Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.das Gesetz vom 18, September 1876 über Einführung der obligatorischen das Gesetz vom 18, September 1876 über Einführung der obligatorischen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0176" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137877"/> <p xml:id="ID_455" prev="#ID_454" next="#ID_456"> das Gesetz vom 18, September 1876 über Einführung der obligatorischen<lb/> konfessionell ^mischten Volksschule in einer Weise zum Abschluß gebracht,<lb/> welche den Grundgedanken der Organisation, den der konfessionslosen Ge¬<lb/> meindeschule, korrekt zum Ausdruck bringt. Die ersteren Gesetze hatten sich be¬<lb/> gnügt, die Volksschule von der Kirche, deren Anhängsel sie gewesen, loszu-<lb/> lösen und sie unter staatliche und gemeindliche Aufsichtsbehörden zu stellen.<lb/> Die konfessionelle Volksschule blieb erhalten, nur durch übereinstimmende Mehr¬<lb/> heitsbeschlüsse jeder der betheiligten Konfessionsgemeindcn konnte die Zusammen¬<lb/> legung zur konfessionell gemischten Volksschule verfügt werden. In der ört¬<lb/> lichen Schulaufsichtsbehörde war der Ortsgeistliche geborenes Mitglied. Das<lb/> vorerwähnte neueste Gesetz, welches allerdings der Regierung nur mit einiger<lb/> Mühe abgerungen werden konnte, erklärt sämmtliche Volksschulen im Prinzip<lb/> für konfessionell gemischte Schulen, in welchen aller Unterricht mit Ausnahme<lb/> des nach wie vor obligatorischen Religionsunterrichts den Kindern der ver¬<lb/> schiedenen Konfessionen gemeinsam ertheilt wird. Der Religionsunterricht wird<lb/> durch die betreffenden Kirchen- und Religionsgemeinschaften besorgt und über¬<lb/> wacht, sie werden bei Ertheilung desselben durch den von den Kirchenbehörden<lb/> für befähigt erklärten Schullehrer unterstützt. Die örtliche Schulaufsichtsbe¬<lb/> hörde ist der Gemeinderath nnter Zuzug eines Ortsgeistlichen jeder Konfession<lb/> und eines Lehrers. Die öffentliche Lehrwirksamkeit der Mitglieder religiöser<lb/> Orden oder ordensähnlicher Kongregationen ist untersagt. Einzelnen Personen<lb/> kann die Regierung Nachsicht ertheilen. Ueber die Besetzung der Kirchenpfründen<lb/> und die Verwaltung des Kirchenvermögens war bereits im Jahr 1861 eine<lb/> Vereinbarung mit der Kirche zu Stande gekommen. Tiefer einschneidend und<lb/> die Rechte des Staats energischer wahrend ordnete das sogenannte Stiftungs¬<lb/> gesetz vom 5. Mai 1870 ein viel verwirrtes Gebiet, indem es alle diejenigen<lb/> Stiftungen, welche nicht kirchlichen Zwecken gewidmet waren, sondern in das<lb/> Gebiet der Schule und des Armenwesens gehörten, der kirchlichen Verwaltung<lb/> entzog und unter weltliche Verwaltung stellte. Die unter dem 14. September<lb/> 1870 von dem Erzbischof vollzogene Verkündigung der Beschlüsse des vatikani¬<lb/> schen Konzils vom 18. Juli wurde von der Regierung, sofern sie mittelbar<lb/> oder unmittelbar in bürgerliche Verhältnisse eingreifen, für rechtlich unverbind¬<lb/> lich erklärt. Bereits am 9. November 1873 war der altkatholische Bischof<lb/> Reinkens als katholischer Bischof für Baden anerkannt, und ihm waren damit alle<lb/> die Rechte eingeräumt worden, welche einem katholischen Bischof zustehen. Die<lb/> Nichtanerkennung der Beschlüsse des vatikanischen Konzils hatte den unantast¬<lb/> baren Rechtsboden geschaffen, auf dem das die Altkatholiken mit den römischen<lb/> Katholiken durchweg völlig gleichstellende sogenannte Altkatholikengesetz vom<lb/> 15. Juni 1874 erwachsen konnte. Anerkennenswcrthe Festigkeit in Wahrung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0176]
das Gesetz vom 18, September 1876 über Einführung der obligatorischen
konfessionell ^mischten Volksschule in einer Weise zum Abschluß gebracht,
welche den Grundgedanken der Organisation, den der konfessionslosen Ge¬
meindeschule, korrekt zum Ausdruck bringt. Die ersteren Gesetze hatten sich be¬
gnügt, die Volksschule von der Kirche, deren Anhängsel sie gewesen, loszu-
lösen und sie unter staatliche und gemeindliche Aufsichtsbehörden zu stellen.
Die konfessionelle Volksschule blieb erhalten, nur durch übereinstimmende Mehr¬
heitsbeschlüsse jeder der betheiligten Konfessionsgemeindcn konnte die Zusammen¬
legung zur konfessionell gemischten Volksschule verfügt werden. In der ört¬
lichen Schulaufsichtsbehörde war der Ortsgeistliche geborenes Mitglied. Das
vorerwähnte neueste Gesetz, welches allerdings der Regierung nur mit einiger
Mühe abgerungen werden konnte, erklärt sämmtliche Volksschulen im Prinzip
für konfessionell gemischte Schulen, in welchen aller Unterricht mit Ausnahme
des nach wie vor obligatorischen Religionsunterrichts den Kindern der ver¬
schiedenen Konfessionen gemeinsam ertheilt wird. Der Religionsunterricht wird
durch die betreffenden Kirchen- und Religionsgemeinschaften besorgt und über¬
wacht, sie werden bei Ertheilung desselben durch den von den Kirchenbehörden
für befähigt erklärten Schullehrer unterstützt. Die örtliche Schulaufsichtsbe¬
hörde ist der Gemeinderath nnter Zuzug eines Ortsgeistlichen jeder Konfession
und eines Lehrers. Die öffentliche Lehrwirksamkeit der Mitglieder religiöser
Orden oder ordensähnlicher Kongregationen ist untersagt. Einzelnen Personen
kann die Regierung Nachsicht ertheilen. Ueber die Besetzung der Kirchenpfründen
und die Verwaltung des Kirchenvermögens war bereits im Jahr 1861 eine
Vereinbarung mit der Kirche zu Stande gekommen. Tiefer einschneidend und
die Rechte des Staats energischer wahrend ordnete das sogenannte Stiftungs¬
gesetz vom 5. Mai 1870 ein viel verwirrtes Gebiet, indem es alle diejenigen
Stiftungen, welche nicht kirchlichen Zwecken gewidmet waren, sondern in das
Gebiet der Schule und des Armenwesens gehörten, der kirchlichen Verwaltung
entzog und unter weltliche Verwaltung stellte. Die unter dem 14. September
1870 von dem Erzbischof vollzogene Verkündigung der Beschlüsse des vatikani¬
schen Konzils vom 18. Juli wurde von der Regierung, sofern sie mittelbar
oder unmittelbar in bürgerliche Verhältnisse eingreifen, für rechtlich unverbind¬
lich erklärt. Bereits am 9. November 1873 war der altkatholische Bischof
Reinkens als katholischer Bischof für Baden anerkannt, und ihm waren damit alle
die Rechte eingeräumt worden, welche einem katholischen Bischof zustehen. Die
Nichtanerkennung der Beschlüsse des vatikanischen Konzils hatte den unantast¬
baren Rechtsboden geschaffen, auf dem das die Altkatholiken mit den römischen
Katholiken durchweg völlig gleichstellende sogenannte Altkatholikengesetz vom
15. Juni 1874 erwachsen konnte. Anerkennenswcrthe Festigkeit in Wahrung
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