Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.ihrer eigenthümlichen Vorzüge zu beklagen. Es ist bekannt, daß das Familien¬ Grenzboten II. 1877. 33
ihrer eigenthümlichen Vorzüge zu beklagen. Es ist bekannt, daß das Familien¬ Grenzboten II. 1877. 33
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0261" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137962"/> <p xml:id="ID_727" prev="#ID_726" next="#ID_728"> ihrer eigenthümlichen Vorzüge zu beklagen. Es ist bekannt, daß das Familien¬<lb/> leben in Sparta sehr zurückgedrängt war. Die Heeresverfassung, die strenge<lb/> bürgerliche Zucht und das dein Kampiren im Heerlager ähnliche Leben ent¬<lb/> zogen den Mann fast vollständig der Familie zu Gunsten des Staates und<lb/> entzogen auch die Kinder schon so früh dem elterlichen Hause, daß man dies<lb/> mit Recht als einen Uebelstand gerügt und die Frauen deßwegen beklagt hat.<lb/> Aber man vergißt dabei zweierlei: erstens, daß die Frau in ihren häuslichen<lb/> Rechten niemals angetastet worden, und zweitens, daß sie für die nothwendigen<lb/> Beschränkungen möglichst durch öffentliche» Einfluß entschädigt worden ist.<lb/> Es ist dem spartanischen Gesetzgeber uicht gelungen, „über die Schwelle des<lb/> Hauses mit der strengen Norm seiner Satzungen vorzudringen und bis in das<lb/> Innere der Familie die staatliche Disciplin auszudehnen. Hier blieb die Haus¬<lb/> frau in ihren Rechten, und je mehr das Haus am Ende die einzige Stätte<lb/> war, wo der Spartaner sich noch als Mensch fühlen und bewegen konnte,<lb/> um so mehr gewann dadurch an Würde und Einfluß die in: Innern des<lb/> Hauses waltende Frau, die Mesodoma', die zugleich während der Abwesen¬<lb/> heit des Mannes dem ganzen Hauswesen vorzustehen und das Helotenvolk zu<lb/> regieren verstehen mußte." Im öffentlichen Leben aber standen die sparta¬<lb/> nischen Frauen schon durch ihre Erziehung den Männern näher und, was<lb/> wichtiger war, sie mußten durch diese Erziehung gewöhnt werden an öffentlichen<lb/> Interessen Antheil zu nehmen, sich als Bürgerinnen zu fühlen. Daß sie<lb/> dieser Stellung zu entsprechen wußten, beweist die Achtung und der Einfluß,<lb/> dessen sie genossen. „Ihr Lob oder Tadel galt viel, ihre Stimme wurde auch<lb/> in solchen Angelegenheiten, die anderswo ganz außerhalb des Bereiches weib¬<lb/> licher Beurtheilung lagen, nicht gering geachtet, und der Einfluß, den sie auf<lb/> die Männer ausübten, schien den übrigen Griechen so groß, daß sie ihn bis¬<lb/> weilen geradezu als Weiberregiment bezeichneten." Daß es ein solches<lb/> in dem Sinne einer Herrschaft der Weiber oder nur einer moralischen Unter¬<lb/> ordnung der Männer in Sparta nicht gab, wissen wir sehr wohl, denn die<lb/> Frauen hatten in Gemeinde- und Staatsangelegenheiten nicht die geringste<lb/> Befugnis; zur Theilnahme, aber auf einen bedeutenden moralischen Einfluß<lb/> ihrerseits läßt jene zeitgenössische Auffassung immerhin schließen. Die eigent¬<lb/> liche Sphäre der Frau war auch in Sparta das Haus und die Familie, und<lb/> wenn sie nach Platon's Aeußerung zwar nicht spannen und webten, so war<lb/> doch ihre Hauptbeschäftigung die Sorge für den Haushalt und ihr Aufenthalt<lb/> das Haus. „Als eine kriegsgefangene Lakouerin gefragt wurde, was sie ver¬<lb/> stände, antwortete sie: das Haus gut zu verwalten, und eine andere gab auf<lb/> dieselbe Frage zur Antwort: treu und zuverlässig zu sein." Die Zurückhaltung<lb/> im Umgange mit Männern, welche den Mädchen geboten war, fand in gleichem</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 1877. 33</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0261]
ihrer eigenthümlichen Vorzüge zu beklagen. Es ist bekannt, daß das Familien¬
leben in Sparta sehr zurückgedrängt war. Die Heeresverfassung, die strenge
bürgerliche Zucht und das dein Kampiren im Heerlager ähnliche Leben ent¬
zogen den Mann fast vollständig der Familie zu Gunsten des Staates und
entzogen auch die Kinder schon so früh dem elterlichen Hause, daß man dies
mit Recht als einen Uebelstand gerügt und die Frauen deßwegen beklagt hat.
Aber man vergißt dabei zweierlei: erstens, daß die Frau in ihren häuslichen
Rechten niemals angetastet worden, und zweitens, daß sie für die nothwendigen
Beschränkungen möglichst durch öffentliche» Einfluß entschädigt worden ist.
Es ist dem spartanischen Gesetzgeber uicht gelungen, „über die Schwelle des
Hauses mit der strengen Norm seiner Satzungen vorzudringen und bis in das
Innere der Familie die staatliche Disciplin auszudehnen. Hier blieb die Haus¬
frau in ihren Rechten, und je mehr das Haus am Ende die einzige Stätte
war, wo der Spartaner sich noch als Mensch fühlen und bewegen konnte,
um so mehr gewann dadurch an Würde und Einfluß die in: Innern des
Hauses waltende Frau, die Mesodoma', die zugleich während der Abwesen¬
heit des Mannes dem ganzen Hauswesen vorzustehen und das Helotenvolk zu
regieren verstehen mußte." Im öffentlichen Leben aber standen die sparta¬
nischen Frauen schon durch ihre Erziehung den Männern näher und, was
wichtiger war, sie mußten durch diese Erziehung gewöhnt werden an öffentlichen
Interessen Antheil zu nehmen, sich als Bürgerinnen zu fühlen. Daß sie
dieser Stellung zu entsprechen wußten, beweist die Achtung und der Einfluß,
dessen sie genossen. „Ihr Lob oder Tadel galt viel, ihre Stimme wurde auch
in solchen Angelegenheiten, die anderswo ganz außerhalb des Bereiches weib¬
licher Beurtheilung lagen, nicht gering geachtet, und der Einfluß, den sie auf
die Männer ausübten, schien den übrigen Griechen so groß, daß sie ihn bis¬
weilen geradezu als Weiberregiment bezeichneten." Daß es ein solches
in dem Sinne einer Herrschaft der Weiber oder nur einer moralischen Unter¬
ordnung der Männer in Sparta nicht gab, wissen wir sehr wohl, denn die
Frauen hatten in Gemeinde- und Staatsangelegenheiten nicht die geringste
Befugnis; zur Theilnahme, aber auf einen bedeutenden moralischen Einfluß
ihrerseits läßt jene zeitgenössische Auffassung immerhin schließen. Die eigent¬
liche Sphäre der Frau war auch in Sparta das Haus und die Familie, und
wenn sie nach Platon's Aeußerung zwar nicht spannen und webten, so war
doch ihre Hauptbeschäftigung die Sorge für den Haushalt und ihr Aufenthalt
das Haus. „Als eine kriegsgefangene Lakouerin gefragt wurde, was sie ver¬
stände, antwortete sie: das Haus gut zu verwalten, und eine andere gab auf
dieselbe Frage zur Antwort: treu und zuverlässig zu sein." Die Zurückhaltung
im Umgange mit Männern, welche den Mädchen geboten war, fand in gleichem
Grenzboten II. 1877. 33
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