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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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an sechstausend Abonnenten hat. Dasselbe sah im Jahre 1873 in dem "An¬
zeiger vom Jpf" in dem fast durchaus protestantischen Bopfingen ein stark anti¬
jesuitisches Blatt plötzlich den ultramontanen Harnisch anlegen, in welchem es sich in
kurzer Zeit über dreitausend Abonnenten eroberte. Jetzt soll es fünftausend sechs¬
hundert Exemplare absetzen. Es erscheint dreimal die Woche. Von den übrigen
katholischen Blättern Würtembergs, dem "Allgauer Boten" in Leutkirch, der
"Laupheimer Zeitung", dem "Seeblatt" in Friedrichshafen, dem "Heuberger
Boten" in Spaichingen und dem "Wochenblatt für den Oberamtsbezirk Wald¬
see" ist nicht viel zu sagen; ihre Bedeutung und Verbreitung erstreckt sich nicht
über die Oberämter hinaus, in welchen sie erscheinen. Von würtembergischen
katholischen Zeitschriften ist die "Theologische Quartalschrift" zu erwähnen,
welche von den Professoren der tübinger Fakultät herausgegeben wird und die
mildere Richtung der deutschen Theologie vertritt, während der Moufangsche
"Katholik" in Mainz im Sinne der Schule des Thomas von Aquino ge¬
schrieben ist.

In Sachsen wurde das erste katholische Blatt im Jahre 1859 gegründet.
Es war das "Katholische Monatsblatt" des Pfarrers Stolle in Leipzig,
welches von 1870 an zweimal monatlich erschien und sich später "Katholisches
Kirchenblatt zunächst für Sachsen" nannte. 1871 siedelte es mit seinem Grün¬
der nach Dresden über, 1873 erhielt es in dem Hofprediger Wahl einen andern
Redakteur. 1874 wechselte es abermals den Namen und die Redaktion, da die
bösen Nativnallibercilen es für ungehörig erklärt hatten, daß ein Hofprediger
im protestantischen Sachsen den Jesuiten das Wort redete und überhaupt
reichsfeiudlich auftrat. Die Tendenz aber blieb dieselbe. Ja das "Katholische
Volksblatt", wie es jetzt hieß, und der Konvertit R. v. Rochow, der es fortan
redigirten, konnten sich mehr erlauben als ihre Vorgänger. Viel geschadet hat
es übrigens nicht; denn es hat niemals die Zahl von tausend Exemplaren er¬
reicht. Neben ihm existirt für die katholischen Wenden der obern Spree seit
1862 die monatlich zweimal in Bautzen erscheinende, seit 1872 vom Domvikar
Wnschanski redigirte Zeitschrift "Katholski Posol", die auch etwas in Politik
macht und siebenhundert Abonnenten zählt.

Von Baiern bemerkt unsere Quelle: "In den protestantischen Gegenden
und in allen Städten herrscht die liberale Presse.*) In den katholischen Land¬
bezirken dominiren die katholischen Zeitungen, aber anch hier mit der Be¬
schränkung, daß sogenannte farblose Blätter, welche jedoch im Zwischendeck
immer Liberalismus mit sich führen, einen großen Leserkreis besitzen und so



*) Nach einer andern Aeußerung des Verfassers sind Straubing, Amberg und Lands¬
hut hiervon aufzunehmen.

an sechstausend Abonnenten hat. Dasselbe sah im Jahre 1873 in dem „An¬
zeiger vom Jpf" in dem fast durchaus protestantischen Bopfingen ein stark anti¬
jesuitisches Blatt plötzlich den ultramontanen Harnisch anlegen, in welchem es sich in
kurzer Zeit über dreitausend Abonnenten eroberte. Jetzt soll es fünftausend sechs¬
hundert Exemplare absetzen. Es erscheint dreimal die Woche. Von den übrigen
katholischen Blättern Würtembergs, dem „Allgauer Boten" in Leutkirch, der
„Laupheimer Zeitung", dem „Seeblatt" in Friedrichshafen, dem „Heuberger
Boten" in Spaichingen und dem „Wochenblatt für den Oberamtsbezirk Wald¬
see" ist nicht viel zu sagen; ihre Bedeutung und Verbreitung erstreckt sich nicht
über die Oberämter hinaus, in welchen sie erscheinen. Von würtembergischen
katholischen Zeitschriften ist die „Theologische Quartalschrift" zu erwähnen,
welche von den Professoren der tübinger Fakultät herausgegeben wird und die
mildere Richtung der deutschen Theologie vertritt, während der Moufangsche
„Katholik" in Mainz im Sinne der Schule des Thomas von Aquino ge¬
schrieben ist.

In Sachsen wurde das erste katholische Blatt im Jahre 1859 gegründet.
Es war das „Katholische Monatsblatt" des Pfarrers Stolle in Leipzig,
welches von 1870 an zweimal monatlich erschien und sich später „Katholisches
Kirchenblatt zunächst für Sachsen" nannte. 1871 siedelte es mit seinem Grün¬
der nach Dresden über, 1873 erhielt es in dem Hofprediger Wahl einen andern
Redakteur. 1874 wechselte es abermals den Namen und die Redaktion, da die
bösen Nativnallibercilen es für ungehörig erklärt hatten, daß ein Hofprediger
im protestantischen Sachsen den Jesuiten das Wort redete und überhaupt
reichsfeiudlich auftrat. Die Tendenz aber blieb dieselbe. Ja das „Katholische
Volksblatt", wie es jetzt hieß, und der Konvertit R. v. Rochow, der es fortan
redigirten, konnten sich mehr erlauben als ihre Vorgänger. Viel geschadet hat
es übrigens nicht; denn es hat niemals die Zahl von tausend Exemplaren er¬
reicht. Neben ihm existirt für die katholischen Wenden der obern Spree seit
1862 die monatlich zweimal in Bautzen erscheinende, seit 1872 vom Domvikar
Wnschanski redigirte Zeitschrift „Katholski Posol", die auch etwas in Politik
macht und siebenhundert Abonnenten zählt.

Von Baiern bemerkt unsere Quelle: „In den protestantischen Gegenden
und in allen Städten herrscht die liberale Presse.*) In den katholischen Land¬
bezirken dominiren die katholischen Zeitungen, aber anch hier mit der Be¬
schränkung, daß sogenannte farblose Blätter, welche jedoch im Zwischendeck
immer Liberalismus mit sich führen, einen großen Leserkreis besitzen und so



*) Nach einer andern Aeußerung des Verfassers sind Straubing, Amberg und Lands¬
hut hiervon aufzunehmen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/24>, abgerufen am 10.01.2025.