Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.im Ganzen über tausend Personen. Natürlich Pflanzt, baut und restaurirt er, Und jetzt resümiren wir. "Im Ganzen zählt des Königs eiviler Haus¬ Zwei Ursachen erhalten diesen Zufluß: Der Dienst des Königs ruht in Grenzboten II. 1377. 43
im Ganzen über tausend Personen. Natürlich Pflanzt, baut und restaurirt er, Und jetzt resümiren wir. „Im Ganzen zählt des Königs eiviler Haus¬ Zwei Ursachen erhalten diesen Zufluß: Der Dienst des Königs ruht in Grenzboten II. 1377. 43
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0341" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138042"/> <p xml:id="ID_971" prev="#ID_970"> im Ganzen über tausend Personen. Natürlich Pflanzt, baut und restaurirt er,<lb/> wofür er jährlich drei bis vier, und ebenso erneuert er seine Möbel und läßt<lb/> sie ausbessern, wofür er zwei Millionen ausgibt. Selbstverständlich führt er<lb/> endlich seine Gäste von einem seiner Schlosser nach dem andern, und das<lb/> verlangt jährlich wieder eine halbe Million; denn die ihn dann begleitenden<lb/> Dienstleute kommen einer kleinen Armee gleich.</p><lb/> <p xml:id="ID_972"> Und jetzt resümiren wir. „Im Ganzen zählt des Königs eiviler Haus¬<lb/> halt fast viertausend, sein militärischer neun- bis zehntausend, der seiner Ver¬<lb/> wandten zweitausend Personen, macht Summa Summarum fünfzehntausend<lb/> Menschen, die 40 bis 45 Millionen per Jahr verschlingen, was dem zehnten<lb/> Theile des Staatseinkvmmens entspricht. So ist das Mittelstück der monarchi¬<lb/> schen Dekoration des vorrevolutionären Frankreich beschaffen. Dasselbe ist<lb/> freilich groß und kostspielig, aber nicht unangemessen, seitdem der Hof eine<lb/> öffentliche Einrichtung ist und die Aristokratie, da sie nichts Anderes zu thun<lb/> hat, sich damit beschäftigt, den Salon des Königs zu füllen."</p><lb/> <p xml:id="ID_973" next="#ID_974"> Zwei Ursachen erhalten diesen Zufluß: Der Dienst des Königs ruht in<lb/> den Händen des Adels, und die Centralisation ist eingeführt, die den Adel an<lb/> den Hof zu kommen nöthigt. Nicht nur die höchsten Hvschargen werden von<lb/> ihm bekleidet, sondern auch ein großer Theil der geringeren. Ein Hauptmerk¬<lb/> mal dieser Einrichtung ist, daß die Diener zugleich die Gäste siud und das<lb/> Vorzimmer den Salon bevölkert. Der letztere wäre übrigens auch ohnehin<lb/> gefüllt, da er die Quelle aller Karrieren und Gnaden ist. Beim König ist<lb/> aber die Anwesenheit geradezu obligatorisch, gleichsam eine Fortsetzung der alten<lb/> feudalen Huldigung. Der Adel ist der Generalstab des Königs als Generals,<lb/> er muß seine Umgebung, sein Gefolge bilden, und in den Augendes Fürsten,<lb/> der Unterwürfigkeit und Gehorsam erwartet, ist Abwesenheit ein Zeichen von<lb/> Unabhängigkeit und Gleichgiltigkeit. Im Gefühl dessen wurden bisweilen wahre<lb/> Wunder von Zuvorkommenheit und Hingebung verrichtet. Der Herzog von<lb/> Richelieu schrieb an die Maintenon: „Vergeben Sie die große Kühnheit, daß<lb/> ich Ihnen den Brief zu senden wage, den ich dem Könige sende. Ich bitte<lb/> darin kniefällig, er wolle mir gestatten, ihm manchmal meine Aufwartung zu<lb/> wachen; denn ich würde lieber sterben als ihn zwei Mouate nicht sehen." Der<lb/> Herzog von Larochefoucauld, Oberjägermeister Ludwig's des Vierzehnten, fehlte<lb/> beim Aufstehen und Schlafengehen des Königs, beim Kleiderwechseln, bei den<lb/> täglichen Promenaden und Jagden niemals; mitunter schlief er zehn Jahre<lb/> hintereinander an dem jeweiligen Aufenthaltsorte desselben, und, wenn er ein¬<lb/> mal auswärts zu speisen oder bei einem Spaziergange wegzubleiben wünschte,<lb/> bat er erst um Erlaubniß. Später, unter weniger anspruchsvollen Gebietern,<lb/> als Ludwig der Vierzehnte war, erschlafft diese strenge Disziplin zwar, aber</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 1377. 43</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0341]
im Ganzen über tausend Personen. Natürlich Pflanzt, baut und restaurirt er,
wofür er jährlich drei bis vier, und ebenso erneuert er seine Möbel und läßt
sie ausbessern, wofür er zwei Millionen ausgibt. Selbstverständlich führt er
endlich seine Gäste von einem seiner Schlosser nach dem andern, und das
verlangt jährlich wieder eine halbe Million; denn die ihn dann begleitenden
Dienstleute kommen einer kleinen Armee gleich.
Und jetzt resümiren wir. „Im Ganzen zählt des Königs eiviler Haus¬
halt fast viertausend, sein militärischer neun- bis zehntausend, der seiner Ver¬
wandten zweitausend Personen, macht Summa Summarum fünfzehntausend
Menschen, die 40 bis 45 Millionen per Jahr verschlingen, was dem zehnten
Theile des Staatseinkvmmens entspricht. So ist das Mittelstück der monarchi¬
schen Dekoration des vorrevolutionären Frankreich beschaffen. Dasselbe ist
freilich groß und kostspielig, aber nicht unangemessen, seitdem der Hof eine
öffentliche Einrichtung ist und die Aristokratie, da sie nichts Anderes zu thun
hat, sich damit beschäftigt, den Salon des Königs zu füllen."
Zwei Ursachen erhalten diesen Zufluß: Der Dienst des Königs ruht in
den Händen des Adels, und die Centralisation ist eingeführt, die den Adel an
den Hof zu kommen nöthigt. Nicht nur die höchsten Hvschargen werden von
ihm bekleidet, sondern auch ein großer Theil der geringeren. Ein Hauptmerk¬
mal dieser Einrichtung ist, daß die Diener zugleich die Gäste siud und das
Vorzimmer den Salon bevölkert. Der letztere wäre übrigens auch ohnehin
gefüllt, da er die Quelle aller Karrieren und Gnaden ist. Beim König ist
aber die Anwesenheit geradezu obligatorisch, gleichsam eine Fortsetzung der alten
feudalen Huldigung. Der Adel ist der Generalstab des Königs als Generals,
er muß seine Umgebung, sein Gefolge bilden, und in den Augendes Fürsten,
der Unterwürfigkeit und Gehorsam erwartet, ist Abwesenheit ein Zeichen von
Unabhängigkeit und Gleichgiltigkeit. Im Gefühl dessen wurden bisweilen wahre
Wunder von Zuvorkommenheit und Hingebung verrichtet. Der Herzog von
Richelieu schrieb an die Maintenon: „Vergeben Sie die große Kühnheit, daß
ich Ihnen den Brief zu senden wage, den ich dem Könige sende. Ich bitte
darin kniefällig, er wolle mir gestatten, ihm manchmal meine Aufwartung zu
wachen; denn ich würde lieber sterben als ihn zwei Mouate nicht sehen." Der
Herzog von Larochefoucauld, Oberjägermeister Ludwig's des Vierzehnten, fehlte
beim Aufstehen und Schlafengehen des Königs, beim Kleiderwechseln, bei den
täglichen Promenaden und Jagden niemals; mitunter schlief er zehn Jahre
hintereinander an dem jeweiligen Aufenthaltsorte desselben, und, wenn er ein¬
mal auswärts zu speisen oder bei einem Spaziergange wegzubleiben wünschte,
bat er erst um Erlaubniß. Später, unter weniger anspruchsvollen Gebietern,
als Ludwig der Vierzehnte war, erschlafft diese strenge Disziplin zwar, aber
Grenzboten II. 1377. 43
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