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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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teresse erwogen werden. Läßt sich die Ausgabe nach dieser Richtung hin nicht
rechtfertigen, so ist sie unberechtigt, mag sie sonst einer einzelnen Gegend noch
so viele Vortheile gewähren. Vor Allem aber hüte man sich bei Eisenbahn¬
anlagen vor dem Luxus; dieser ist nirgends weniger am Platze als hier, mag
er einer einzelnen Stadt und deren Einwohnern im Uebrigen noch so werth¬
voll sein. Bei sehr vielen derjenigen deutschen Bahnen, die entweder gar keine
oder nur eine durch Staatszuschuß käuflich gebildete Rente abwerfen, hätten
sich beim Baukapital ganz erhebliche Summen sparen lassen, wenn man nicht
dazu gezwungen worden wäre, allen Wünschen der durch den Bau betroffenen
gerecht zu werden, und ganz allgemein könnte heute auf allen Bahnen zum
allgemeinen Vortheil billiger gefahren werden, wenn die oben entwickelten Ge¬
sichtspunkte schon früher von der Gesetzgebung Berücksichtigung gefunden
hätten.

Verfolgen wir den Bau einer Eisenbahn und das dabei seitens der Ver¬
waltungsbehörden, die mit der landespolizeilichen Prüfung der Projekte betraut
sind, eingeschlagene Verfahren.

Verfährt man streng nach dem Buchstaben des Gesetzes, so wird die Eisenbahn-
cmlage als ein Etwas betrachtet, welches lediglich die bestehenden Verhältnisse
stört und daher verpflichtet ist, diese alten Verhältnisse entweder einfach unbe¬
rührt zu lassen oder, wo dies schlechterdings nicht möglich ist, für das bisher
Bestandene vollen Ersatz in den Veränderungen zu leisten. Allerdings steht
der Eisenbahn das sehr erhebliche Expropriationsrecht zur Seite, aber so
werthvoll und unentbehrlich auch dieses Recht ist, so wird doch gerade auch
beim Grunderwerb viel gesündigt, wie wir auch weiter unten sehen werden.
Dieses Expropriationsrecht ist aber auch das Einzige, was die Eisenbahnen den
Einzelnen gegenüber besitzen, in jeder andern Hinsicht kennt die Gesetzgebung
nur eine Schädigung der Einzelnen durch die Bahn, nirgends aber die viel
häufigere Schädigung der Bahn und dadurch der Allgemeinheit durch den
Einzelnen.

Schon beim Projektiren einer Bahn, besonders in Gegenden, wo bisher
noch keine bestanden, ist der betreffende Ingenieur bei allen den Fragen, die
sich auf Wegeanlagen, Unter- und Ueberbrückungen u. dergl. in. beziehen, bei¬
nahe ausschließlich auf die Angaben der Ortseingesessenen angewiesen, die
natürlich in ihrem Interesse womöglich überall Anlagen in Vorschlag bringen
werden, die die bestehenden Verhältnisse wesentlich verbessern. Wenn nun auch
im ersten Projekt nicht allen diesen Vorschlägen Rechnung getragen wird, so
hat doch wieder bei der landespolizeilichen Prüfung seitens der Verwaltungs¬
behörden der mit zu Rathe gezogene Ortsangehörige so viele Mittel, seine Vor¬
schläge zur Geltung zu bringen, daß in der Regel nach ihnen entschieden


teresse erwogen werden. Läßt sich die Ausgabe nach dieser Richtung hin nicht
rechtfertigen, so ist sie unberechtigt, mag sie sonst einer einzelnen Gegend noch
so viele Vortheile gewähren. Vor Allem aber hüte man sich bei Eisenbahn¬
anlagen vor dem Luxus; dieser ist nirgends weniger am Platze als hier, mag
er einer einzelnen Stadt und deren Einwohnern im Uebrigen noch so werth¬
voll sein. Bei sehr vielen derjenigen deutschen Bahnen, die entweder gar keine
oder nur eine durch Staatszuschuß käuflich gebildete Rente abwerfen, hätten
sich beim Baukapital ganz erhebliche Summen sparen lassen, wenn man nicht
dazu gezwungen worden wäre, allen Wünschen der durch den Bau betroffenen
gerecht zu werden, und ganz allgemein könnte heute auf allen Bahnen zum
allgemeinen Vortheil billiger gefahren werden, wenn die oben entwickelten Ge¬
sichtspunkte schon früher von der Gesetzgebung Berücksichtigung gefunden
hätten.

Verfolgen wir den Bau einer Eisenbahn und das dabei seitens der Ver¬
waltungsbehörden, die mit der landespolizeilichen Prüfung der Projekte betraut
sind, eingeschlagene Verfahren.

Verfährt man streng nach dem Buchstaben des Gesetzes, so wird die Eisenbahn-
cmlage als ein Etwas betrachtet, welches lediglich die bestehenden Verhältnisse
stört und daher verpflichtet ist, diese alten Verhältnisse entweder einfach unbe¬
rührt zu lassen oder, wo dies schlechterdings nicht möglich ist, für das bisher
Bestandene vollen Ersatz in den Veränderungen zu leisten. Allerdings steht
der Eisenbahn das sehr erhebliche Expropriationsrecht zur Seite, aber so
werthvoll und unentbehrlich auch dieses Recht ist, so wird doch gerade auch
beim Grunderwerb viel gesündigt, wie wir auch weiter unten sehen werden.
Dieses Expropriationsrecht ist aber auch das Einzige, was die Eisenbahnen den
Einzelnen gegenüber besitzen, in jeder andern Hinsicht kennt die Gesetzgebung
nur eine Schädigung der Einzelnen durch die Bahn, nirgends aber die viel
häufigere Schädigung der Bahn und dadurch der Allgemeinheit durch den
Einzelnen.

Schon beim Projektiren einer Bahn, besonders in Gegenden, wo bisher
noch keine bestanden, ist der betreffende Ingenieur bei allen den Fragen, die
sich auf Wegeanlagen, Unter- und Ueberbrückungen u. dergl. in. beziehen, bei¬
nahe ausschließlich auf die Angaben der Ortseingesessenen angewiesen, die
natürlich in ihrem Interesse womöglich überall Anlagen in Vorschlag bringen
werden, die die bestehenden Verhältnisse wesentlich verbessern. Wenn nun auch
im ersten Projekt nicht allen diesen Vorschlägen Rechnung getragen wird, so
hat doch wieder bei der landespolizeilichen Prüfung seitens der Verwaltungs¬
behörden der mit zu Rathe gezogene Ortsangehörige so viele Mittel, seine Vor¬
schläge zur Geltung zu bringen, daß in der Regel nach ihnen entschieden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/248>, abgerufen am 23.07.2024.