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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Großherzogthum, die benachbarte Provinz Hessen-Nassau, Baden, Rheinbaiern
und das Elsaß vertheilen, wogegen das Blatt in Mainz selbst verhältnißmäßig
wenig Leser hat. Früher mehr sür die höheren Schichten der Bevölkerung
bestimmt, schlägt es seit ewiger Zeit einen volksthümlichen Ton an. Es hat
Zahlreiche Korrespondenten, die es nach der Meinung Herrn Woerls gut be¬
dienen, bringt aber uach dessen Behauptung zu viele und zu lange Leitartikel.
Neben ihm ist der "Starkenburger Bote" zu nennen, der wöchentlich zweimal
herauskommt und eintausend neunhundert Abonnenten hat. Er wurde 1867
gegründet und hat seitdem wegen "großer Freimüthigkeit" (seil. Dreistigkeit)
und "furchtloser Vorgehens namentlich gegen die Freimaurer und Gründer"
(wobei die Redaktion weidlich geschimpft haben wird) "viel mit dem Straf¬
gesetz Bekanntschaft gemacht." An die katholischen Bauern in Rheinhessen und
den benachbarten preußischen Strichen wenden sich der "Rheinische Volksbote",
der in Gaualgesheim wöchentlich zweimal erscheint und eine Auflage von
zweitausend fünfhundert Exemplaren hat, und der "Binger Anzeiger", der bis
nach Kreuznach hin verbreitet ist und zweitausend Abonnenten zählt. Geringeren
Kalibers siud die "Starkenburger Provinzial - Zeitung" mit dreitausend und
der "Seligenstädter Anzeiger" mit eintausend achthundert Abonnenten, da sie nur
selten eine eigne Ansicht über kirchliche Angelegenheiten bringen, sondern fast
uur Entlehntes kvlpvrtiren. Sehr großen Einfluß dagegen übt das in
fünflmddreißigtausend Exemplaren verbreitete, gewandt geleitete "Katholische
Volksblatt" in Mainz, eine Wochenschrift. "In Gemeinden, wo durch den
Kulturkampf die Seelsorge" (d. h. die Verhetzung der Seelen) "verhindert oder
erschwert ist, haben wir durch das "Mainzer Blättchen" einigermaßen einen
Ersatz. Die Landleute bauen felsenfest auf seine Worte. In lebhafter, volks¬
tümlicher Weise werden ihnen die Leiden und Verfolgungen, aber auch die
Triumphe unserer Kirche" (nicht doch, der ultramontanen Fanatiker, welche die
Kirche sein wollen, und deren "Triumphe" nur in ihren Köpfen existiren)
"geschildert." Gleichfalls gute Erfolge hat das im vorigen Jahre vom Verein
der deutschen Katholiken gegründete, zweimal im Monat erscheinende Mainzer
Blatt, welches sich die "Katholische Volksstimme" nennt. Unsere Schrift meint,
die von der Redaktion gebrachten kirchlich-politischen Aufsätze über brennende
Tngesfragen hätten bleibenden Werth, wären jedoch manchmal etwas zu doktrinär
gerathen. Wir hätten uns auch diesen Tadel nicht erlaubt, da das Blatt, wie
gleich nachher berichtet wird, "durch den Segen des heiligen Vaters aus¬
gezeichnet worden ist." Auch ein belletristisches Blatt mit nltramvntaner
Tendenz erscheint in Hessen: das "Neue Kreuzer-Magazin", 1856 begründet,
von Philipp Wasserburg redigirt und in ziemlich zehntausend Exemplaren ver¬
breitet. Es bringt meist Uebersetzungen fremdlündifcher Romane. Andere in


Grenzboten II. 1377. 3

Großherzogthum, die benachbarte Provinz Hessen-Nassau, Baden, Rheinbaiern
und das Elsaß vertheilen, wogegen das Blatt in Mainz selbst verhältnißmäßig
wenig Leser hat. Früher mehr sür die höheren Schichten der Bevölkerung
bestimmt, schlägt es seit ewiger Zeit einen volksthümlichen Ton an. Es hat
Zahlreiche Korrespondenten, die es nach der Meinung Herrn Woerls gut be¬
dienen, bringt aber uach dessen Behauptung zu viele und zu lange Leitartikel.
Neben ihm ist der „Starkenburger Bote" zu nennen, der wöchentlich zweimal
herauskommt und eintausend neunhundert Abonnenten hat. Er wurde 1867
gegründet und hat seitdem wegen „großer Freimüthigkeit" (seil. Dreistigkeit)
und „furchtloser Vorgehens namentlich gegen die Freimaurer und Gründer"
(wobei die Redaktion weidlich geschimpft haben wird) „viel mit dem Straf¬
gesetz Bekanntschaft gemacht." An die katholischen Bauern in Rheinhessen und
den benachbarten preußischen Strichen wenden sich der „Rheinische Volksbote",
der in Gaualgesheim wöchentlich zweimal erscheint und eine Auflage von
zweitausend fünfhundert Exemplaren hat, und der „Binger Anzeiger", der bis
nach Kreuznach hin verbreitet ist und zweitausend Abonnenten zählt. Geringeren
Kalibers siud die „Starkenburger Provinzial - Zeitung" mit dreitausend und
der „Seligenstädter Anzeiger" mit eintausend achthundert Abonnenten, da sie nur
selten eine eigne Ansicht über kirchliche Angelegenheiten bringen, sondern fast
uur Entlehntes kvlpvrtiren. Sehr großen Einfluß dagegen übt das in
fünflmddreißigtausend Exemplaren verbreitete, gewandt geleitete „Katholische
Volksblatt" in Mainz, eine Wochenschrift. „In Gemeinden, wo durch den
Kulturkampf die Seelsorge" (d. h. die Verhetzung der Seelen) „verhindert oder
erschwert ist, haben wir durch das „Mainzer Blättchen" einigermaßen einen
Ersatz. Die Landleute bauen felsenfest auf seine Worte. In lebhafter, volks¬
tümlicher Weise werden ihnen die Leiden und Verfolgungen, aber auch die
Triumphe unserer Kirche" (nicht doch, der ultramontanen Fanatiker, welche die
Kirche sein wollen, und deren „Triumphe" nur in ihren Köpfen existiren)
"geschildert." Gleichfalls gute Erfolge hat das im vorigen Jahre vom Verein
der deutschen Katholiken gegründete, zweimal im Monat erscheinende Mainzer
Blatt, welches sich die „Katholische Volksstimme" nennt. Unsere Schrift meint,
die von der Redaktion gebrachten kirchlich-politischen Aufsätze über brennende
Tngesfragen hätten bleibenden Werth, wären jedoch manchmal etwas zu doktrinär
gerathen. Wir hätten uns auch diesen Tadel nicht erlaubt, da das Blatt, wie
gleich nachher berichtet wird, „durch den Segen des heiligen Vaters aus¬
gezeichnet worden ist." Auch ein belletristisches Blatt mit nltramvntaner
Tendenz erscheint in Hessen: das „Neue Kreuzer-Magazin", 1856 begründet,
von Philipp Wasserburg redigirt und in ziemlich zehntausend Exemplaren ver¬
breitet. Es bringt meist Uebersetzungen fremdlündifcher Romane. Andere in


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[0021] Großherzogthum, die benachbarte Provinz Hessen-Nassau, Baden, Rheinbaiern und das Elsaß vertheilen, wogegen das Blatt in Mainz selbst verhältnißmäßig wenig Leser hat. Früher mehr sür die höheren Schichten der Bevölkerung bestimmt, schlägt es seit ewiger Zeit einen volksthümlichen Ton an. Es hat Zahlreiche Korrespondenten, die es nach der Meinung Herrn Woerls gut be¬ dienen, bringt aber uach dessen Behauptung zu viele und zu lange Leitartikel. Neben ihm ist der „Starkenburger Bote" zu nennen, der wöchentlich zweimal herauskommt und eintausend neunhundert Abonnenten hat. Er wurde 1867 gegründet und hat seitdem wegen „großer Freimüthigkeit" (seil. Dreistigkeit) und „furchtloser Vorgehens namentlich gegen die Freimaurer und Gründer" (wobei die Redaktion weidlich geschimpft haben wird) „viel mit dem Straf¬ gesetz Bekanntschaft gemacht." An die katholischen Bauern in Rheinhessen und den benachbarten preußischen Strichen wenden sich der „Rheinische Volksbote", der in Gaualgesheim wöchentlich zweimal erscheint und eine Auflage von zweitausend fünfhundert Exemplaren hat, und der „Binger Anzeiger", der bis nach Kreuznach hin verbreitet ist und zweitausend Abonnenten zählt. Geringeren Kalibers siud die „Starkenburger Provinzial - Zeitung" mit dreitausend und der „Seligenstädter Anzeiger" mit eintausend achthundert Abonnenten, da sie nur selten eine eigne Ansicht über kirchliche Angelegenheiten bringen, sondern fast uur Entlehntes kvlpvrtiren. Sehr großen Einfluß dagegen übt das in fünflmddreißigtausend Exemplaren verbreitete, gewandt geleitete „Katholische Volksblatt" in Mainz, eine Wochenschrift. „In Gemeinden, wo durch den Kulturkampf die Seelsorge" (d. h. die Verhetzung der Seelen) „verhindert oder erschwert ist, haben wir durch das „Mainzer Blättchen" einigermaßen einen Ersatz. Die Landleute bauen felsenfest auf seine Worte. In lebhafter, volks¬ tümlicher Weise werden ihnen die Leiden und Verfolgungen, aber auch die Triumphe unserer Kirche" (nicht doch, der ultramontanen Fanatiker, welche die Kirche sein wollen, und deren „Triumphe" nur in ihren Köpfen existiren) "geschildert." Gleichfalls gute Erfolge hat das im vorigen Jahre vom Verein der deutschen Katholiken gegründete, zweimal im Monat erscheinende Mainzer Blatt, welches sich die „Katholische Volksstimme" nennt. Unsere Schrift meint, die von der Redaktion gebrachten kirchlich-politischen Aufsätze über brennende Tngesfragen hätten bleibenden Werth, wären jedoch manchmal etwas zu doktrinär gerathen. Wir hätten uns auch diesen Tadel nicht erlaubt, da das Blatt, wie gleich nachher berichtet wird, „durch den Segen des heiligen Vaters aus¬ gezeichnet worden ist." Auch ein belletristisches Blatt mit nltramvntaner Tendenz erscheint in Hessen: das „Neue Kreuzer-Magazin", 1856 begründet, von Philipp Wasserburg redigirt und in ziemlich zehntausend Exemplaren ver¬ breitet. Es bringt meist Uebersetzungen fremdlündifcher Romane. Andere in Grenzboten II. 1377. 3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/21>, abgerufen am 11.01.2025.