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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Meer, oder: Fort will der Held; doch köunen solche Fälle nicht als Ausnahmen
von der Regel gelten; denn hier sind die vorausgeschickten Partikeln nicht mehr
mit dem Simplex engverbundene Theile der Zusammensetzung, sondern als
getrennte, selbständige Wörter zu betrachten. Wirkliche Ausnahmen von der
Regel dagegen bilden der fragende, der befehlende, der wünschende und der
Ausrufungssatz, z. B.: Bist du dagewesen? Gehet ilir weiter voraus? Hat das
Mühe gekostet! Möchten sie das Gute erkennen! besonders aber die Sätze
mit eingeschobnem "doch", z. B.: Galt es doch nur den Feinden. Ferner ge¬
statten gewisse Gattungen der Poesie, vorzüglich die Ballade und das einfache
Lied, am Anfange der Hauptsätze die Persvnalpronomina im Singular wie im
Plural da wegzulassen, wo sie als Subjekte von dem Verbum fluidum stehen
sollten, und in gleicher Weise kann hier das stellvertretende "es" wegbleiben.
Goethe und Luther lieben solche Auslassungen sehr. Wir erinnern an: "Habe
nun, ach! Philosophie" und: "Sah ein Knab' ein Röslein stehn", und an die
Luther'schen Sätze: "Ist wohlgeredet", "Spricht zu ihm Martha" und: "Ist
genug, daß sie Aufruhr und Unfrieden zu lehren wehren". In manchen Formeln
ist solche Weglassung noch heute üblich: z. B. "Sprach's und ging davon".
Dagegen ist es keine erlaubte Ausnahme von der Regel, sondern ein grober
Fehler, wenn in Fällen, wo das "und" zwei Hauptsätze mit verschiedenen
Subjekten verknüpft, das Verbum fluidum die erste Stelle im zweiten Haupt¬
satz einnimmt, also unmittelbar hinter dem verbindenden "und" steht, wie in
den Sätzen: "Die Versammlung mußte gestern auseinandergehen, und wurde
die Resolution erst heute zum Vortrage gebracht", und: "Er lud seiner Freunde
zu sich ein, und folgte ich sehr gerne seiner Einladung."

Es ist erstaunlich, wie weit die Unsitte dieser fehlerhaften Wortstellung
namentlich in den letzten Jahrzehnten überHand genommen hat. Vom Fürsten
bis zum ärmlichsten Annoncenschreiber geht sie dnrch alle Stände und Rang¬
stufen, und selbst Gelehrte sind ihr hänfig verfallen; die kurz gefaßten Statuten
einer berühmten Gesellschaft für Künste enthalten den Fehler viermal, eine
der gelehrtesten Zeitschriften brachte einen kleinen Aufsatz, in dem er nicht
weniger als siebenmal vorkam, und der Verfasser hat einen ganzen Bogen
mit anderen Beispielen ans der Tagespresse, aus Bekanntmachungen von Behörden,
Recensionen, Buchhändleranzeigen, Börsenberichten und dergl. angefüllt. Wir
lassen einige derselben folgen.

Der heutige Geschäftsverkehr hatte eine sehr gedrückte Haltung, und
mangelte es an jeglicher Kauflust. -- Die mir und den Meinigen ausgedrückte
warme Theilnahme und die Versicherung treuester Anhänglichkeit hat uns sehr
wohlgethan, und spreche ich dafür, zugleich im Namen der Fürstin, hier¬
durch öffentlich unsern aufrichtigsten Dank aus. -- Ich beauftrage die Regie-


Meer, oder: Fort will der Held; doch köunen solche Fälle nicht als Ausnahmen
von der Regel gelten; denn hier sind die vorausgeschickten Partikeln nicht mehr
mit dem Simplex engverbundene Theile der Zusammensetzung, sondern als
getrennte, selbständige Wörter zu betrachten. Wirkliche Ausnahmen von der
Regel dagegen bilden der fragende, der befehlende, der wünschende und der
Ausrufungssatz, z. B.: Bist du dagewesen? Gehet ilir weiter voraus? Hat das
Mühe gekostet! Möchten sie das Gute erkennen! besonders aber die Sätze
mit eingeschobnem „doch", z. B.: Galt es doch nur den Feinden. Ferner ge¬
statten gewisse Gattungen der Poesie, vorzüglich die Ballade und das einfache
Lied, am Anfange der Hauptsätze die Persvnalpronomina im Singular wie im
Plural da wegzulassen, wo sie als Subjekte von dem Verbum fluidum stehen
sollten, und in gleicher Weise kann hier das stellvertretende „es" wegbleiben.
Goethe und Luther lieben solche Auslassungen sehr. Wir erinnern an: „Habe
nun, ach! Philosophie" und: „Sah ein Knab' ein Röslein stehn", und an die
Luther'schen Sätze: „Ist wohlgeredet", „Spricht zu ihm Martha" und: „Ist
genug, daß sie Aufruhr und Unfrieden zu lehren wehren". In manchen Formeln
ist solche Weglassung noch heute üblich: z. B. „Sprach's und ging davon".
Dagegen ist es keine erlaubte Ausnahme von der Regel, sondern ein grober
Fehler, wenn in Fällen, wo das „und" zwei Hauptsätze mit verschiedenen
Subjekten verknüpft, das Verbum fluidum die erste Stelle im zweiten Haupt¬
satz einnimmt, also unmittelbar hinter dem verbindenden „und" steht, wie in
den Sätzen: „Die Versammlung mußte gestern auseinandergehen, und wurde
die Resolution erst heute zum Vortrage gebracht", und: „Er lud seiner Freunde
zu sich ein, und folgte ich sehr gerne seiner Einladung."

Es ist erstaunlich, wie weit die Unsitte dieser fehlerhaften Wortstellung
namentlich in den letzten Jahrzehnten überHand genommen hat. Vom Fürsten
bis zum ärmlichsten Annoncenschreiber geht sie dnrch alle Stände und Rang¬
stufen, und selbst Gelehrte sind ihr hänfig verfallen; die kurz gefaßten Statuten
einer berühmten Gesellschaft für Künste enthalten den Fehler viermal, eine
der gelehrtesten Zeitschriften brachte einen kleinen Aufsatz, in dem er nicht
weniger als siebenmal vorkam, und der Verfasser hat einen ganzen Bogen
mit anderen Beispielen ans der Tagespresse, aus Bekanntmachungen von Behörden,
Recensionen, Buchhändleranzeigen, Börsenberichten und dergl. angefüllt. Wir
lassen einige derselben folgen.

Der heutige Geschäftsverkehr hatte eine sehr gedrückte Haltung, und
mangelte es an jeglicher Kauflust. — Die mir und den Meinigen ausgedrückte
warme Theilnahme und die Versicherung treuester Anhänglichkeit hat uns sehr
wohlgethan, und spreche ich dafür, zugleich im Namen der Fürstin, hier¬
durch öffentlich unsern aufrichtigsten Dank aus. — Ich beauftrage die Regie-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/354>, abgerufen am 23.07.2024.