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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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schen Kuren, beim Schröpfen und Aderlassen, beim Abtreiben von Würmern
als wichtiges Bestimmungszeichen betrachtet. Der zunehmende Mond gibt ge¬
wöhnlich eine günstige, der abnehmende eine ungünstige Zeit für die Unter¬
nehmungen des Landmanns, vorzüglich für Säen und Pflanzen, aber auch für
Dienst- und Wohnungswechsel, Hochzeiten u. tgi. Der Vollmond scheint in
manchen Gegenden geradezu als giftig aufgefaßt zu werden, während sein
Licht in andern als Heilmittel benutzt wird. Auch der Neumond hat seine
Bedeutung, ja selbst der Montag nimmt an der Wichtigkeit, die sein Ncunen-
geber für das Leben hat, einigen Antheil. Viele dieser Regeln widersprechen
sich, indem hier das Eine, dort das Entgegengesetzte beobachtet werden muß,
manche stammen offenbar aus der Astrologie des Orients, einige haben ihre
Begründung uur darin, daß mau deu Mond und seine Phasen mit dem Leben
verglich, ihn als Symbol und Omen irdischer Entwickelung betrachtete, andere
wieder beruhen auf altgermanischen Zauberglauben.

Im Nachstehenden geben wir eine Uebersicht der wichtigsten Sätze dieses
Aberglaubens, und zwar zunächst der an das Obige sich enger anschließenden,
nach denen der Mond als gefahrdrohendes, schädliches Gestirn erscheint. Im
Mondschein darf man nicht spinnen, in der Oberpfalz, weil solches Garn nicht
hält, in Südschwaben, weil man damit einem seiner Angehörigen einen Strick
an den Hals spinnt. Man darf ferner in verschiedenen norddeutschen Gegen¬
den kein Geräth oder Werkzeug im Mondschein stehen oder liegen lassen, da
es dann bald entzweigeht. Aus ähnlichen Gründen hütet man sich in
Schlesien, Wäsche im Mondschein auf der Trockenleine zu lassen. Wer aus
einem Bach oder Brunnen trinkt, in den der Mond scheint, begeht in der
Oberpfalz einen Frevel (entweder gegen sich selbst oder gegen den Mond), weil
er den (giftigen?) Mond mit einschluckt. Ebendaselbst darf man im Mond¬
schein nicht tanzen, weil dann die Decke der Erde so dünn wie Spinneweben
ist und die Geister durch das Tanzen herausgelockt werden. Verboten ist
ferner in vielen Strichen Deutschlands, umgetaufte Kinder dem Mondschein
auszusetzen, da sie dann leicht mondsüchtig oder Zauberer werden, sehr unklug,
nach dem Monde mit den Fingern zu weisen, weil man sich dann ein Nagel¬
geschwür, oder gegen ihn auszuspeien, weil man sich dadurch einen Ausschlag
um den Mund zuzieht. Im hellen Mondlicht schlafen, macht blind. Schwän-
gernng im Mondschein, heißt es in der Oberpfalz, hat mordsüchtige Kinder
zur Folge. Endlich soll der Mondschein den Teint schwärzen, die Fäulniß von
Fleisch und Fischen befördern und Barbiermesser stumpf machen. Der Montag
gilt in den meisten Gegenden Deutschlands als ein Unglückstag. In: Lauen-
burgischen wird das an ihm Begonnene "nicht wochenalt". Im Altenburgi-
schen gibt der, welcher an ihm Etwas verleiht, das Glück für die Woche mit


schen Kuren, beim Schröpfen und Aderlassen, beim Abtreiben von Würmern
als wichtiges Bestimmungszeichen betrachtet. Der zunehmende Mond gibt ge¬
wöhnlich eine günstige, der abnehmende eine ungünstige Zeit für die Unter¬
nehmungen des Landmanns, vorzüglich für Säen und Pflanzen, aber auch für
Dienst- und Wohnungswechsel, Hochzeiten u. tgi. Der Vollmond scheint in
manchen Gegenden geradezu als giftig aufgefaßt zu werden, während sein
Licht in andern als Heilmittel benutzt wird. Auch der Neumond hat seine
Bedeutung, ja selbst der Montag nimmt an der Wichtigkeit, die sein Ncunen-
geber für das Leben hat, einigen Antheil. Viele dieser Regeln widersprechen
sich, indem hier das Eine, dort das Entgegengesetzte beobachtet werden muß,
manche stammen offenbar aus der Astrologie des Orients, einige haben ihre
Begründung uur darin, daß mau deu Mond und seine Phasen mit dem Leben
verglich, ihn als Symbol und Omen irdischer Entwickelung betrachtete, andere
wieder beruhen auf altgermanischen Zauberglauben.

Im Nachstehenden geben wir eine Uebersicht der wichtigsten Sätze dieses
Aberglaubens, und zwar zunächst der an das Obige sich enger anschließenden,
nach denen der Mond als gefahrdrohendes, schädliches Gestirn erscheint. Im
Mondschein darf man nicht spinnen, in der Oberpfalz, weil solches Garn nicht
hält, in Südschwaben, weil man damit einem seiner Angehörigen einen Strick
an den Hals spinnt. Man darf ferner in verschiedenen norddeutschen Gegen¬
den kein Geräth oder Werkzeug im Mondschein stehen oder liegen lassen, da
es dann bald entzweigeht. Aus ähnlichen Gründen hütet man sich in
Schlesien, Wäsche im Mondschein auf der Trockenleine zu lassen. Wer aus
einem Bach oder Brunnen trinkt, in den der Mond scheint, begeht in der
Oberpfalz einen Frevel (entweder gegen sich selbst oder gegen den Mond), weil
er den (giftigen?) Mond mit einschluckt. Ebendaselbst darf man im Mond¬
schein nicht tanzen, weil dann die Decke der Erde so dünn wie Spinneweben
ist und die Geister durch das Tanzen herausgelockt werden. Verboten ist
ferner in vielen Strichen Deutschlands, umgetaufte Kinder dem Mondschein
auszusetzen, da sie dann leicht mondsüchtig oder Zauberer werden, sehr unklug,
nach dem Monde mit den Fingern zu weisen, weil man sich dann ein Nagel¬
geschwür, oder gegen ihn auszuspeien, weil man sich dadurch einen Ausschlag
um den Mund zuzieht. Im hellen Mondlicht schlafen, macht blind. Schwän-
gernng im Mondschein, heißt es in der Oberpfalz, hat mordsüchtige Kinder
zur Folge. Endlich soll der Mondschein den Teint schwärzen, die Fäulniß von
Fleisch und Fischen befördern und Barbiermesser stumpf machen. Der Montag
gilt in den meisten Gegenden Deutschlands als ein Unglückstag. In: Lauen-
burgischen wird das an ihm Begonnene „nicht wochenalt". Im Altenburgi-
schen gibt der, welcher an ihm Etwas verleiht, das Glück für die Woche mit


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[0374] schen Kuren, beim Schröpfen und Aderlassen, beim Abtreiben von Würmern als wichtiges Bestimmungszeichen betrachtet. Der zunehmende Mond gibt ge¬ wöhnlich eine günstige, der abnehmende eine ungünstige Zeit für die Unter¬ nehmungen des Landmanns, vorzüglich für Säen und Pflanzen, aber auch für Dienst- und Wohnungswechsel, Hochzeiten u. tgi. Der Vollmond scheint in manchen Gegenden geradezu als giftig aufgefaßt zu werden, während sein Licht in andern als Heilmittel benutzt wird. Auch der Neumond hat seine Bedeutung, ja selbst der Montag nimmt an der Wichtigkeit, die sein Ncunen- geber für das Leben hat, einigen Antheil. Viele dieser Regeln widersprechen sich, indem hier das Eine, dort das Entgegengesetzte beobachtet werden muß, manche stammen offenbar aus der Astrologie des Orients, einige haben ihre Begründung uur darin, daß mau deu Mond und seine Phasen mit dem Leben verglich, ihn als Symbol und Omen irdischer Entwickelung betrachtete, andere wieder beruhen auf altgermanischen Zauberglauben. Im Nachstehenden geben wir eine Uebersicht der wichtigsten Sätze dieses Aberglaubens, und zwar zunächst der an das Obige sich enger anschließenden, nach denen der Mond als gefahrdrohendes, schädliches Gestirn erscheint. Im Mondschein darf man nicht spinnen, in der Oberpfalz, weil solches Garn nicht hält, in Südschwaben, weil man damit einem seiner Angehörigen einen Strick an den Hals spinnt. Man darf ferner in verschiedenen norddeutschen Gegen¬ den kein Geräth oder Werkzeug im Mondschein stehen oder liegen lassen, da es dann bald entzweigeht. Aus ähnlichen Gründen hütet man sich in Schlesien, Wäsche im Mondschein auf der Trockenleine zu lassen. Wer aus einem Bach oder Brunnen trinkt, in den der Mond scheint, begeht in der Oberpfalz einen Frevel (entweder gegen sich selbst oder gegen den Mond), weil er den (giftigen?) Mond mit einschluckt. Ebendaselbst darf man im Mond¬ schein nicht tanzen, weil dann die Decke der Erde so dünn wie Spinneweben ist und die Geister durch das Tanzen herausgelockt werden. Verboten ist ferner in vielen Strichen Deutschlands, umgetaufte Kinder dem Mondschein auszusetzen, da sie dann leicht mondsüchtig oder Zauberer werden, sehr unklug, nach dem Monde mit den Fingern zu weisen, weil man sich dann ein Nagel¬ geschwür, oder gegen ihn auszuspeien, weil man sich dadurch einen Ausschlag um den Mund zuzieht. Im hellen Mondlicht schlafen, macht blind. Schwän- gernng im Mondschein, heißt es in der Oberpfalz, hat mordsüchtige Kinder zur Folge. Endlich soll der Mondschein den Teint schwärzen, die Fäulniß von Fleisch und Fischen befördern und Barbiermesser stumpf machen. Der Montag gilt in den meisten Gegenden Deutschlands als ein Unglückstag. In: Lauen- burgischen wird das an ihm Begonnene „nicht wochenalt". Im Altenburgi- schen gibt der, welcher an ihm Etwas verleiht, das Glück für die Woche mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/374>, abgerufen am 23.07.2024.