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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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der "Freiburger Bote", erst derb und grob, jetzt infolge verdrießlicher Er¬
fahrungen zahmer und sanfter, für den Breisgau und den Schwarzwald be¬
stimmt, der vom Dekan Förderer in Lahr gegründete und "mit kluger Milde"
redigirte "Anzeiger für Stadt und Land", der im Breisgau und der Ortenau
bis Karlsruhe zu Tausenden verbreitet ist, das "Scickinger Volksblatt", 1874
entstanden, das "Konstanzer Tageblatt", wie das vorhergehende nur von
lokaler Bedeutung, endlich der "Odenwälder Anzeiger", der "als politisch "mehr
oder minder farbloses Organ katholischen Interessen dienen will", es aber
hiermit vereinbar findet, "schamlosen unsittlichen Anzeigen seine Spalten zu
öffnen." Sodann sind die "Stimmen aus Maria Laach" und die "Katholischen
Missionen" zu nennen, beides Jesuitenblätter, die in Freiburg erscheinen und
auch manches enthalten, was wenigstens nicht direkt der ultramontanen Agitation
dient. In Nordbaden kommt zu Heidelberg der "Pfälzer Bote" heraus, der,
besonders im Taubergrund, Tausende von Exemplaren absetzt, und dessen gegen¬
wärtigen Redakteur Berberich unsere Schrift, weil er oft eingesteckt wurde,
einen "Märtyrer der katholische" Presse" nennt, obwohl der Verfasser selbst
ihm "allzugroße Derbheit" und maßlose Sprache vorwirft. Das Gesammt¬
urtheil Herrn Woerls über die Blätter seiner Partei in Baden lautet: Sie
stehen "auf korrekt römisch-katholischem Standpunkte, die Redakteure sind im
allgemeinen ihrer Aufgabe gewachsen und arbeiten harmonisch zusammen. Die
gegenwärtig existirenden Zeitungen stehen auch materiell gesichert da und werden
sich, wie wir zuversichtlich hoffen, noch bedeutend weiter entwickeln."

Jn Würtemberg gründete sofort, nachdem das Jahr 1848 die Preßfrei¬
heit gebracht, der Jesuitenpater Florian Rieß zu Stuttgart das "Deutsche
Volksblatt" und daneben das "Katholische Sonntagsblatt", die sich durch ent¬
schiedene Haltung und durch die Schlagfertigkeit, mit denen sie zu den jeweiligen
Tagesfragen, z. B. zu der würtembergischen Konventionsaugelegenheit und zum
badischen Kirchenstreit Stellung nahmen, Ruf und einen ausgedehnten Leser¬
kreis erwarben. In den Händen eines weniger "korrekt" ultramontanen und
wohl auch weniger geschickten Redakteurs verlor das "Deutsche Volksblatt"
seine Beliebtheit, und schließlich mußte es zu erscheinen aufhören. 1875 wurde
es von einer Aktiengesellschaft sammt dem "Sonntagsblatt" von den Todten
erweckt, aber die "entschiedene Haltung", die es in der ersten Zeit seines Be¬
stehens zeigte, die ihm aber während des vatikanischen Konzils in besonders
bedenklicher Weise abhanden gekommen war, scheint sich zur Bekümmerniß des
Verfassers unsrer Schrift auch jetzt noch vermissen zu lassen. Im Hinblick auf
jene bedenkliche Haltung gründete 1871 eine Gesellschaft, an deren Spitze der
Stadtpfarrer von Ellwangen, Dr. Schwarz, stand (der beiläufig jetzt Hausprälat
des Papstes ist) in Ellwangen das "Katholische Wochenblatt", welches jetzt


der „Freiburger Bote", erst derb und grob, jetzt infolge verdrießlicher Er¬
fahrungen zahmer und sanfter, für den Breisgau und den Schwarzwald be¬
stimmt, der vom Dekan Förderer in Lahr gegründete und „mit kluger Milde"
redigirte „Anzeiger für Stadt und Land", der im Breisgau und der Ortenau
bis Karlsruhe zu Tausenden verbreitet ist, das „Scickinger Volksblatt", 1874
entstanden, das „Konstanzer Tageblatt", wie das vorhergehende nur von
lokaler Bedeutung, endlich der „Odenwälder Anzeiger", der „als politisch «mehr
oder minder farbloses Organ katholischen Interessen dienen will", es aber
hiermit vereinbar findet, „schamlosen unsittlichen Anzeigen seine Spalten zu
öffnen." Sodann sind die „Stimmen aus Maria Laach" und die „Katholischen
Missionen" zu nennen, beides Jesuitenblätter, die in Freiburg erscheinen und
auch manches enthalten, was wenigstens nicht direkt der ultramontanen Agitation
dient. In Nordbaden kommt zu Heidelberg der „Pfälzer Bote" heraus, der,
besonders im Taubergrund, Tausende von Exemplaren absetzt, und dessen gegen¬
wärtigen Redakteur Berberich unsere Schrift, weil er oft eingesteckt wurde,
einen „Märtyrer der katholische» Presse" nennt, obwohl der Verfasser selbst
ihm „allzugroße Derbheit" und maßlose Sprache vorwirft. Das Gesammt¬
urtheil Herrn Woerls über die Blätter seiner Partei in Baden lautet: Sie
stehen „auf korrekt römisch-katholischem Standpunkte, die Redakteure sind im
allgemeinen ihrer Aufgabe gewachsen und arbeiten harmonisch zusammen. Die
gegenwärtig existirenden Zeitungen stehen auch materiell gesichert da und werden
sich, wie wir zuversichtlich hoffen, noch bedeutend weiter entwickeln."

Jn Würtemberg gründete sofort, nachdem das Jahr 1848 die Preßfrei¬
heit gebracht, der Jesuitenpater Florian Rieß zu Stuttgart das „Deutsche
Volksblatt" und daneben das „Katholische Sonntagsblatt", die sich durch ent¬
schiedene Haltung und durch die Schlagfertigkeit, mit denen sie zu den jeweiligen
Tagesfragen, z. B. zu der würtembergischen Konventionsaugelegenheit und zum
badischen Kirchenstreit Stellung nahmen, Ruf und einen ausgedehnten Leser¬
kreis erwarben. In den Händen eines weniger „korrekt" ultramontanen und
wohl auch weniger geschickten Redakteurs verlor das „Deutsche Volksblatt"
seine Beliebtheit, und schließlich mußte es zu erscheinen aufhören. 1875 wurde
es von einer Aktiengesellschaft sammt dem „Sonntagsblatt" von den Todten
erweckt, aber die „entschiedene Haltung", die es in der ersten Zeit seines Be¬
stehens zeigte, die ihm aber während des vatikanischen Konzils in besonders
bedenklicher Weise abhanden gekommen war, scheint sich zur Bekümmerniß des
Verfassers unsrer Schrift auch jetzt noch vermissen zu lassen. Im Hinblick auf
jene bedenkliche Haltung gründete 1871 eine Gesellschaft, an deren Spitze der
Stadtpfarrer von Ellwangen, Dr. Schwarz, stand (der beiläufig jetzt Hausprälat
des Papstes ist) in Ellwangen das „Katholische Wochenblatt", welches jetzt


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[0023] der „Freiburger Bote", erst derb und grob, jetzt infolge verdrießlicher Er¬ fahrungen zahmer und sanfter, für den Breisgau und den Schwarzwald be¬ stimmt, der vom Dekan Förderer in Lahr gegründete und „mit kluger Milde" redigirte „Anzeiger für Stadt und Land", der im Breisgau und der Ortenau bis Karlsruhe zu Tausenden verbreitet ist, das „Scickinger Volksblatt", 1874 entstanden, das „Konstanzer Tageblatt", wie das vorhergehende nur von lokaler Bedeutung, endlich der „Odenwälder Anzeiger", der „als politisch «mehr oder minder farbloses Organ katholischen Interessen dienen will", es aber hiermit vereinbar findet, „schamlosen unsittlichen Anzeigen seine Spalten zu öffnen." Sodann sind die „Stimmen aus Maria Laach" und die „Katholischen Missionen" zu nennen, beides Jesuitenblätter, die in Freiburg erscheinen und auch manches enthalten, was wenigstens nicht direkt der ultramontanen Agitation dient. In Nordbaden kommt zu Heidelberg der „Pfälzer Bote" heraus, der, besonders im Taubergrund, Tausende von Exemplaren absetzt, und dessen gegen¬ wärtigen Redakteur Berberich unsere Schrift, weil er oft eingesteckt wurde, einen „Märtyrer der katholische» Presse" nennt, obwohl der Verfasser selbst ihm „allzugroße Derbheit" und maßlose Sprache vorwirft. Das Gesammt¬ urtheil Herrn Woerls über die Blätter seiner Partei in Baden lautet: Sie stehen „auf korrekt römisch-katholischem Standpunkte, die Redakteure sind im allgemeinen ihrer Aufgabe gewachsen und arbeiten harmonisch zusammen. Die gegenwärtig existirenden Zeitungen stehen auch materiell gesichert da und werden sich, wie wir zuversichtlich hoffen, noch bedeutend weiter entwickeln." Jn Würtemberg gründete sofort, nachdem das Jahr 1848 die Preßfrei¬ heit gebracht, der Jesuitenpater Florian Rieß zu Stuttgart das „Deutsche Volksblatt" und daneben das „Katholische Sonntagsblatt", die sich durch ent¬ schiedene Haltung und durch die Schlagfertigkeit, mit denen sie zu den jeweiligen Tagesfragen, z. B. zu der würtembergischen Konventionsaugelegenheit und zum badischen Kirchenstreit Stellung nahmen, Ruf und einen ausgedehnten Leser¬ kreis erwarben. In den Händen eines weniger „korrekt" ultramontanen und wohl auch weniger geschickten Redakteurs verlor das „Deutsche Volksblatt" seine Beliebtheit, und schließlich mußte es zu erscheinen aufhören. 1875 wurde es von einer Aktiengesellschaft sammt dem „Sonntagsblatt" von den Todten erweckt, aber die „entschiedene Haltung", die es in der ersten Zeit seines Be¬ stehens zeigte, die ihm aber während des vatikanischen Konzils in besonders bedenklicher Weise abhanden gekommen war, scheint sich zur Bekümmerniß des Verfassers unsrer Schrift auch jetzt noch vermissen zu lassen. Im Hinblick auf jene bedenkliche Haltung gründete 1871 eine Gesellschaft, an deren Spitze der Stadtpfarrer von Ellwangen, Dr. Schwarz, stand (der beiläufig jetzt Hausprälat des Papstes ist) in Ellwangen das „Katholische Wochenblatt", welches jetzt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/23>, abgerufen am 23.07.2024.