Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.zwar langsam, aber um so sicherer die herrschende liberale Weltanschauung zwar langsam, aber um so sicherer die herrschende liberale Weltanschauung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0025" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137726"/> <p xml:id="ID_47" prev="#ID_46" next="#ID_48"> zwar langsam, aber um so sicherer die herrschende liberale Weltanschauung<lb/> verbreiten." An größeren Blättern haben die bairischen Katholiken nur die<lb/> „Augsburger Postzeitung", und selbst diese hat die Zahl von zweitausend<lb/> Abonnenten selten erheblich überschritten, während ihre Nachbarin, die „Augs¬<lb/> burger Abendzeitung", eine Auflage von achtuudzwanzigtausend aufweist. Die<lb/> Sprache der „Postzeitung" ist nach unsrer Schrift „stets würdevoll", doch fehlt<lb/> es ihr „öfters an frischen, lebendig geschriebenen, anregenden Artikeln." Zur<lb/> Erklärung des Umstandes, daß sie nicht gedeihen will, sagt unsere Quelle:<lb/> „Eine entschieden katholische Weltanschauung findet sich in Bayern fast allein<lb/> noch in den untern und mittleren Schichten, die gebildeten Klassen gehören größten¬<lb/> teils dem Liberalismus." (Der Verfasser merkt nicht, daß er damit sagt, ent¬<lb/> schieden katholische Weltanschauung, zu deutsch der Ultramontanismus,<lb/> und Bildung, zu deutsch wahrheitsgemäße Auffassung der Dinge, schließen<lb/> einander aus.) „Von den katholischen Beamten ist kaum der zehnte Theil<lb/> ultramontaner Richtung. Die Professoren sind nahezu alle liberal, und<lb/> dasselbe gilt vom höheren Bürger- und Kaufmannsstande. Auch der<lb/> Klerus zeigt nicht überall das nöthige Interesse für ein größeres katholi¬<lb/> sches Zeitungsblatt, die Mehrzahl der Geistlichen begnügt sich mit kleineren<lb/> Blättern, und gar viele wollen nur solche Organe, die in dem derben Stile<lb/> geschrieben sind, an welchen „Vvlksbote" und „Bayrisches Vaterland" gewöhnt<lb/> haben." Die „Neue Augsburger Zeitung", ein Auszug aus der „Postzeitung",<lb/> ist ein bloßes Lokalblatt, hat aber einen großen Abonnentenstand und viele<lb/> Inserate. Kleinere Blätter der ultramontanen Partei im bairischen Schwaben<lb/> sind die „Allgauer Zeitung", die „Neuesten Nachrichten" in Neuenburg a. D.,<lb/> das „Katholische Volksblatt" in Nördlingen, das „Augsburger Wochenblatt<lb/> für das christliche Volk", welches eine Auflage von mehr als dreißigtausend<lb/> Exemplaren hat, der „Jchenhausener Volksfreund" und der „Augsburger Wahr¬<lb/> heitsfreund". In Oberbaiern beschränken sich die ultramontanen Blätter fast<lb/> ganz auf München. Das bedeutendste derselben ist hier der „Bayerische Kurier"<lb/> Huttlers, der gegen zehntausend Abonnenten zählt und viele Inserate enthält.<lb/> Er ist nach unserer Schrift mit Umsicht und Frische geschrieben und bringt<lb/> die neuesten Nachrichten in geistreich abgefaßten Uebersichten. Das „Vater¬<lb/> land" Sigls dürfen wir als unsern Lesern bekannt ansehen, und dieselben<lb/> werden Herrn Woerl Recht geben, wenn er dem Herausgeber dieses unsaubern<lb/> Dinges unschicklichen Ton, Selbstberäucherung, gänzlichen Mangel an Takt<lb/> und Anstand und aller guten Sitte widersprechenden Unfug vorwirft. Der<lb/> „Volksfreund" hat einen kleineren Leserkreis, ist aber, da er nahe Fühlung mit<lb/> „Patriotischen" Abgcordnetenkreisen hat, beachtenswerth. Sonst erscheinen in<lb/> München noch zwei Witzblätter von ultramontaner Farbe: „Das Narrenschiff"</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0025]
zwar langsam, aber um so sicherer die herrschende liberale Weltanschauung
verbreiten." An größeren Blättern haben die bairischen Katholiken nur die
„Augsburger Postzeitung", und selbst diese hat die Zahl von zweitausend
Abonnenten selten erheblich überschritten, während ihre Nachbarin, die „Augs¬
burger Abendzeitung", eine Auflage von achtuudzwanzigtausend aufweist. Die
Sprache der „Postzeitung" ist nach unsrer Schrift „stets würdevoll", doch fehlt
es ihr „öfters an frischen, lebendig geschriebenen, anregenden Artikeln." Zur
Erklärung des Umstandes, daß sie nicht gedeihen will, sagt unsere Quelle:
„Eine entschieden katholische Weltanschauung findet sich in Bayern fast allein
noch in den untern und mittleren Schichten, die gebildeten Klassen gehören größten¬
teils dem Liberalismus." (Der Verfasser merkt nicht, daß er damit sagt, ent¬
schieden katholische Weltanschauung, zu deutsch der Ultramontanismus,
und Bildung, zu deutsch wahrheitsgemäße Auffassung der Dinge, schließen
einander aus.) „Von den katholischen Beamten ist kaum der zehnte Theil
ultramontaner Richtung. Die Professoren sind nahezu alle liberal, und
dasselbe gilt vom höheren Bürger- und Kaufmannsstande. Auch der
Klerus zeigt nicht überall das nöthige Interesse für ein größeres katholi¬
sches Zeitungsblatt, die Mehrzahl der Geistlichen begnügt sich mit kleineren
Blättern, und gar viele wollen nur solche Organe, die in dem derben Stile
geschrieben sind, an welchen „Vvlksbote" und „Bayrisches Vaterland" gewöhnt
haben." Die „Neue Augsburger Zeitung", ein Auszug aus der „Postzeitung",
ist ein bloßes Lokalblatt, hat aber einen großen Abonnentenstand und viele
Inserate. Kleinere Blätter der ultramontanen Partei im bairischen Schwaben
sind die „Allgauer Zeitung", die „Neuesten Nachrichten" in Neuenburg a. D.,
das „Katholische Volksblatt" in Nördlingen, das „Augsburger Wochenblatt
für das christliche Volk", welches eine Auflage von mehr als dreißigtausend
Exemplaren hat, der „Jchenhausener Volksfreund" und der „Augsburger Wahr¬
heitsfreund". In Oberbaiern beschränken sich die ultramontanen Blätter fast
ganz auf München. Das bedeutendste derselben ist hier der „Bayerische Kurier"
Huttlers, der gegen zehntausend Abonnenten zählt und viele Inserate enthält.
Er ist nach unserer Schrift mit Umsicht und Frische geschrieben und bringt
die neuesten Nachrichten in geistreich abgefaßten Uebersichten. Das „Vater¬
land" Sigls dürfen wir als unsern Lesern bekannt ansehen, und dieselben
werden Herrn Woerl Recht geben, wenn er dem Herausgeber dieses unsaubern
Dinges unschicklichen Ton, Selbstberäucherung, gänzlichen Mangel an Takt
und Anstand und aller guten Sitte widersprechenden Unfug vorwirft. Der
„Volksfreund" hat einen kleineren Leserkreis, ist aber, da er nahe Fühlung mit
„Patriotischen" Abgcordnetenkreisen hat, beachtenswerth. Sonst erscheinen in
München noch zwei Witzblätter von ultramontaner Farbe: „Das Narrenschiff"
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