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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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hunderttausend Millionen Götter begleiteten ihn bei seinem Hinabsteigen auf
die Erde. Eine Stufe unter den Tuschitas befinden sich die Jamas, Götter,
welche die Tageszeiten beschützen. Erst ans der fünften oder vorletzten Stufe
von oben herab Hansen die atmosphärischen Gottheiten des Bramanenthums,
die Wahns, die Rudras, die Aditijas und die Aßwins, alle von Indra regiert.
Sodann halten sich auf der Stufe unter dem Götterhimmel auf den Seiten
des Berges Meru die Maharadjas oder Großkönige auf, welche die Aufgabe
haben, die Erde zu beschützen. Dann kommt die Region der Genien. Sie
theilt sich in vier Stockwerke, in welchen man von oben nach unten steigend
Zuerst den Asuras oder Riesen," dann den Nagas oder Drachen, hierauf den
vogelgestaltigen Garudhas, endlich den Geistern der Luft und den häßlichen
Kuinbandas begegnet. Hiernach folgt die Erdoberfläche, die Welt der Menschen
und der Thiere, nnter welcher sich sechzehn Zöllen, acht feurige und acht eisige,
abstufen, in denen die Bösen, die an diesen Straforten nach ihrem Tode
wiedergeboren zu werdeu verdient haben, die gräßlichsten Qualen ausstehen
U'üssen.

Die buddhistischen Höllenstrafen dauern aber nicht ewig. Wie man den
Himmel der Götter verläßt, nachdem man darin für das Verdienst belohnt
worden ist, welches man sich in einem vorhergehenden Leben erworben hat,
und wie man dann in dem Körper eines Weisen wiedergeboren wird, so ver¬
läßt man die Hölle, nachdem man seine während eines früheren Daseins be¬
gangenen Missethaten daselbst gebüßt hat, und wird in Gestalt eines mehr oder
minder verachteten Wesens, gewöhnlich eines Thieres, wieder auf die Erde ge¬
ätzt. Aus dem Thiere wird man ein Preta, eine Art Dämon, der unaufhör¬
lich Durst leidet, dann ein Asura oder Riese, dann ein Mensch und zuletzt
ein Gott. Dieß sind die sechs Hauptzustände, welche man durchläuft, und
i^de neue Wanderung der Seele verwischt die Erinnerung an das vorhergehende
Leben. Die Buddhas allein erinnern sich an alle Daseinsformen, welche sie
durchlaufen haben.

Die Existenz jeder Welt zerfällt (man scheint dies den vier Phasen des
Mondes abgesehen zu haben) in vier Kalpas oder Perioden, die der Wieder¬
geburt (erstes Viertel), die des Beharrens (Vollmond), die des Vergehens (letztes
viertel) und die der Nichtigkeit (Neumond). Jedes dieser Kalpas dauert
dreihundert sechsunddreißig Millionen Jahre, welche man wieder in zwanzig
kleinere Perioden theilt. Die Gesammtheit der vier Kalpas einer Weltdauer bildet
ein Mahakalpa vou eintausend dreihundert vierundvierzig Millionen Jahren. Das
Leben aller Wesen nimmt in dem Maße ab, in welchem man in den beiden Perioden
der Wiedergeburt und des Beharrens fortrückt. So beträgt die Lebens¬
dauer des Menschen zu Anfang der ersteren achtzig tausend, zu Ende der


hunderttausend Millionen Götter begleiteten ihn bei seinem Hinabsteigen auf
die Erde. Eine Stufe unter den Tuschitas befinden sich die Jamas, Götter,
welche die Tageszeiten beschützen. Erst ans der fünften oder vorletzten Stufe
von oben herab Hansen die atmosphärischen Gottheiten des Bramanenthums,
die Wahns, die Rudras, die Aditijas und die Aßwins, alle von Indra regiert.
Sodann halten sich auf der Stufe unter dem Götterhimmel auf den Seiten
des Berges Meru die Maharadjas oder Großkönige auf, welche die Aufgabe
haben, die Erde zu beschützen. Dann kommt die Region der Genien. Sie
theilt sich in vier Stockwerke, in welchen man von oben nach unten steigend
Zuerst den Asuras oder Riesen," dann den Nagas oder Drachen, hierauf den
vogelgestaltigen Garudhas, endlich den Geistern der Luft und den häßlichen
Kuinbandas begegnet. Hiernach folgt die Erdoberfläche, die Welt der Menschen
und der Thiere, nnter welcher sich sechzehn Zöllen, acht feurige und acht eisige,
abstufen, in denen die Bösen, die an diesen Straforten nach ihrem Tode
wiedergeboren zu werdeu verdient haben, die gräßlichsten Qualen ausstehen
U'üssen.

Die buddhistischen Höllenstrafen dauern aber nicht ewig. Wie man den
Himmel der Götter verläßt, nachdem man darin für das Verdienst belohnt
worden ist, welches man sich in einem vorhergehenden Leben erworben hat,
und wie man dann in dem Körper eines Weisen wiedergeboren wird, so ver¬
läßt man die Hölle, nachdem man seine während eines früheren Daseins be¬
gangenen Missethaten daselbst gebüßt hat, und wird in Gestalt eines mehr oder
minder verachteten Wesens, gewöhnlich eines Thieres, wieder auf die Erde ge¬
ätzt. Aus dem Thiere wird man ein Preta, eine Art Dämon, der unaufhör¬
lich Durst leidet, dann ein Asura oder Riese, dann ein Mensch und zuletzt
ein Gott. Dieß sind die sechs Hauptzustände, welche man durchläuft, und
i^de neue Wanderung der Seele verwischt die Erinnerung an das vorhergehende
Leben. Die Buddhas allein erinnern sich an alle Daseinsformen, welche sie
durchlaufen haben.

Die Existenz jeder Welt zerfällt (man scheint dies den vier Phasen des
Mondes abgesehen zu haben) in vier Kalpas oder Perioden, die der Wieder¬
geburt (erstes Viertel), die des Beharrens (Vollmond), die des Vergehens (letztes
viertel) und die der Nichtigkeit (Neumond). Jedes dieser Kalpas dauert
dreihundert sechsunddreißig Millionen Jahre, welche man wieder in zwanzig
kleinere Perioden theilt. Die Gesammtheit der vier Kalpas einer Weltdauer bildet
ein Mahakalpa vou eintausend dreihundert vierundvierzig Millionen Jahren. Das
Leben aller Wesen nimmt in dem Maße ab, in welchem man in den beiden Perioden
der Wiedergeburt und des Beharrens fortrückt. So beträgt die Lebens¬
dauer des Menschen zu Anfang der ersteren achtzig tausend, zu Ende der


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[0191] hunderttausend Millionen Götter begleiteten ihn bei seinem Hinabsteigen auf die Erde. Eine Stufe unter den Tuschitas befinden sich die Jamas, Götter, welche die Tageszeiten beschützen. Erst ans der fünften oder vorletzten Stufe von oben herab Hansen die atmosphärischen Gottheiten des Bramanenthums, die Wahns, die Rudras, die Aditijas und die Aßwins, alle von Indra regiert. Sodann halten sich auf der Stufe unter dem Götterhimmel auf den Seiten des Berges Meru die Maharadjas oder Großkönige auf, welche die Aufgabe haben, die Erde zu beschützen. Dann kommt die Region der Genien. Sie theilt sich in vier Stockwerke, in welchen man von oben nach unten steigend Zuerst den Asuras oder Riesen," dann den Nagas oder Drachen, hierauf den vogelgestaltigen Garudhas, endlich den Geistern der Luft und den häßlichen Kuinbandas begegnet. Hiernach folgt die Erdoberfläche, die Welt der Menschen und der Thiere, nnter welcher sich sechzehn Zöllen, acht feurige und acht eisige, abstufen, in denen die Bösen, die an diesen Straforten nach ihrem Tode wiedergeboren zu werdeu verdient haben, die gräßlichsten Qualen ausstehen U'üssen. Die buddhistischen Höllenstrafen dauern aber nicht ewig. Wie man den Himmel der Götter verläßt, nachdem man darin für das Verdienst belohnt worden ist, welches man sich in einem vorhergehenden Leben erworben hat, und wie man dann in dem Körper eines Weisen wiedergeboren wird, so ver¬ läßt man die Hölle, nachdem man seine während eines früheren Daseins be¬ gangenen Missethaten daselbst gebüßt hat, und wird in Gestalt eines mehr oder minder verachteten Wesens, gewöhnlich eines Thieres, wieder auf die Erde ge¬ ätzt. Aus dem Thiere wird man ein Preta, eine Art Dämon, der unaufhör¬ lich Durst leidet, dann ein Asura oder Riese, dann ein Mensch und zuletzt ein Gott. Dieß sind die sechs Hauptzustände, welche man durchläuft, und i^de neue Wanderung der Seele verwischt die Erinnerung an das vorhergehende Leben. Die Buddhas allein erinnern sich an alle Daseinsformen, welche sie durchlaufen haben. Die Existenz jeder Welt zerfällt (man scheint dies den vier Phasen des Mondes abgesehen zu haben) in vier Kalpas oder Perioden, die der Wieder¬ geburt (erstes Viertel), die des Beharrens (Vollmond), die des Vergehens (letztes viertel) und die der Nichtigkeit (Neumond). Jedes dieser Kalpas dauert dreihundert sechsunddreißig Millionen Jahre, welche man wieder in zwanzig kleinere Perioden theilt. Die Gesammtheit der vier Kalpas einer Weltdauer bildet ein Mahakalpa vou eintausend dreihundert vierundvierzig Millionen Jahren. Das Leben aller Wesen nimmt in dem Maße ab, in welchem man in den beiden Perioden der Wiedergeburt und des Beharrens fortrückt. So beträgt die Lebens¬ dauer des Menschen zu Anfang der ersteren achtzig tausend, zu Ende der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/191>, abgerufen am 23.07.2024.