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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Trostlose der spartanischen Zustande und fachte in Kleomenes das begeisterte
Streben nach Wiederherstellung der alten Größe und Herrlichkeit der geliebten
Vaterstadt an. Er war anfangs glücklicher als sein Vorgänger, stürzte die
Ephoren und führte eine Reform auf Grund der lykurgischen Rhetren durch.
Tief beugte ihn der Verlust seiner geliebten Gattin, und nach ihrem Tode
verließ ihn das Glück. Im Kriege mit Antigonos von Makedonien geschlagen,
mußte er nach Aegypten fliehen und gab sich dort, von Verrath bedroht, den
Tod. Mit seinen Kindern ward auch seine Mutter Kratesiklea von den feind¬
lich gesinnten Aegyptern hingerichtet. "Den Göttern sei es gedankt", hatte sie,
als Unterpfand vom ägyptischen Könige gefordert, beim Abschiede ausgerufen,
"daß dieser schwache Leib noch dem Vaterlande nützen kann", und ihrem
weinenden Sohne rief sie zu: "Ein Spartanerkönig soll Mannessinn im Busen
tragen; lebe wohl, mein Sohn!" Sie war es gewesen, die in den Unglücks¬
fällen den Muth des Königs aufrecht erhalten, die neue Pläne und Hilfsquellen
aufgefunden und Beschwerden und Gefahren mit ihm getheilt hatte -- aus
Liebe zum Vaterlande und Verlangen nach Rückführung besserer Zustände.
Sie nahmen ein tragisches Ende, diese edeln Gestalten, die uns an der Grenz¬
scheide spartanischer Geschichte noch wie Zeugen aus besserer Zeit entgegentreten.
Es wurden an ihnen die Sünden der Väter heimgesucht, aber sie selbst ver¬
söhnen uns fast mit dem jammervollen Zustande des Staates, und besonders
die vier edlen Frauen, welche den zwei Heldenjünglingen zur Seite standen,
zeigen uns, daß alte Tüchtigkeit noch eine Schutzstätte im weiblichen Herzen
gefunden hatte. --

Wenn die geschilderten Eigenthümlichkeiten der dorischen Frau vorzüglich
auf ihrer sie zur Bürgerin bildenden Erziehung beruhten, so mußte in den
übrigen Theilen Griechenlands schon die abweichende Erziehung des weiblichen
Geschlechtes ein anderes Resultat hervorbringen.

Ich habe bereits angedeutet, daß die Spartanerinnen von ihren Schwestern
aus anderen Stämmen zwar mit Achtung, aber auch mit einer gewissen Scheu
betrachtet wurden, etwa wie heute die sogenannten emancipirten Frauen von
ihren auf Strickstrumpf, Kochtopf und Kindergarten sich beschränkenden Schwestern
betrachtet werden.

Im Gegensatz zu den spartanischen Gesetzen hatte die Sitte im übrigen
Hellas die Frauen durchaus auf das Haus beschränkt, sie von der Betheiligung
am öffentlichen Leben und dem Einfluß auf dasselbe völlig ausgeschlossen und
sie überhaupt in eine untergeordnetere Stellung gedrängt. Frommer häus¬
licher Sinn, Fertigkeit in weiblichen Arbeiten und die Fähigkeit den Haus¬
halt zu führen war im Allgemeinen Alles, was man von der Frau verlangte.
Dies zu erreichen, hielt man die Tradition, die Einwirkung der Familie und


Trostlose der spartanischen Zustande und fachte in Kleomenes das begeisterte
Streben nach Wiederherstellung der alten Größe und Herrlichkeit der geliebten
Vaterstadt an. Er war anfangs glücklicher als sein Vorgänger, stürzte die
Ephoren und führte eine Reform auf Grund der lykurgischen Rhetren durch.
Tief beugte ihn der Verlust seiner geliebten Gattin, und nach ihrem Tode
verließ ihn das Glück. Im Kriege mit Antigonos von Makedonien geschlagen,
mußte er nach Aegypten fliehen und gab sich dort, von Verrath bedroht, den
Tod. Mit seinen Kindern ward auch seine Mutter Kratesiklea von den feind¬
lich gesinnten Aegyptern hingerichtet. „Den Göttern sei es gedankt", hatte sie,
als Unterpfand vom ägyptischen Könige gefordert, beim Abschiede ausgerufen,
„daß dieser schwache Leib noch dem Vaterlande nützen kann", und ihrem
weinenden Sohne rief sie zu: „Ein Spartanerkönig soll Mannessinn im Busen
tragen; lebe wohl, mein Sohn!" Sie war es gewesen, die in den Unglücks¬
fällen den Muth des Königs aufrecht erhalten, die neue Pläne und Hilfsquellen
aufgefunden und Beschwerden und Gefahren mit ihm getheilt hatte — aus
Liebe zum Vaterlande und Verlangen nach Rückführung besserer Zustände.
Sie nahmen ein tragisches Ende, diese edeln Gestalten, die uns an der Grenz¬
scheide spartanischer Geschichte noch wie Zeugen aus besserer Zeit entgegentreten.
Es wurden an ihnen die Sünden der Väter heimgesucht, aber sie selbst ver¬
söhnen uns fast mit dem jammervollen Zustande des Staates, und besonders
die vier edlen Frauen, welche den zwei Heldenjünglingen zur Seite standen,
zeigen uns, daß alte Tüchtigkeit noch eine Schutzstätte im weiblichen Herzen
gefunden hatte. —

Wenn die geschilderten Eigenthümlichkeiten der dorischen Frau vorzüglich
auf ihrer sie zur Bürgerin bildenden Erziehung beruhten, so mußte in den
übrigen Theilen Griechenlands schon die abweichende Erziehung des weiblichen
Geschlechtes ein anderes Resultat hervorbringen.

Ich habe bereits angedeutet, daß die Spartanerinnen von ihren Schwestern
aus anderen Stämmen zwar mit Achtung, aber auch mit einer gewissen Scheu
betrachtet wurden, etwa wie heute die sogenannten emancipirten Frauen von
ihren auf Strickstrumpf, Kochtopf und Kindergarten sich beschränkenden Schwestern
betrachtet werden.

Im Gegensatz zu den spartanischen Gesetzen hatte die Sitte im übrigen
Hellas die Frauen durchaus auf das Haus beschränkt, sie von der Betheiligung
am öffentlichen Leben und dem Einfluß auf dasselbe völlig ausgeschlossen und
sie überhaupt in eine untergeordnetere Stellung gedrängt. Frommer häus¬
licher Sinn, Fertigkeit in weiblichen Arbeiten und die Fähigkeit den Haus¬
halt zu führen war im Allgemeinen Alles, was man von der Frau verlangte.
Dies zu erreichen, hielt man die Tradition, die Einwirkung der Familie und


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[0264] Trostlose der spartanischen Zustande und fachte in Kleomenes das begeisterte Streben nach Wiederherstellung der alten Größe und Herrlichkeit der geliebten Vaterstadt an. Er war anfangs glücklicher als sein Vorgänger, stürzte die Ephoren und führte eine Reform auf Grund der lykurgischen Rhetren durch. Tief beugte ihn der Verlust seiner geliebten Gattin, und nach ihrem Tode verließ ihn das Glück. Im Kriege mit Antigonos von Makedonien geschlagen, mußte er nach Aegypten fliehen und gab sich dort, von Verrath bedroht, den Tod. Mit seinen Kindern ward auch seine Mutter Kratesiklea von den feind¬ lich gesinnten Aegyptern hingerichtet. „Den Göttern sei es gedankt", hatte sie, als Unterpfand vom ägyptischen Könige gefordert, beim Abschiede ausgerufen, „daß dieser schwache Leib noch dem Vaterlande nützen kann", und ihrem weinenden Sohne rief sie zu: „Ein Spartanerkönig soll Mannessinn im Busen tragen; lebe wohl, mein Sohn!" Sie war es gewesen, die in den Unglücks¬ fällen den Muth des Königs aufrecht erhalten, die neue Pläne und Hilfsquellen aufgefunden und Beschwerden und Gefahren mit ihm getheilt hatte — aus Liebe zum Vaterlande und Verlangen nach Rückführung besserer Zustände. Sie nahmen ein tragisches Ende, diese edeln Gestalten, die uns an der Grenz¬ scheide spartanischer Geschichte noch wie Zeugen aus besserer Zeit entgegentreten. Es wurden an ihnen die Sünden der Väter heimgesucht, aber sie selbst ver¬ söhnen uns fast mit dem jammervollen Zustande des Staates, und besonders die vier edlen Frauen, welche den zwei Heldenjünglingen zur Seite standen, zeigen uns, daß alte Tüchtigkeit noch eine Schutzstätte im weiblichen Herzen gefunden hatte. — Wenn die geschilderten Eigenthümlichkeiten der dorischen Frau vorzüglich auf ihrer sie zur Bürgerin bildenden Erziehung beruhten, so mußte in den übrigen Theilen Griechenlands schon die abweichende Erziehung des weiblichen Geschlechtes ein anderes Resultat hervorbringen. Ich habe bereits angedeutet, daß die Spartanerinnen von ihren Schwestern aus anderen Stämmen zwar mit Achtung, aber auch mit einer gewissen Scheu betrachtet wurden, etwa wie heute die sogenannten emancipirten Frauen von ihren auf Strickstrumpf, Kochtopf und Kindergarten sich beschränkenden Schwestern betrachtet werden. Im Gegensatz zu den spartanischen Gesetzen hatte die Sitte im übrigen Hellas die Frauen durchaus auf das Haus beschränkt, sie von der Betheiligung am öffentlichen Leben und dem Einfluß auf dasselbe völlig ausgeschlossen und sie überhaupt in eine untergeordnetere Stellung gedrängt. Frommer häus¬ licher Sinn, Fertigkeit in weiblichen Arbeiten und die Fähigkeit den Haus¬ halt zu führen war im Allgemeinen Alles, was man von der Frau verlangte. Dies zu erreichen, hielt man die Tradition, die Einwirkung der Familie und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/264>, abgerufen am 03.07.2024.