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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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wandelt oder sonst durch Verbindung von zwei nicht zu einander passenden
Sätzen und Täuschung der Erwartung, welche der vordere erweckt, durch den
Hinteren eine kölnische Wirkung hervorbringt, und so wie Eulenspiegel der
Narrheit über die Vernunft, dem Spaße über den Ernst zum Siege verhilft."
Es sind hier bekannte Sprüche dieser Art wie: "Besser etwas als nichts, sagte
der Wolf, da verschlang er eine Mücke", Einfach aber niedlich, sagte der Teufel,
und strich sich den Schwanz erbsengrün an", "Da schwimmen wir Aepfel,
sagte der Roßdreck zum Borsdorfer, da schwammen sie beide den Bach hinab
n. d. in. mit einer großen Menge solcher zusammengestellt, die uns neu waren.
Der Schluß des Kapitels, eine Auswahl neckischer Witzspiele, leitet dann auf
deu Inhalt des nächsten hinüber, welches eine reichhaltige Uebersicht über alles
das giebt, was der Volkshumor in alter und neuer Zeit für den deutschen
Räthselschatz geschaffen hat.

Der elfte Abschnitt bringt dann Lügenlieder und Lügengeschichten verschie¬
dener Art. Sie gehörten unzweifelhaft in das Buch; denn vorzüglich gerne
verweilt der Volkshumor auf dem Gebiete der Uebertreibung, Verdrehung und
Verkehrung. "Spaß muß sein. Die Wahrheit macht nicht viel Spaß, also
muß mit ihr Spaß gemacht werden, und die Erzeugnisse der Neigung, die so
schließt, gipfeln in allerlei komischen Lügen. Die Welt steht auf dem Kopfe,
der Ernst schlägt Purzelbäume, die Ungereimtheit reimt sich."

Im zwölften Kapitel hat es der Verfasser mit der Dummheit im Märchen
und der komischen Legende zu thun. Der Kern dieser Erzählungen, von denen
das Buch eine Anzahl ergötzlicher Proben mittheilt, ist gewöhnlich eine Mythe,
der Held derselben war einst ein Gott, ein Heros oder ein zauberkräftiger
Riese oder Zwerg, während er uns jetzt als ein ungewöhnlicher Dummkopf
oder als unnatürlich glücklicher Tropf, bisweilen auch als kvboldartiger Eulen¬
spiegel entgegentritt. "Schon das Christenthum hatte die alten Heidengötter,
wo es dieselben nicht in Heilige der Kirche verwandeln konnte, in mehr oder
minder possenhafte Gestalten umgeschaffen. Der Humor des Volkes, der sich
felbst mit den Gespenstern derselben ans einen gemüthlichen Fuß zu stellen
wußte, that dabei ein Uebriges, wobei er sich einestheils an Schwänke an¬
lehnte, die schon in der Heidenzeit von gewissen Göttern erzählt wurden, an-
derntheils der gegen Ende des Mittelalters erwachten Neigung folgte, das
Schwache über das Starkscheineude, die Einfalt über den Verstand zu stellen,
das Niedrige als das Höhere auftreten zu lassen, und die Dummpfiffigkeit zu
loben und als Siegerin im Kampfe mit der Welt zu zeigen."

Eine Ergänzung erfährt dieses Kapitel durch das nächste, eine Sammlung
Geschichten vom "dummen Teufel" mit einer Einleitung, welche die Entstehung
und Ausbildung dieses Begriffs behandelt. Das vorletzte zeigt dann, wie der


wandelt oder sonst durch Verbindung von zwei nicht zu einander passenden
Sätzen und Täuschung der Erwartung, welche der vordere erweckt, durch den
Hinteren eine kölnische Wirkung hervorbringt, und so wie Eulenspiegel der
Narrheit über die Vernunft, dem Spaße über den Ernst zum Siege verhilft."
Es sind hier bekannte Sprüche dieser Art wie: „Besser etwas als nichts, sagte
der Wolf, da verschlang er eine Mücke", Einfach aber niedlich, sagte der Teufel,
und strich sich den Schwanz erbsengrün an", „Da schwimmen wir Aepfel,
sagte der Roßdreck zum Borsdorfer, da schwammen sie beide den Bach hinab
n. d. in. mit einer großen Menge solcher zusammengestellt, die uns neu waren.
Der Schluß des Kapitels, eine Auswahl neckischer Witzspiele, leitet dann auf
deu Inhalt des nächsten hinüber, welches eine reichhaltige Uebersicht über alles
das giebt, was der Volkshumor in alter und neuer Zeit für den deutschen
Räthselschatz geschaffen hat.

Der elfte Abschnitt bringt dann Lügenlieder und Lügengeschichten verschie¬
dener Art. Sie gehörten unzweifelhaft in das Buch; denn vorzüglich gerne
verweilt der Volkshumor auf dem Gebiete der Uebertreibung, Verdrehung und
Verkehrung. „Spaß muß sein. Die Wahrheit macht nicht viel Spaß, also
muß mit ihr Spaß gemacht werden, und die Erzeugnisse der Neigung, die so
schließt, gipfeln in allerlei komischen Lügen. Die Welt steht auf dem Kopfe,
der Ernst schlägt Purzelbäume, die Ungereimtheit reimt sich."

Im zwölften Kapitel hat es der Verfasser mit der Dummheit im Märchen
und der komischen Legende zu thun. Der Kern dieser Erzählungen, von denen
das Buch eine Anzahl ergötzlicher Proben mittheilt, ist gewöhnlich eine Mythe,
der Held derselben war einst ein Gott, ein Heros oder ein zauberkräftiger
Riese oder Zwerg, während er uns jetzt als ein ungewöhnlicher Dummkopf
oder als unnatürlich glücklicher Tropf, bisweilen auch als kvboldartiger Eulen¬
spiegel entgegentritt. „Schon das Christenthum hatte die alten Heidengötter,
wo es dieselben nicht in Heilige der Kirche verwandeln konnte, in mehr oder
minder possenhafte Gestalten umgeschaffen. Der Humor des Volkes, der sich
felbst mit den Gespenstern derselben ans einen gemüthlichen Fuß zu stellen
wußte, that dabei ein Uebriges, wobei er sich einestheils an Schwänke an¬
lehnte, die schon in der Heidenzeit von gewissen Göttern erzählt wurden, an-
derntheils der gegen Ende des Mittelalters erwachten Neigung folgte, das
Schwache über das Starkscheineude, die Einfalt über den Verstand zu stellen,
das Niedrige als das Höhere auftreten zu lassen, und die Dummpfiffigkeit zu
loben und als Siegerin im Kampfe mit der Welt zu zeigen."

Eine Ergänzung erfährt dieses Kapitel durch das nächste, eine Sammlung
Geschichten vom „dummen Teufel" mit einer Einleitung, welche die Entstehung
und Ausbildung dieses Begriffs behandelt. Das vorletzte zeigt dann, wie der


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[0228] wandelt oder sonst durch Verbindung von zwei nicht zu einander passenden Sätzen und Täuschung der Erwartung, welche der vordere erweckt, durch den Hinteren eine kölnische Wirkung hervorbringt, und so wie Eulenspiegel der Narrheit über die Vernunft, dem Spaße über den Ernst zum Siege verhilft." Es sind hier bekannte Sprüche dieser Art wie: „Besser etwas als nichts, sagte der Wolf, da verschlang er eine Mücke", Einfach aber niedlich, sagte der Teufel, und strich sich den Schwanz erbsengrün an", „Da schwimmen wir Aepfel, sagte der Roßdreck zum Borsdorfer, da schwammen sie beide den Bach hinab n. d. in. mit einer großen Menge solcher zusammengestellt, die uns neu waren. Der Schluß des Kapitels, eine Auswahl neckischer Witzspiele, leitet dann auf deu Inhalt des nächsten hinüber, welches eine reichhaltige Uebersicht über alles das giebt, was der Volkshumor in alter und neuer Zeit für den deutschen Räthselschatz geschaffen hat. Der elfte Abschnitt bringt dann Lügenlieder und Lügengeschichten verschie¬ dener Art. Sie gehörten unzweifelhaft in das Buch; denn vorzüglich gerne verweilt der Volkshumor auf dem Gebiete der Uebertreibung, Verdrehung und Verkehrung. „Spaß muß sein. Die Wahrheit macht nicht viel Spaß, also muß mit ihr Spaß gemacht werden, und die Erzeugnisse der Neigung, die so schließt, gipfeln in allerlei komischen Lügen. Die Welt steht auf dem Kopfe, der Ernst schlägt Purzelbäume, die Ungereimtheit reimt sich." Im zwölften Kapitel hat es der Verfasser mit der Dummheit im Märchen und der komischen Legende zu thun. Der Kern dieser Erzählungen, von denen das Buch eine Anzahl ergötzlicher Proben mittheilt, ist gewöhnlich eine Mythe, der Held derselben war einst ein Gott, ein Heros oder ein zauberkräftiger Riese oder Zwerg, während er uns jetzt als ein ungewöhnlicher Dummkopf oder als unnatürlich glücklicher Tropf, bisweilen auch als kvboldartiger Eulen¬ spiegel entgegentritt. „Schon das Christenthum hatte die alten Heidengötter, wo es dieselben nicht in Heilige der Kirche verwandeln konnte, in mehr oder minder possenhafte Gestalten umgeschaffen. Der Humor des Volkes, der sich felbst mit den Gespenstern derselben ans einen gemüthlichen Fuß zu stellen wußte, that dabei ein Uebriges, wobei er sich einestheils an Schwänke an¬ lehnte, die schon in der Heidenzeit von gewissen Göttern erzählt wurden, an- derntheils der gegen Ende des Mittelalters erwachten Neigung folgte, das Schwache über das Starkscheineude, die Einfalt über den Verstand zu stellen, das Niedrige als das Höhere auftreten zu lassen, und die Dummpfiffigkeit zu loben und als Siegerin im Kampfe mit der Welt zu zeigen." Eine Ergänzung erfährt dieses Kapitel durch das nächste, eine Sammlung Geschichten vom „dummen Teufel" mit einer Einleitung, welche die Entstehung und Ausbildung dieses Begriffs behandelt. Das vorletzte zeigt dann, wie der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/228>, abgerufen am 23.07.2024.