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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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wie auch von der Straße abgeschieden war und von den Männern nicht be¬
treten wurde. Hier beschäftigten sie sich im Verein mit den Sklavinnen mit
häuslichen Arbeiten, empfingen Verwandte und Freundinnen und suchten sich
in einer wenig auffallenden Weise vie Zeit zu vertreiben. Daß in den besseren
Häusern der Unterricht im Lesen und Schreiben -- wenigstens, seit Solon die
Kncibeuerziehung erweitert und sorgsam geordnet -- seine Stelle gehabt haben
wird, ist ebenso unzweifelhaft, wie daß Musik und Tanz von den Mädchen
wird geübt worden sein, da ja die Götterfeste musische Aufführungen und
Reigentänze auch von den Jungfrauen verlangten.

Diese Feste waren zugleich eine Gelegenheit, wo auch das weibliche Ge¬
schlecht in die Öffentlichkeit trat und mit dem andern in Berührung kommen
konnte. Als an einen: Theil der Feste durften die Frauen auch an den
tragischen Theateraufführuugen Theil nehmen, wobei sie aber auf die obersten
Sitzreihen angewiesen waren. Zum Besuch der Komödie, die sehr bald aus¬
artete und vieles für weibliche Ohren nicht Geeignete schon zu Aristophanes'
Zeit enthielt, dürften sie die Einwilligung der Männer kaum erhalten haben.

Der frühe Zeitpunkt der Verheirathung -- im fünfzehnten oder sechzehnten
Jahre -- bedingte es, daß ein guter Theil der weiblichen Erziehung noch den:
Ehemanne zufiel. Die Wahl wurde beix der Unmöglichkeit der Annäherung
zwischen den Geschlechtern meist von den Eltern getroffen. Die Eheschließung
selbst ward stets als ein hochwichtiges, unter dem Schutze der Götter stehendes
Ereigniß aufgefaßt und demgemäß unter heiligen Gebräuchen vollzogen, denn
die Ehe galt in den guten Zeiten Griechenlands, d. h. bis nach dem peloponne-
sischen Kriege, als eine göttliche Stiftung von tiefster Bedeutung. In Athen
pflegten die Neuvermählten ein Bad im Wasser der heiligen Quelle Kallirrhoö
zu nehmen, worauf sie sich im Tempel der Athene auf der Akropolis den gött¬
lichen Segen holten, am Heerde des Elternhauses die Fackel entzündeten und
so das Feuer in den neuen Hausstand übertrugen, der dadurch sich deu Vater-
götteru und der altgeheiligten Tradition fest verband.

Die junge Fran lebte nun ganz dem Hause des Gatten. Er führte sie
mit Gebet und Opfer seinen Hausgöttern zu und in ihre Obliegenheiten ein
und erwartete von ihr nicht mehr, als was sie daheim durch Lehre und Bei¬
spiel von der Mutter gelernt haben konnte. Bei Xenophon erklärt Jschomachos
seiner jungen Frau, sie werde, wenn sie alle Pflichten der Hausfrau erfülle,
im Hause fast mehr gelten als er; sie werde, auch wenn Jugend und Schön¬
heit vergangen sei, ihm nicht weniger werth sein als jetzt, sondern als treue
Gehilfin des Mannes, als liebevolle Pflegerin der Kinder auch im Alter die
Verehrung des ganzen Hauses genießen.

So waren die Ansichten über Ehe und Stellung der Frauen in der ehren-


wie auch von der Straße abgeschieden war und von den Männern nicht be¬
treten wurde. Hier beschäftigten sie sich im Verein mit den Sklavinnen mit
häuslichen Arbeiten, empfingen Verwandte und Freundinnen und suchten sich
in einer wenig auffallenden Weise vie Zeit zu vertreiben. Daß in den besseren
Häusern der Unterricht im Lesen und Schreiben — wenigstens, seit Solon die
Kncibeuerziehung erweitert und sorgsam geordnet — seine Stelle gehabt haben
wird, ist ebenso unzweifelhaft, wie daß Musik und Tanz von den Mädchen
wird geübt worden sein, da ja die Götterfeste musische Aufführungen und
Reigentänze auch von den Jungfrauen verlangten.

Diese Feste waren zugleich eine Gelegenheit, wo auch das weibliche Ge¬
schlecht in die Öffentlichkeit trat und mit dem andern in Berührung kommen
konnte. Als an einen: Theil der Feste durften die Frauen auch an den
tragischen Theateraufführuugen Theil nehmen, wobei sie aber auf die obersten
Sitzreihen angewiesen waren. Zum Besuch der Komödie, die sehr bald aus¬
artete und vieles für weibliche Ohren nicht Geeignete schon zu Aristophanes'
Zeit enthielt, dürften sie die Einwilligung der Männer kaum erhalten haben.

Der frühe Zeitpunkt der Verheirathung — im fünfzehnten oder sechzehnten
Jahre — bedingte es, daß ein guter Theil der weiblichen Erziehung noch den:
Ehemanne zufiel. Die Wahl wurde beix der Unmöglichkeit der Annäherung
zwischen den Geschlechtern meist von den Eltern getroffen. Die Eheschließung
selbst ward stets als ein hochwichtiges, unter dem Schutze der Götter stehendes
Ereigniß aufgefaßt und demgemäß unter heiligen Gebräuchen vollzogen, denn
die Ehe galt in den guten Zeiten Griechenlands, d. h. bis nach dem peloponne-
sischen Kriege, als eine göttliche Stiftung von tiefster Bedeutung. In Athen
pflegten die Neuvermählten ein Bad im Wasser der heiligen Quelle Kallirrhoö
zu nehmen, worauf sie sich im Tempel der Athene auf der Akropolis den gött¬
lichen Segen holten, am Heerde des Elternhauses die Fackel entzündeten und
so das Feuer in den neuen Hausstand übertrugen, der dadurch sich deu Vater-
götteru und der altgeheiligten Tradition fest verband.

Die junge Fran lebte nun ganz dem Hause des Gatten. Er führte sie
mit Gebet und Opfer seinen Hausgöttern zu und in ihre Obliegenheiten ein
und erwartete von ihr nicht mehr, als was sie daheim durch Lehre und Bei¬
spiel von der Mutter gelernt haben konnte. Bei Xenophon erklärt Jschomachos
seiner jungen Frau, sie werde, wenn sie alle Pflichten der Hausfrau erfülle,
im Hause fast mehr gelten als er; sie werde, auch wenn Jugend und Schön¬
heit vergangen sei, ihm nicht weniger werth sein als jetzt, sondern als treue
Gehilfin des Mannes, als liebevolle Pflegerin der Kinder auch im Alter die
Verehrung des ganzen Hauses genießen.

So waren die Ansichten über Ehe und Stellung der Frauen in der ehren-


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[0266] wie auch von der Straße abgeschieden war und von den Männern nicht be¬ treten wurde. Hier beschäftigten sie sich im Verein mit den Sklavinnen mit häuslichen Arbeiten, empfingen Verwandte und Freundinnen und suchten sich in einer wenig auffallenden Weise vie Zeit zu vertreiben. Daß in den besseren Häusern der Unterricht im Lesen und Schreiben — wenigstens, seit Solon die Kncibeuerziehung erweitert und sorgsam geordnet — seine Stelle gehabt haben wird, ist ebenso unzweifelhaft, wie daß Musik und Tanz von den Mädchen wird geübt worden sein, da ja die Götterfeste musische Aufführungen und Reigentänze auch von den Jungfrauen verlangten. Diese Feste waren zugleich eine Gelegenheit, wo auch das weibliche Ge¬ schlecht in die Öffentlichkeit trat und mit dem andern in Berührung kommen konnte. Als an einen: Theil der Feste durften die Frauen auch an den tragischen Theateraufführuugen Theil nehmen, wobei sie aber auf die obersten Sitzreihen angewiesen waren. Zum Besuch der Komödie, die sehr bald aus¬ artete und vieles für weibliche Ohren nicht Geeignete schon zu Aristophanes' Zeit enthielt, dürften sie die Einwilligung der Männer kaum erhalten haben. Der frühe Zeitpunkt der Verheirathung — im fünfzehnten oder sechzehnten Jahre — bedingte es, daß ein guter Theil der weiblichen Erziehung noch den: Ehemanne zufiel. Die Wahl wurde beix der Unmöglichkeit der Annäherung zwischen den Geschlechtern meist von den Eltern getroffen. Die Eheschließung selbst ward stets als ein hochwichtiges, unter dem Schutze der Götter stehendes Ereigniß aufgefaßt und demgemäß unter heiligen Gebräuchen vollzogen, denn die Ehe galt in den guten Zeiten Griechenlands, d. h. bis nach dem peloponne- sischen Kriege, als eine göttliche Stiftung von tiefster Bedeutung. In Athen pflegten die Neuvermählten ein Bad im Wasser der heiligen Quelle Kallirrhoö zu nehmen, worauf sie sich im Tempel der Athene auf der Akropolis den gött¬ lichen Segen holten, am Heerde des Elternhauses die Fackel entzündeten und so das Feuer in den neuen Hausstand übertrugen, der dadurch sich deu Vater- götteru und der altgeheiligten Tradition fest verband. Die junge Fran lebte nun ganz dem Hause des Gatten. Er führte sie mit Gebet und Opfer seinen Hausgöttern zu und in ihre Obliegenheiten ein und erwartete von ihr nicht mehr, als was sie daheim durch Lehre und Bei¬ spiel von der Mutter gelernt haben konnte. Bei Xenophon erklärt Jschomachos seiner jungen Frau, sie werde, wenn sie alle Pflichten der Hausfrau erfülle, im Hause fast mehr gelten als er; sie werde, auch wenn Jugend und Schön¬ heit vergangen sei, ihm nicht weniger werth sein als jetzt, sondern als treue Gehilfin des Mannes, als liebevolle Pflegerin der Kinder auch im Alter die Verehrung des ganzen Hauses genießen. So waren die Ansichten über Ehe und Stellung der Frauen in der ehren-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/266>, abgerufen am 23.07.2024.