zum Bauen bestimmte Holz in dieser Periode gefüllt
werden, weil sonst dem daraus errichteten Hause ein Unglück widerführe;
Brennholz dagegen ist bei abnehmenden: Lichte zu schlagen, da es so besser
brennt (Kärnthen). Waschen soll man in Tirol im letzten Viertel, und in
derselben Zeit nimmt man in der Mark das Schweineschlachten und in
Mecklenburg das Weißen der Stuben vor, „weil sie sonst nicht trocken werden",
^n vielen Gegenden, in Ostpreußen, Pommern und Hessen z. B., läßt sich nicht
^icht Jemand bei abnehmendem Monde trauen. Dagegen ist der Vollmond


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/375>, abgerufen am 23.07.2024.