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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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unter dem Schutz der Verfassung stehend, wird der Rechtstellung der Kirche eine
sichere Grundlage verbürgen. In diesem Gesetze und den darauf zu bauenden weiteren
Anordnungen wird der Inhalt der Uebereinkunft seinen berechtigten Ausdruck finden.
So wird Meine Negierung begründeten Forderungen der katholischen Kirche auf
verfassungsmäßigen Wege gerecht werden, und, in schwerer Probe bewährt,
wird das öffentliche Recht des Landes eine neue Weihe empfangen". Der
evangelischen Landeskirche, welcher der Fürst selbst angehört, wird nach den¬
selben Grundsätzen die Gewährung einer "möglichst freien Entwickelung auf der
Grundlage ihrer Verfassung" verheißen. "Ich wünsche, daß der gleiche Grund¬
satz auch ans anderen Gebieten des Staatslebens fruchtbar werde, um alle
Theile des Ganzen zu dem Einklange zu vereinen, in welchem die gesetzliche
Freiheit ihre segenbringende Kraft bewähren kann". Tief ergreifend schließt die
Proklamation: "An den erprobten Patriotismus und ernsten Bürgersinn
Meines Volkes richte Ich nun die Mahnung, alle Trennungen zu vergessen,
welche die jüngste Zeit hervorgerufen hat, damit unter den verschiedenen Kon¬
sessionen und ihren Angehörigen Eintracht und Duldung herrsche, wie sie die
christliche Liebe uns Alle lehrt. Manche Gefahren können unser Vaterland
bedrohen. Das Einzige, was stark macht, ist Einigkeit. Ohne Haß über Gegen¬
sätze, welche der Vergangenheit angehören müssen, stehet fest in dem Vertrauen
zu einer Zukunft, die niemand verletzen wird, weil sie gegen Alle gerecht
sein wird".

Mit unbeschreiblichem Jnbel wurde das Fürstenwort aufgenommen. Es
war, als ob ein schwerer Alp von Aller Brust genommen wäre. Mit dem
ganzen rückläufigen System war gebrochen. Die Reaktion war zu ihrem Ab¬
schluß gekommen. Eine neue, konstitutionelle und nationale Aera begann. Ein¬
zig der Erzbischof von Freiburg wagte in rebellischen Gebahren mittelst Rund¬
schreibens an die Geistlichen das Konkordat als zu Recht bestehend zu erklären
und sprach seine Absicht aus, "an den durch die Konvention der Kirche er¬
wachsenen Rechten und den uns darüber zugegangenen Vorschriften des aposto¬
lischen Stuhles festzuhalten". Die Negierung wies den Protest als unstatthaft
zurück, und es konnte kein Zweifel aufkommen, daß sie mit der Verwirklichung
der in der Proklamation des 7. April kundgegebenen Grundsätze vollen Ernst
wachen werde.

Es kann nicht Aufgabe des gegenwärtigen Aufsatzes sein, die nun be¬
ginnende und noch andauernde Entwickelung und Gestaltung des innerbadischen
Staatslebens ins einzelnste hinein zergliedernd zu schildern und zur anschau¬
lichen Darstellung zu bringen. Der Raum gebietet Beschränkung. Wir werden
uns deshalb begnügen, die maßgebenden Grundprinzipien aufzuzeigen und


Grenzboten II. 1377. 22

unter dem Schutz der Verfassung stehend, wird der Rechtstellung der Kirche eine
sichere Grundlage verbürgen. In diesem Gesetze und den darauf zu bauenden weiteren
Anordnungen wird der Inhalt der Uebereinkunft seinen berechtigten Ausdruck finden.
So wird Meine Negierung begründeten Forderungen der katholischen Kirche auf
verfassungsmäßigen Wege gerecht werden, und, in schwerer Probe bewährt,
wird das öffentliche Recht des Landes eine neue Weihe empfangen". Der
evangelischen Landeskirche, welcher der Fürst selbst angehört, wird nach den¬
selben Grundsätzen die Gewährung einer „möglichst freien Entwickelung auf der
Grundlage ihrer Verfassung" verheißen. „Ich wünsche, daß der gleiche Grund¬
satz auch ans anderen Gebieten des Staatslebens fruchtbar werde, um alle
Theile des Ganzen zu dem Einklange zu vereinen, in welchem die gesetzliche
Freiheit ihre segenbringende Kraft bewähren kann". Tief ergreifend schließt die
Proklamation: „An den erprobten Patriotismus und ernsten Bürgersinn
Meines Volkes richte Ich nun die Mahnung, alle Trennungen zu vergessen,
welche die jüngste Zeit hervorgerufen hat, damit unter den verschiedenen Kon¬
sessionen und ihren Angehörigen Eintracht und Duldung herrsche, wie sie die
christliche Liebe uns Alle lehrt. Manche Gefahren können unser Vaterland
bedrohen. Das Einzige, was stark macht, ist Einigkeit. Ohne Haß über Gegen¬
sätze, welche der Vergangenheit angehören müssen, stehet fest in dem Vertrauen
zu einer Zukunft, die niemand verletzen wird, weil sie gegen Alle gerecht
sein wird".

Mit unbeschreiblichem Jnbel wurde das Fürstenwort aufgenommen. Es
war, als ob ein schwerer Alp von Aller Brust genommen wäre. Mit dem
ganzen rückläufigen System war gebrochen. Die Reaktion war zu ihrem Ab¬
schluß gekommen. Eine neue, konstitutionelle und nationale Aera begann. Ein¬
zig der Erzbischof von Freiburg wagte in rebellischen Gebahren mittelst Rund¬
schreibens an die Geistlichen das Konkordat als zu Recht bestehend zu erklären
und sprach seine Absicht aus, „an den durch die Konvention der Kirche er¬
wachsenen Rechten und den uns darüber zugegangenen Vorschriften des aposto¬
lischen Stuhles festzuhalten". Die Negierung wies den Protest als unstatthaft
zurück, und es konnte kein Zweifel aufkommen, daß sie mit der Verwirklichung
der in der Proklamation des 7. April kundgegebenen Grundsätze vollen Ernst
wachen werde.

Es kann nicht Aufgabe des gegenwärtigen Aufsatzes sein, die nun be¬
ginnende und noch andauernde Entwickelung und Gestaltung des innerbadischen
Staatslebens ins einzelnste hinein zergliedernd zu schildern und zur anschau¬
lichen Darstellung zu bringen. Der Raum gebietet Beschränkung. Wir werden
uns deshalb begnügen, die maßgebenden Grundprinzipien aufzuzeigen und


Grenzboten II. 1377. 22
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/173>, abgerufen am 03.07.2024.