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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Kciplcm, den Prediger, den Hauptmann und den Major der Leibgarden, den
Obersten und den Major der französischen und den Hauptmann der Schweizer
Garde, den Oberjägermeister, den Oberwolfsjäger, den Grvßprvpst, den Gro߬
meister, den Ceremonienmeister, den ersten Maitre d'Hütel, den Oberbrod meister,
die Gesandten, Minister und Staatssekretäre, die Marschälle von Frankreich
und einen Theil der übrigen hervorragenden Noblesse und Geistlichkeit. Die
Huissiers bringen Ordnung in die Menge und gebieten Ruhe. Der König
wäscht sich die Hände und entkleidet sich allmählich. Zwei Pagen ziehen ihm
die Pantoffeln aus, das Hemd wird beim rechten Aermel vom Großmeister
der Garderobe, beim linken vom ersten Diener der Garderobe entfernt und
einem andern Gardervbebecnnten übergeben, während ein vierter Diener das
frische Hemd in weißer Taffethülle herbeibringt. In diesem feierlichen Augen¬
blicke, dem Gipfelpunkte der Handlung, wird die fünfte Gruppe einge¬
lassen, die Alles umfaßt, was noch fehlte. Das Hemd hat ein ganzes Cere-
moniell zu durchlaufen. Die Ehre, es darreichen zu dürfen, gebührt den
Söhnen und Enkeln des Königs, in deren Abwesenheit den Prinzen, in deren
Ermangelung dem Großkämmerer und dem ersten Kammer-Edelmann. Endlich
ist es überreicht, ein Diener entfernt das alte, der erste Kammerdiener ergreift
den rechten, der erste Diener der Garderobe den linken Aermel, während zwei
andere Diener den Schlafrock vorhalten, bis das Hemd festsitzt. Hieraus hält
ein Kammerdiener dem König einen Spiegel vor, andere bringen die Kleider
herbei, der Großmeister der Garderobe reicht dem Könige die Weste und den
Rock, legt ihm das blaue Band an und schnallt ihm den Degen um. Der
dem Cravatten-Departement zugewiesene Diener bringt in einem Körbchen
einige Halsbinden, der König wählt eine, und der Gardervbemeister bindet sie
ihm nur. Der Vorstand der Taschentücherabtheilung präsentirt drei seiner
"Untergebenen" auf einem Teller, der dem Könige vom Großmeister der
Garderobe zur Auswahl hingehalten wird. Schließlich reicht er ihm feinen Stock,
seinen Hut und seine Handschuhe. Nun verfügt sich der König in den Alkoven,
kniet auf ein Kissen nieder und betet abermals, während ein Almosenier leise
sein ynkesumus murmelt. Nach alledem ertheilt jener Tagesbefehle, bestimm^
das Programm des Tages und betritt mit den hervorragendsten Personen
sein Kabinet, wo er zuweilen Audienzen ertheilt. Die Uebrigen warten draußen,
um ihn, wenn er herauskommt, zur Messe zu begleiten."

Man wird zugeben, daß dies eine gute Art war, einer Aristokratie mäßigt
Beschäftigung zu geben. Etwa hundert der vornehmsten Herren haben um
Gehen, Kommen, Warten, Defiliren vor Sr. Majestät und mit der Mühe, sich
zu ordnen und heitere und zugleich ehrfurchtsvolle Gesichter zurechtzulegen,
zwei volle Stunden todtgeschlagen, und ein Theil von ihnen wird nun sofort


Kciplcm, den Prediger, den Hauptmann und den Major der Leibgarden, den
Obersten und den Major der französischen und den Hauptmann der Schweizer
Garde, den Oberjägermeister, den Oberwolfsjäger, den Grvßprvpst, den Gro߬
meister, den Ceremonienmeister, den ersten Maitre d'Hütel, den Oberbrod meister,
die Gesandten, Minister und Staatssekretäre, die Marschälle von Frankreich
und einen Theil der übrigen hervorragenden Noblesse und Geistlichkeit. Die
Huissiers bringen Ordnung in die Menge und gebieten Ruhe. Der König
wäscht sich die Hände und entkleidet sich allmählich. Zwei Pagen ziehen ihm
die Pantoffeln aus, das Hemd wird beim rechten Aermel vom Großmeister
der Garderobe, beim linken vom ersten Diener der Garderobe entfernt und
einem andern Gardervbebecnnten übergeben, während ein vierter Diener das
frische Hemd in weißer Taffethülle herbeibringt. In diesem feierlichen Augen¬
blicke, dem Gipfelpunkte der Handlung, wird die fünfte Gruppe einge¬
lassen, die Alles umfaßt, was noch fehlte. Das Hemd hat ein ganzes Cere-
moniell zu durchlaufen. Die Ehre, es darreichen zu dürfen, gebührt den
Söhnen und Enkeln des Königs, in deren Abwesenheit den Prinzen, in deren
Ermangelung dem Großkämmerer und dem ersten Kammer-Edelmann. Endlich
ist es überreicht, ein Diener entfernt das alte, der erste Kammerdiener ergreift
den rechten, der erste Diener der Garderobe den linken Aermel, während zwei
andere Diener den Schlafrock vorhalten, bis das Hemd festsitzt. Hieraus hält
ein Kammerdiener dem König einen Spiegel vor, andere bringen die Kleider
herbei, der Großmeister der Garderobe reicht dem Könige die Weste und den
Rock, legt ihm das blaue Band an und schnallt ihm den Degen um. Der
dem Cravatten-Departement zugewiesene Diener bringt in einem Körbchen
einige Halsbinden, der König wählt eine, und der Gardervbemeister bindet sie
ihm nur. Der Vorstand der Taschentücherabtheilung präsentirt drei seiner
„Untergebenen" auf einem Teller, der dem Könige vom Großmeister der
Garderobe zur Auswahl hingehalten wird. Schließlich reicht er ihm feinen Stock,
seinen Hut und seine Handschuhe. Nun verfügt sich der König in den Alkoven,
kniet auf ein Kissen nieder und betet abermals, während ein Almosenier leise
sein ynkesumus murmelt. Nach alledem ertheilt jener Tagesbefehle, bestimm^
das Programm des Tages und betritt mit den hervorragendsten Personen
sein Kabinet, wo er zuweilen Audienzen ertheilt. Die Uebrigen warten draußen,
um ihn, wenn er herauskommt, zur Messe zu begleiten."

Man wird zugeben, daß dies eine gute Art war, einer Aristokratie mäßigt
Beschäftigung zu geben. Etwa hundert der vornehmsten Herren haben um
Gehen, Kommen, Warten, Defiliren vor Sr. Majestät und mit der Mühe, sich
zu ordnen und heitere und zugleich ehrfurchtsvolle Gesichter zurechtzulegen,
zwei volle Stunden todtgeschlagen, und ein Theil von ihnen wird nun sofort


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[0344] Kciplcm, den Prediger, den Hauptmann und den Major der Leibgarden, den Obersten und den Major der französischen und den Hauptmann der Schweizer Garde, den Oberjägermeister, den Oberwolfsjäger, den Grvßprvpst, den Gro߬ meister, den Ceremonienmeister, den ersten Maitre d'Hütel, den Oberbrod meister, die Gesandten, Minister und Staatssekretäre, die Marschälle von Frankreich und einen Theil der übrigen hervorragenden Noblesse und Geistlichkeit. Die Huissiers bringen Ordnung in die Menge und gebieten Ruhe. Der König wäscht sich die Hände und entkleidet sich allmählich. Zwei Pagen ziehen ihm die Pantoffeln aus, das Hemd wird beim rechten Aermel vom Großmeister der Garderobe, beim linken vom ersten Diener der Garderobe entfernt und einem andern Gardervbebecnnten übergeben, während ein vierter Diener das frische Hemd in weißer Taffethülle herbeibringt. In diesem feierlichen Augen¬ blicke, dem Gipfelpunkte der Handlung, wird die fünfte Gruppe einge¬ lassen, die Alles umfaßt, was noch fehlte. Das Hemd hat ein ganzes Cere- moniell zu durchlaufen. Die Ehre, es darreichen zu dürfen, gebührt den Söhnen und Enkeln des Königs, in deren Abwesenheit den Prinzen, in deren Ermangelung dem Großkämmerer und dem ersten Kammer-Edelmann. Endlich ist es überreicht, ein Diener entfernt das alte, der erste Kammerdiener ergreift den rechten, der erste Diener der Garderobe den linken Aermel, während zwei andere Diener den Schlafrock vorhalten, bis das Hemd festsitzt. Hieraus hält ein Kammerdiener dem König einen Spiegel vor, andere bringen die Kleider herbei, der Großmeister der Garderobe reicht dem Könige die Weste und den Rock, legt ihm das blaue Band an und schnallt ihm den Degen um. Der dem Cravatten-Departement zugewiesene Diener bringt in einem Körbchen einige Halsbinden, der König wählt eine, und der Gardervbemeister bindet sie ihm nur. Der Vorstand der Taschentücherabtheilung präsentirt drei seiner „Untergebenen" auf einem Teller, der dem Könige vom Großmeister der Garderobe zur Auswahl hingehalten wird. Schließlich reicht er ihm feinen Stock, seinen Hut und seine Handschuhe. Nun verfügt sich der König in den Alkoven, kniet auf ein Kissen nieder und betet abermals, während ein Almosenier leise sein ynkesumus murmelt. Nach alledem ertheilt jener Tagesbefehle, bestimm^ das Programm des Tages und betritt mit den hervorragendsten Personen sein Kabinet, wo er zuweilen Audienzen ertheilt. Die Uebrigen warten draußen, um ihn, wenn er herauskommt, zur Messe zu begleiten." Man wird zugeben, daß dies eine gute Art war, einer Aristokratie mäßigt Beschäftigung zu geben. Etwa hundert der vornehmsten Herren haben um Gehen, Kommen, Warten, Defiliren vor Sr. Majestät und mit der Mühe, sich zu ordnen und heitere und zugleich ehrfurchtsvolle Gesichter zurechtzulegen, zwei volle Stunden todtgeschlagen, und ein Theil von ihnen wird nun sofort

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/344>, abgerufen am 23.07.2024.